EUROPAMEISTERSCHAFTEN DRESSUR 2025

Deutschland ist Team-Europameister, bitteres EM-Aus für Österreich

Ein Artikel von Redaktion | 28.08.2025 - 18:58
WhatsApp Image 2025-08-28 at 11.19.06.jpeg

Stefan Lehfellner und Roberto Carlos MT zeigten im EM-Viereck eine gute Runde.  © LUKASZ KOWALSKI

Zum ersten Mal spannend wurde es für Österreichs Dressurfans kurz nach 11 Uhr: Stefan Lehfellner und Roberto Carlos MT – die Wackelkandidaten nach der letzten Sichtung in Achleiten – machten sich bereit. Kurz vor dem Einreiten prüfte Roberto Carlos noch einmal die Aufmerksamkeit seines Reiters mit einem Sprung zur Seite, doch danach zeigte sich der nicht immer einfache Rosandro-Sohn hochkonzentriert.

Wie gewohnt präsentierte Lehfellner den Wallach in auffallend schönem Rahmen – mit der Nase stets vor der Senkrechten, in feiner Anlehnung und guter Selbsthaltung. Das Seitenbild des Paares gehörte mit zu den schönsten im gesamten Bewerb. Anders als in Achleiten gelang es den beiden diesmal auch wieder, ihre Stärken gekonnt in Szene zu setzen: gute, gesetzte Piaffen, leichtfüßige Passagen mit viel Ausdruck, saubere Wechsel. Besonders die Schlusslinie war wie aus einem Guss und wurde mit Noten bis 8,0 belohnt.

"Ich bin unglaublich happy mit dieser Runde. Roberto war ganz bei mir, hat mir zugehört und seine Stärken gezeigt – vor allem in der Galopptour und den Pirouetten. Gerade weil die Vorbereitung heuer nicht einfach war, hat dieser Ritt für mich einen ganz besonderen Stellenwert. In so kurzer Zeit wieder dieses Vertrauen und das Gefühl zueinander gefunden zu haben, bedeutet mir fast mehr als jeder frühere Erfolg“, bilanzierte Lehfellner.

WhatsApp Image 2025-08-28 at 11.19.12.jpeg

Happy über den schönen Ritt: Stefan Lehfellner © LUKASZ KOWALSKI

Auch Bundesreferentin Dr. Uschi Barth zeigte sich zufrieden: „Ich glaube, es war schon ganz schön viel zu tun für Stefan, damit er Roberto schön bei sich halten konnte. Dieses Viereck ist wirklich nicht einfach. Aber Roberto hat brav zugehört. Die Piaffen waren wirklich gut, auch die Wechsel sind den beiden heute spitze gelungen. Insgesamt eine superschöne Galopptour – es waren keine Schwächen in der Prüfung, es war durchgehend ein schönes Bild.“ Mit Blick auf die Teamwertung meinte sie: „Trotz Vicis Ausfall sind wir gar nicht schlecht unterwegs.“

LKD_3577-(c)LukaszKowalski.jpg

Florian Bacher und Fidertraum OLD bei Chefrichter Hans Christian Matthiesen © LUKASZ KOWALSKI

Schock für Österreich: Ausschluss von Florian Bacher

Doch wenige Stunden später erlebte das rot-weiß-rote Team einen Schock. Beim Ritt von Florian Bacher und Fidertraum OLD ertönte in der zweiten Trabverstärkung die Klingel aus dem Richterhäuschen bei C. Chefrichter Hans Christian Matthiesen bestätigte den Ausschluss. Der Grund: leichte Unregelmäßigkeiten im Trab.

„Florian wollte in der zweiten Trabverstärkung noch etwas mehr zulegen, was dann zu leichten Taktstörungen geführt hat. Das hat er auch selbst gemerkt, aber da wurde bereits abgeklingelt. Das ist alles mehr als unglücklich gelaufen. Die Enttäuschung ist riesengroß“, bedauerte Dr. Barth. Sie betonte: „Wir sind alle beim Abreiten dabei gewesen – von einer Taktunreinheit war nichts zu merken. Mit einem lahmen Pferd wäre Florian nie eingeritten!“

Gleich nach dem Ausschluss wurde Fidertraum mehrmals vorgetrabt – eine Lahmheit zeigte sich nicht. „Fidertraum fehlt nichts, das ist sicherlich die wichtigste Nachricht. Trotzdem ist dieser Verlauf natürlich unheimlich bitter“, so Barth. Bitter auch deshalb, weil Crozet als würdiges Abschieds-Championat für den 16-jährigen Wallach gedacht war, der Österreich bei insgesamt sechs Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen vertreten und für viele Erfolgsmomente gesorgt hat.

Da Österreich nur mit drei Reitern angetreten war, platzte damit die Mannschaftswertung. Den Grand Prix Spécial der Top 30 Paare des Grand Prix haben Bettina Kendlbacher auf Rang 36 und Stefan Lehfellner auf 38 leider um Haaresbreite - genaugenommen einem halben Prozent - verpasst. Schade!

