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Massageeinheiten verhelfen dem Pferd zu mehr Losgelassenheit und innerer wie äußerer Balance. © Sandra Fencl

Selbst Hand anlegen: 5 einfache Massagetechniken für dein Pferd

Ein Artikel von Sandra Fencl / Stephanie Schiller | 04.08.2020 - 10:21

Dass menschliche Sportler*innen von Masseur*innen betreut werden, ist selbstverständlich. Bei Fußballspielen ist häufig zu beobachten, dass selbst kurze Spielpausen dazu genutzt werden, um die müden Kickerbeine durch Massagen wieder locker zu bekommen. Und auch in der Rehabilitation und Prophylaxe spielt Massage eine wichtige Rolle: Muskelverspannungen sind nicht nur schmerzhaft, sondern können langfristig durch Schonhaltungen und Fehlbelastungen alle beteiligten Strukturen wie Gelenke, Bänder und Sehnen schädigen. 

Aber nicht nur zweibeinige Sportler*innen, auch das Sportpferd, das Freizeitpferd und der Wanderreitkumpel profitieren vom gekonnten Handanlegen und danken es mit besserer Gesundheit und erhöhtem Wohlbefinden. Und nicht zuletzt vertieft und festigt eine Massage auch die Beziehung von Mensch und Pferd.

In der Pferdemassage gibt es sehr viele unterschiedliche Techniken. Wir stellen euch fünf davon genauer vor:

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Streichungen wirken enegieausgleichend und entspannend. © Sandra Fencl

1. Streichungen/Effleurage
Mittels angenehmer Streichung wird das Pferd auf die Massage vorbereitet, gleichzeitig kann man diese Technik zur Befunderhebung einsetzen. Die sogenannte Effleurage kann das Pferd in einen besseren Energiefluss und auch Entspannungszustand bringen. Gleichzeitig kann der Masseur Wärmeunterschiede oder Auffälligkeiten in der Grundspannung von einzelnen Muskeln des Pferdes erkunden.
Für Streichungen am gesamten Körper legt man die entspannten Hände auf den Pferdekörper und lässt die Hände in Strichrichtung des Fells am gesamten Körper entlanggleiten. Je nach Druckstärke und Geschwindigkeit wirken Streichungen entspannend, beruhigend oder bei kräftigerer und schnellerer Ausführung anregend. Streichungen wirken aktivierend auf den Abtransport von Körperflüssigkeiten (Blut, Lymphe) und energieausgleichend. Die Effleurage ist der ideale Beginn und Abschluss jeder Massageeinheit und gibt dem Pferd ein gutes Ganzkörpergefühl. Zur Entspannung und Erholung kann sie aber auch zwischen intensiveren Techniken als Ausgleich angewendet werden. 

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Knetungen fördern die Durchblutung des Gewebes. © Sandra Fencl

2. Knetungen/Petrissage
Das Gewebe wird zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger oder mit der ganzen Hand gefasst und geknetet. Bei der Knetung wird der Druck auf die Muskulatur von den Fingern bzw. der Hand des Masseurs erzeugt. Eine gute Ausführung ist bsp. die Knetung des Gewebes mittels Daumens und Daumenballens in Richtung der restlichen vier Fingern.Sie kann am ganzen Körper angewendet werden, wirkt gegen Verspannungen, die Durchblutung wird sehr gut angeregt, und auch Verklebungen der Bindehaut können gelöst werden. 

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Vibration mit der Handkante wirkt muskelentkrampfend. © Sandra Fencl

3. Vibration mittels Handkante
Hierbei wird die Handkante in die Muskulatur angesetzt und dann vibrierend nach rechts und links bzw. oben und unten bewegt. Generell kann diese Technik eigentlich überall angewendet werden (außer direkt auf Knochen/Wirbelsäule), besonders praktisch ist diese Technik aber auch in der Gurtlage oder im Zwischenrippenbereich. Vibrationen wirken muskelentkrampfend und -lockernd und fördern auch die psychische Entspannung. 

Warum Pferde massieren? 
- Rund 60 % der Körpermasse beim Pferd sind Muskulatur (beim Menschen rund 41 % bei Männern und 32 % bei Frauen). Als Flucht- und Bewegungstier bzw. Fernwanderwild ist der gesamte Stoffwechsel des Pferdes von Bewegung und einer physiologisch (= normal) funktionierenden Muskeltätigkeit abhängig. 

- Die Muskulatur unserer Pferde leidet oft aufgrund von Fehlernährung, falschem oder zu hartem Training, zu wenig Ausgleichsbewegung und/oder schlecht sitzender Ausrüstung. 

- Das Pferd hat ein kompliziertes Muskelsystem mit über 500 Muskeln (250 paarigen und einigen unpaarigen). Wenn auch nur ein Muskel deutlich verspannt ist, wird das gesamte System gestört – und das Pferd kann langfristig an Bewegungsproblemen, Schonhaltungen und Lahmheiten leiden.

