Der Distanzreitsport ist in den vergangen Jahren aufgrund gravierender Missstände bei internationalen Veranstaltungen immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die Liste reicht von Doping, Medikamentenmissbrauch und Regelverstößen bis hin zu Bestechung und zahlreichen toten Pferden. © Tomas Holcbecher
Pferderevue: Herr Alleithner, Sie sind seit 2010 Bundesreferent des OEPS für das Distanzreiten und seit beinahe 30 Jahren mit dem Distanzreitsport eng verbunden. Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation des Distanzreitsports?
Peter Alleithner: Man muss unterscheiden zwischen dem nationalen, österreichischen Distanzsport und dem, was sich international, vor allem in den arabischen Ländern abspielt. Momentan wird hier von wenig Informierten kein Unterschied gemacht. Durch Negativschlagzeilen ist der gesamte Distanzreitsport in Kritik geraten. Ich erhalte zahlreiche ungehaltene Mails, werde sogar in der Öffentlichkeit stellvertretend als Pferdeschinder beschimpft. Das tut weh. Man muss wissen: Die österreichischen Reiterinnen und Reiter trainieren äußerst reell, sie lieben ihre Pferde – und ihr vorrangiges Ziel ist die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Pferde. Meist haben sie nur eins oder zwei, schon deshalb achten sie sehr darauf.
Das können wir bestätigen, wir haben zum Beispiel Stephanie Kunz im Training und auch bei den WEG in der Normandie begleitet. Bis vor einigen Jahren hatte das Distanzreiten den Ruf, eine sehr pferdegerechte und faire Disziplin zu sein. Was hat sich hier geändert?
Das hat ungefähr vor zehn Jahren begonnen, als reiche Teilnehmer aus dem Mittleren Osten – aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Qatar und Bahrain – anfingen, in diesem Sport mitzumischen. Am Anfang hat man sich darüber gefreut, man erhoffte sich dadurch erhöhte mediale Aufmerksamkeit, plötzlich gab es Sponsoren und Geld. Man war da tatsächlich etwas blauäugig und naiv.
Warum war gerade dieser Sport für diese Personengruppe interessant?
Weil man hier auch ohne reiterliches Können schnell zu Erfolg kommen kann. Wenn man über schier unbegrenzte Geldmittel verfügt, kann man sich die besten Pferde in großer Zahl kaufen, sie trainieren lassen – und dann muss man nur noch irgendwie oben bleiben. Bei manchen Rennen war ja nicht einmal klar, ob derselbe Reiter, der gestartet war, auch derjenige war, der ins Ziel gelangte. Auch Pferde wurden unterm Rennen getauscht. Das wurde sogar bewiesen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Haltung „wer zahlt, schafft an“ sowie eine völlige Negierung sämtlicher Regeln wie ein Krebsgeschwür ausgebreitet. Wobei ich schon betonen möchte, dass hauptsächlich Rennen davon betroffen sind, die in den genannten Ländern stattfinden, oder wo Teilnehmer aus solchen Ländern an den Start gehen.
Peter Alleithner ist seit 30 Jahren eng mit dem österreichischen Distanzsport verbunden. Seit 2010 bekleidet er das Amt des Bundesreferenten im Österreichischen Pferdesportverband. © Renate Lang
Wieso werden diese Missstände – wir reden hier von wirklich sehr gravierenden Dingen wie Doping, Medikamentenmissbrauch, Ermüdungsbrüchen durch Überforderung wie Anfang Februar in Abu Dhabi und Wettkampfbetrug – nicht geahndet und unterbunden?