LKD_2965-(c)LukaszKowalski.jpg

Meisterlich geritten: Carl Hester mit Fame © LUKASZ KOWALSKI

Spannung in der Teamentscheidung

Den erhofften Ausgang hatte der Grand Prix für die Equipe aus Deutschland. Vor den Schlussreitern lagen die Titelverteidiger aus Großbritannien noch in Führung – dank Altmeister Carl Hester, der seinen Fame in einem Ritt voller Präzision und Balance zu 76,087 % dirigierte. Der 15-jährige Fame ist sicherlich nicht mit den qualitätsvollsten Bewegungen gesegnet, und auch in Sachen Exterieur ist der niederländische Bordeaux-Sohn kein Modelldressurpferd. Doch sein Reiter versteht es wie kaum ein anderer, die naturgegebenen Möglichkeiten seines Pferdes so zu entwickeln und zu präsentieren, dass am Ende ein Weltklasseergebnis steht.

Deutschlands dritter Teamreiter, Frederic Wandres mit Bluetooth, war heute hingegen nicht mit der allerletzten Losgelassenheit unterwegs, was sich in mehreren Lektionen zeigte. Ein Fehler in den Zweierwechseln kostete zusätzlich Punkte. 74,721 % lautete das Endergebnis für Wandres und seinen 15-jährigen Oldenburger. Ein gutes Resultat, aber auch eines, das den Briten die Tür für ihre Mission Titelverteidigung einen guten Spalt weit öffnete.

LKD_5334-(c)LukaszKowalski.jpg

Die Europameister: Team Deutschland mit Frederic Wandres, Isabell Werth, Ingrid Klimke und Katharina Hemmer (nicht im Bild) © LUKASZ KOWALSKI

Verlass auf Werth und Wendy

Doch Isabell Werth holte als Schlussreiterin der Deutschen wie schon so oft in ihrer Karriere die Kohlen aus dem Feuer. Im Sattel ihrer elfjährigen dänischen Warmblutstute Wendy de Fontaine gelang ihr eine Prüfung ohne Fehler und auf durchwegs hohem Niveau, die die Richter mit 79,224 % belohnten – in der Einzelwertung das zweitbeste Ergebnis und für die Briten eine Vorgabe nach Maß.

Knapp unter 79 % hätte deren Schlussreiterin Charlotte Fry auf Glamourdale benötigt, um ihrem Team nach Riesenbeck 2023 erneut Mannschaftsgold zu sichern. Keine unlösbare Aufgabe – heute jedoch eine, an der Fry scheiterte. Zwar punktete ihr Glamourdale in seinen Paradelektionen (starker Trab, Trabtraversalen, Passagen, Galoppwechsel und starker Galopp) auf gewohnt hohem Niveau. Doch teure Fehler wie ein Umspringen im versammelten Galopp und ein weiteres Mal in der Linkspirouette drückten neben schwache Piaffen das Ergebnis. Mit 75,869 % blieb nur Rang sechs – und für das Team Silber.

LKD_3760-(c)LukaszKowalski.jpg

Bronze hat Cathrine Dufour (DEN) nach dem dritten Platz ihres Team schon in der Tasche - folgt jetzt Gold in den Einzelwertungen? © LUKASZ KOWALSKI

Dufour und Freestyle auf Goldkurs, aber Verboomen und Werth ganz dicht dran

Mannschaftsbronze holte das dänische Team – nicht zuletzt dank einer entfesselt reitenden Cathrine Laudrup-Dufour, die auf ihrer Stute Mount St John Freestyle die beste Prüfung des Bewerbs zeigte. Bei den Olympischen Spielen in Paris hatte sich das Paar im Grand Prix mit 80,792 % noch Jessica von Bredow-Werndl und Dalera beugen müssen, diesmal lieferten sie mit 80,823 % den High Score und sind nun die heißesten Favoriten auf Einzelgold, das morgen im Grand Prix Spécial und sonntags in der Kür vergeben wird.

54750603416_185ac8d64e_k.jpg

Justin Vebroomen und Zonik Plus: heute mit Fehlern und nicht der allerletzten Losgelassenheit im Galopp, ohne Patzer Goldkandidaten © FEI/Leanjo de Koster

Dort zählen neben Werth und Wendy – wie im Vorfeld prognostiziert – auch Justin Verboomen und Zonik Plus zu den härtesten Konkurrenten der Dänin bei ihrer Jagd nach ihrem ersten Einzeltitel. Verboomen und sein erst neunjähriger Hengst lieferten heute den klaren Beweis, dass ihre Erfolge in Aachen alles andere als ein Zufall waren. Vor allem in der Trabtour brillierte das Paar mit unglaublich viel Schmelz, alles locker im Fluss, im Takt – großes Kino. Ein Balanceverlust beim Anreiten nach dem Rückwärts führte allerdings zu einer lautstarken Kollision mit der Bande und deutlichem Punkteabzug. Auch im Galopp hat das Paar noch Luft nach oben; im Dreitakt kam heute etwas Spannung auf, was zu einem kostspieligen Fehler in den Einerwechseln führte. Trotz der Patzer schloss das Paar bei 79,084 %. Heute die drittbeste Wertung – ohne Fehler hat das Duo echte Chancen auf Gold. Selten war ein Dressurchampionat so spannend wie in diesem Jahr!

Alle Ergebnisse im Detail gibt es hier