- Schon kleinste Muskelprobleme wirken sich massiv auf Statik und Gesundheit aus. Die natürliche Schiefe des Pferdes manifestiert sich in der Muskulatur des Vierbeiners. Dies kann man zum Beispiel auch an unterschiedlich stark ausgeprägter Bemuskelung und Hufgröße feststellen. Um die Schiefe zu verbessern, muss also immer auch die Muskulatur(ver-)spannung harmonisiert werden. 

- Verspannte Muskeln können zu Blockaden von Wirbeln und Gelenken sowie Stoffwechselproblemen und zu einem höheren Sturzrisiko (wegen mangelnder Balance), aber auch zu einem erhöhten Stressniveau und größerer Fluchtbereitschaft führen. Langfristig kann sich ein hoher Muskeltonus (Grundspannung) sehr negativ auf das Verdauungssystem und die inneren Organe des Pferdes auswirken. 

- Wenn man als Pferdebesitzer sein Pferd regelmäßig massiert, wird man einerseits sehr schnell deutlich sensibler, was den Gesamtzustand seines Tieres betrifft. Man erkennt schneller positive wie negative Veränderungen der Muskulatur, Festigkeitsunterschiede der Muskeln, Wärmeunterschiede oder Schwellungen sowie kleine Verletzungen am Körper des Tieres, fehlende oder abgebrochene Haare z.B. in der Sattellage und vieles mehr. Andererseits lernt auch das Pferd, dass der Kontakt mit seinem Menschen nicht immer nur Arbeit und schweißtreibende Anstrengung bedeutet, sondern auch Ruhe, Entspannung und Wohlbefinden. Eine ganz neue Art der Beziehung zwischen Mensch und Tier entsteht. 

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Mit Klopfungen erreicht man auch die Tiefenmuskulatur.  © Sandra Fencl

4. Klopfungen (Tapotements), Schüttelungen und Vibrationen
Mittels Klopfungen, Schüttelungen und Vibrationen kann man auch die Tiefenmuskulatur des Pferdes gut erreichen und dort ebenfalls Verspannungen entgegenwirken. Diese Techniken wirken tonusregulierend und fördern die Durchblutung. Darüber hinaus haben sie auch eine positive Wirkung auf die inneren Organe und wirken ausgleichend auf die Psyche des Pferdes. Mittels dieser Techniken kann man das Pferd gut aufwecken und z. B. vor dem Reiten (re-)aktivieren. 

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Die Reibung wirkt sehr effektiv gegen Verspannungen. © Sandra Fencl

5. Reibung/Friktion/direkter Druck
Die Reibung wird meist quer zur Muskelfaser bzw. in kleinen Kreisen durchgeführt. Mit den Fingerspitzen oder den Handballen werden gerade Linien oder kleine, kreisende Bewegungen auf dem Muskel ausgeführt. Die Reibung muss vorsichtig eingesetzt werden, da sie sehr intensiv wirkt und dem Pferd ggf. auch unangenehm sein kann. Die Friktion ist äußerst effektiv bei Verspannungen und Verhärtungen der Muskulatur und regt den Muskelstoffwechsel lokal sehr gut an. Daher sollte sie immer von einer Streichung oder Schüttelung/Klopfung gefolgt sein, damit die Abfallstoffe der gelockerten Muskulatur abtransportiert werden können. 

Tipps & Sicherheitshinweise
- Sicherheit hat oberste Priorität: Pferde immer mit Sicherheitsknoten und nicht zu langem Strick anbinden oder noch besser von einer anderen Person halten lassen. 
- Pferde niemals so anhängen, dass man z. B. an die Wand gedrückt werden kann (Fluchtweg muss offen bleiben!)
- Auf Kitzligkeiten besonders bei Stuten in der Flankenregion achten!
- Niemals direkt über Knochen/Wirbelsäule/Gelenke massieren.
- Immer konzentriert bei der Sache sein und auf die Reaktionen des Pferdes achten
- Sicherheitsschuhe oder zumindest festes Schuhwerk tragen
- Möglichst keinen Schmuck anlegen und Fingernägel kurz halten
- Auf eine angenehme, ruhige Arbeitsatmosphäre (Massageort) achten
- Genügend Zeit mitbringen, auf die eigene Bauchatmung und innere Ruhe achten

Achtung! Auf keinen Fall dürfen Pferde bei folgenden Kontraindikationen massiert werden:
- Akute Verletzungen/Operationen, offene, blutende Wunden,  Muskel-/Sehnen-/Bänderrisse
- Schwellungen, Hämatome, Abszesse
- Thrombosen
- Innere Blutungen
- Bakterielle, virale oder Pilzinfektionen (Pferdegrippe, Druse, Herpes, Hautpilz ...)
- Fieber (Temperaturen über 38°C)
- Krebs, Tumor, Zysten
- Akutes Rheuma und akute Arthritis
- Entzündliche Bereiche (Venenentzündungen)
- Bandscheibenvorfälle
- Knochenkrankheiten
- Nervenerkrankungen (Tetanus, Neuralgie)
- Myositis ossificans (Verknöcherung des Binde- und Stützgewebes)
- Herzkrankheiten, Herzschwäche, Herzinfarkt
- Kolik oder starker Durchfall
- Medikamentengabe (Entwurmung!), Impfungen
- Trächtigkeit