Dazu nur ein Beispiel: Bei einem Rennen wurde ein Pferd mit einem Auto die letzten 200 Meter ins Ziel geschoben, da es völlig erschöpft war. Das wurde sogar gefilmt und auf YouTube veröffentlicht. Einer der Grooms ging daraufhin zur Ground Jury und hat gesagt: „Sehen Sie das nicht?“ Und die darauf: „Nein, wir haben nichts gesehen.“ Ich habe Aussagen, die vor Zeugen gemacht wurde, bei welchen Rennen hinter verschlossenen Türen Kuverts an die Offiziellen verteilt wurden. Oft ist gleich das ganze Rennen gekauft. Dann diktiert der Sponsor die Regeln oder setzt die geltenden Regeln für sich außer Kraft. Die Teilnehmer aus den anderen Nationen sind dann nur noch Statisten, ohne jede Chance auf einen Sieg. Hinzu kommt, dass die FEI in den vergangenen Jahren kein großes Interesse gezeigt hat, hier durchzugreifen. Die Belgier haben bereits 2013 Alarm geschlagen und das Ende des Distanzreitens prophezeit, wenn nicht endlich den geltenden Regeln zu ihrem Recht verholfen werde. Damals war Prinzessin Haya, die Frau von Scheich Mohammed Bin Rashid al-Maktoum, einem der Hauptakteure im arabischen Distanzsport, Präsidentin der FEI. Muss ich mehr sagen? Sowohl ihr Ehemann, Scheich Mohammed Bin Rashid al-Maktoum, als auch dessen Sohn Hamdan al Maktoum wurden des Dopings überführt, die Strafen fielen denkbar milde aus (das Pferd Tahhan wurde positiv auf Guanabenz, das die Herzschlagfrequenz senkt, getestet, danach zusätzlich auf das Schmerzmittel Stanozolol, die Strafe für den Scheich betrug 3600 Franken, eine rückwirkende Sperre von sechs Monaten wurde verhängt, der Trainer wurde für ein Jahr gesperrt und nahm alle Schuld auf sich, Anm.).
Damals wurde der belgische Nationaltrainer Pierre Arnould, der offen Kritik an den Zuständen im Distanzsport übte, vom damaligen Generalsekretär Ingmar De Vos scharf kritisiert seine Vorwürfe seien „substanzlos“ meinte De Vos noch 2013. Seit kurzem ist De Vos Präsident der FEI, eine seiner ersten Amtshandlungen war, zwei internationale Rennen in den Vereinigten Arabischen Emiraten aus dem Turnierkalender der FEI zu streichen. Zwar erst auf massiven Druck des Schweizer Verbandes, aber immerhin. Gibt Ihnen das Hoffnung auf eine Wende?
Wir unterstützen diesen Vorstoß der FEI vollinhaltlich und haben auch schon ein diesbezügliches Statement an die FEI geschickt. Als nächster Schritt gilt es, zu klären, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um nachhaltig den Distanzreitsport wieder in geordnete Bahnen zu lenken und Missständen entschieden entgegenzuwirken. Dazu haben wir auch zwei international renommierte Experten, Dr. Dominik Burger, Chef d’Equipe der Schweizer Vielseitigkeitsreiter und der Schweizer Distanzreiter, und Dr. Jean Luis Leclerc, ehemaliger Mannschaftstierarzt der französischen Distanzreiter, Bundestrainer der französischen Distanzreiter und Bundestrainer der deutschen Distanzreiter sowie Mitglied im „Endurance Committee“ der Internationalen Reiterlichen Vereinigung, am 14. und 15. März zu einer Trainingsveranstaltung nach Stadl-Paura eingeladen, um dort mit ihnen zu diskutieren, welche Maßnahmen sinnvoll sind. Ob man wie von den Schweizern angedacht, Rennen in diesen Ländern boykottieren soll, die Weltmeisterschaften nicht beschicken soll. Es wird sicher nicht leicht, das Ruder herumzureißen, es kommt jetzt auf den Zusammenhalt aller Nationen an, die einen fairen und pferdefreundlichen Distanzreitsport wollen. Dafür müssen wir weiter Druck auf die FEI ausüben. Die Schweizer sind hier Vorreiter – obwohl sie viel zu verlieren haben. Wenn man beobachtet, was diese Länder mit ihrem Geld alles bewirken können – Stichwort Fußball-WM in Katar –, dann ahnt man, dass der Kampf nicht leicht wird. Aber wir müssen diese Auswüchse in den Griff bekommen. Prinzipiell ist das Distanzreiten ein pferdefreundlicher Sport, meine Pferde sind alle bei guter Gesundheit uralt geworden. Pferde sind für mich Familienmitglieder, Freunde. Was diese Leute Pferden antun, erschüttert mich. Das muss ein Ende haben.
Herr Alleithner, danke für das Gespräch.
Das Interview führte Eva Morawetz.