Forschung

Fröhlich oder traurig? Dein Pferd liest es in deinem Gesicht und hört es in deiner Stimme

Ein Artikel von Pamela Sladky | 18.08.2023 - 10:41
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Pferde erkennen menschliche Emotionen an Gesichtsausdruck und Tonfall © www.Slawik.com

Pferde sind hervorragende Beobachter. Sie nehmen selbst kleinste Veränderungen in Mimik und Körpersprache ihrer Artgenossen wahr. Doch sie wissen auch, wie wir Menschen ticken. Ihr Vermögen, unsere Körpersprache zu deuten, machen sich Pferdetraine:innen und Reiter:innen seit langem in der Kommunikation mit dem Freizeit- und Sportpartner zunutze. Diese Fähigkeit geht jedoch weiter, als vielen bewusst ist.

Schon 2016 fand ein Team britischer Forscher heraus, dass Pferde unsere Gesichtsausdrücke nicht nur unterscheiden, sondern sie auch interpretieren können. Damals konfrontierte man die Versuchspferde mit fröhlichen und wütenden Gesichtern und stellte fest, dass die Tiere eine aggressive Mimik offenkundig als bedrohlich empfanden, während sie bei freundlichen Gesichtern kaum Reaktionen zeigten.

Und wie reagieren Pferde auf traurige Menschen? Dieser Frage ging ein internationales Forschungsteam von Wissenschaftler:innen der Universität Turku in Finnland, dem französischen Nationalen Institut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (INRAE) und der Universität Tours in Frankreich nach. Die Forscher:innen beobachteten und analysierte das Verhalten von Pferden in Reaktion auf menschliche Gesichter und Geräusche, die Glück oder Traurigkeit widerspiegelten. Während des Experiments wurden bei den Pferden Herzfrequenzmessungen vorgenommen und aufgezeichnet.

„Traurigkeit ist eine faszinierende Emotion, da sie nicht nur negativ geladen ist, sondern auch einen Zustand geringer Erregung darstellt. Frühere Studien haben gezeigt, dass Pferde auf Emotionen mit hoher Erregung reagieren, wie Ärger oder Freude. Aber können sie auch Hinweise auf Emotionen mit geringer Erregung wahrnehmen, wie Traurigkeit? Wir wollten untersuchen, ob Pferde menschliche Ausdrücke von Traurigkeit mit den entsprechenden Geräuschen verknüpfen können, so wie sie es mit Freude und Ärger tun“, erklärte Plotine Jardat, Erstautorin der Studie und Doktorandin am französischen Nationalen Institut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt sowie an der Universität Tours in Frankreich.


Missmatches verwirren

In einem Experiment wurden Pferde vor Bildschirme mit fröhlichen oder traurigen Gesichtern gestellt, während Geräusche abgespielt wurden, die Glück oder Traurigkeit zum Ausdruck brachten. Die Forscher:innen beobachteten, dass die meisten Pferde länger brauchten, um ihren Blick vom Bildschirm abzuwenden, wenn Bild und Ton nicht zueinander passten (z. B. trauriges Gesicht und fröhliches Geräusch), als bei stimmigen Kombinationen. Das deutet darauf hin, dass Pferde menschliche Gesichter und Tonlagen verknüpfen können, wenn sie denselben emotionalen Zustand ausdrücken, sei es Traurigkeit oder Freude.

„Das ist faszinierend, weil es bedeuten würde, dass Pferde, wenn sie unsere Gesichter betrachten und unsere Stimmen hören, sie nicht als getrennte Reize wahrnehmen, sondern sie über verschiedene Sinnesmodalitäten hinweg integrieren können. Man könnte sich vorstellen, dass sie eine mentale Schachtel mit der Aufschrift ‚menschliche Traurigkeit‘ haben, die sowohl den traurigen Gesichtsausdruck als auch die traurige Tonlage der Stimme enthält“, so Océane Liehrmann Doktorandin der Universität Turku.
 

Gute Laune ist Trumpf

Was den Forscher:innen bei ihren Beobachtungen außerdem auffiel: Nach dem ersten Blick achteten die Pferde mehr auf den Bildschirm mit dem fröhlichen Ausdruck, sie sahen ihn sowohl länger als auch häufiger an. Darüber hinaus schienen ihre Herzraten stärker auf ein fröhliches Geräusch reagieren als auf ein trauriges.

Dass Pferde eher auf gute Laune reflektieren, kann drei Ursachen haben, wie die Forscher:innen in ihrer Arbeit ausführen. Eine mögliche Erkklärung ist, dass Bilder der Freude mehr Bewegung aufweisen, in selber Weise haben fröhliche Geräusche eine größere tonale Variation. Ein anderer Grund könnte sein, dass Pferde fröhliche Gesichter möglicherweise mit positiven Erfahrungen assoziieren und sie deshalb lieber ansehen, weil sie mit angenehmen Erinnerungen verknüpft sind.

Denkbar ist aber auch, dass sich Pferde besser fühlen, wenn sie fröhliche Gesichter betrachten, und größere Begeisterung zeigen, wenn sie fröhliche Geräusche hören. Dieses Phänomen, man bezeichnet es als „emotionale Ansteckung“, bezieht sich auf die Angleichung des emotionalen Zustands des Beobachters an den wahrgenommenen emotionalen Zustand einer Person. Während dieses Phänomen bei Menschen und Primaten beschrieben wurde, deuten mehrere Studien darauf hin, dass es auch zwischen Menschen und anderen Tieren auftreten könnte, wie zum Beispiel Pferden. Die Fähigkeit zur emotionalen Ansteckung wird oft als Grundlage von Empathie betrachtet.

„Zusammenfassend zeigt unsere Studie, dass Pferde auditive und visuelle Hinweise auf menschliche Freude und Traurigkeit unterscheiden können und passende Klangäußerungen mit Gesichtsausdrücken verknüpfen können. Pferde zeigten ein gesteigertes Interesse und Enthusiasmus für fröhliche Ausdrücke. Diejenigen, die mit Pferden interagieren, könnten davon profitieren, wenn sie dabei Freude vermitteln“, fasst Jardat zusammen.

Künftigen Studien sollen sich detaillierter der Wahrnehmung von menschlicher Traurigkeit widmen. So wollen die Forscher:innen herausfinden, ob Pferde zwischen Traurigkeit und anderen negativen menschlichen Emotionen unterscheiden können, und ob menschliche traurige Ausdrücke das Verhalten von Pferden beeinflussen, insbesondere in Mensch-Pferd-Interaktion.

Die Studie „Horses discriminate between human facial and vocal expressions of sadness and joy“ wurde im Fachmagazin „Animal Cognition“ veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.