Verbandsmaterial gehört zu den absoluten Musts einer jeden Stallapotheke - sowohl fürs Pferd, als auch für den Reiter, denn vor Notfällen ist keiner gefeit. © chelle129 - fotolia.com
In jedem Betrieb sind sie vorgeschrieben, und auch in den meisten Haushalten sind sie eine selbstverständliche Einrichtung: die Kästchen mit dem roten Kreuz drauf und allem drinnen, was ein Zweibeiner für seine Gesundheit braucht - vom Pflaster bis zum Kopfwehpulver. In Pferdeställen gehören Apotheken-Schränke leider noch immer nicht zum Standard. Oft verstauben Medikamente für Pferde unbeachtet in Fensternischen, oder - noch schlimmer - gehen im Notfall wertvolle Minuten bei der Suche nach Verbandsmaterial für Pferd und Mensch verloren. Dabei sollte es für jeden verantwortungsvollen Pferdehalter eine Selbstverständlichkeit sein, in seinem Stall eine Apotheke zu installieren. Denn der Preis für einen sauberen und gut ausgestatteten Medikamenten-Wandschrank ist bei weitem geringer als der Schaden, der durch unsachgemäß gelagerte Präparate oder fehlende Erste-Hilfe-Ausrüstung entsteht.
Nützliches für alle Fälle
Einen solchen Wandschrank (oder noch besser einen abnehmbaren Koffer, den man zum Patienten bringen kann) montiert man an einem zentralen Ort der Reitanlage außerhalb der Reichweite von Kindern. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann das in der Sattelkammer, im Stüberl oder Büro, in einem Vorraum oder in sonst einem für jedermann leicht erreichbaren Raum sein. Im Stall selbst sollte man die Apotheke nach Möglichkeit nicht anbringen, da viele Medikamente empfindlich auf Feuchtigkeit oder Ammoniakbelastung reagieren.
Der Inhalt der Stallapotheke wird am besten in einem Verzeichnis festgehalten und kann so regelmäßig kontrolliert und nachbestückt werden. Sinnvoll ist es, einen Verantwortlichen dafür zu bestimmen, der auch eine jährliche Kontrolle des Inhalts auf eventuelle Verfalldaten durchführt. Auch die vom Tierarzt zur weiteren Behandlung eines Pferdes verschriebenen Medikamente finden hier ihren idealen Aufbewahrungsort. Dafür richtet man am besten ein eigenes, eventuell verschließbares Fach ein.
Die Größe der Stallapotheke richtet sich nach dem Pferdebestand. Ihre Einrichtung sollte unbedingt in Zusammenarbeit mit dem Tierarzt erfolgen, denn er weiß am besten, welche Ausrüstung für den jeweiligen Stall und seine Gegebenheiten notwendig ist. Folgende Dinge sollten aber in keiner Stallapotheke fehlen.
Wenn's schnell gehen muss
Auch wenn man noch so vorsichtig ist - vor Verletzungen im Stall, auf der Weide oder beim Ritt ist kein Pferd gefeit. Was dann zählt, ist eine möglichst schnelle und fachgerechte Erstversorgung. Wundauflagen und Verbandmaterialien in verschiedenen Längen und Breiten für größere und kleinere Wunden sollten daher in keiner Apotheke fehlen. Für Druckverbände bei stark blutenden Wunden vor allem an den Extremitäten eignen sich insbesondere sogenannte Momentverbände, bei denen die Wundauflage bereits in eine Mullbinde integriert ist. (Wichtig: Um ein Absterben des Gewebes zu verhindern, müssen Druckverbände immer wieder gelockert werden!) Ebenfalls vorhanden sein sollte eine Heilsalben zur Versorgung kleinerer Verletzungen sowie Desinfektionslösungen (z. B. Sterilium®, Betaisodona®-Lösung) und eine medizinische Seife (z. B. Lifo-Scrub®, Betaisodona®-Seife).
Zur Wundreinigung auf pflanzlicher Basis leistet auch Käsepappeltee gute Dienste. Seine reinigende und entzündungshemmende Wirkung entfaltet er allerdings nur in frischem und heißen (mind. 40 Grad Celsius) Zustand.
Bedenken sollte man auch, dass es im Umgang mit dem Pferd häufig zu „menschlichen" Verletzungen kommt. Die Erste-Hilfe-Ausrüstung sollte demnach auch in Größen, die für den Menschen anwendbar sind, vorhanden sein. Gute Dienste leistet hier der Inhalt einer Auto-Apotheke.
Heiß und kalt
Leider neigen Pferde dazu, auch die kleinste Möglichkeit, sich zu verletzen, geschickt zu nutzen. Da ist es gut, wenn man für kleine und größere Notfälle gut gerüstet ist. © chelle129 - fotolia.com
Kühlende oder wärmende, äußerlich anzuwendende Mittel zur Behandlung von Prellungen, Zerrungen, Druckstellen und anderen Wehwehchen, die sich im Laufe eines Pferdelebens ein- stellen können, sind weitere wichtige Bestandteile der Stallapotheke. Dazu zählen kühlende Angussverbände (z. B. essigsaure Tonerde) und Kühlsalben mit abschwellender Wirkung zur Behandlung von Blutergüssen, Zerrungen und Druckstellen, kühlende Mittel zur Linderung von Insektenstichen und wärmende Salben zur Behandlung von Prellungen. Ihre Verwendung sollte jedoch nach Rücksprache mit dem Tierarzt erfolgen.
Zur Behandlung stumpfer Verletzungen eignen sich auch kühlende bzw. wärmende Auflagen (Hot bzw. Cool Pack, Kühlbandagen). Auch bei akuter Hufrehe leistet effizientes Kühlen einen wichtigen Beitrag bei der Erstversorgung zumal die an der Erkankung beteiligten Enzyme bei tiefen Temperaturen nicht arbeiten können. Hier hat sich die Kühlung mit Eis bewährt. Dazu friert man Wasser in Eisbeutel ein und zerkleinert es danach mit einem Hammer in kleine Stücke. Diese füllt man dann in einen Rektalhandschuh und wickelt diesen fest um die Fesselbeuge. Damit wird das Blut in den Gefäßen, die in den Huf ziehen, nachhaltig gekühlt.
Sparsam mit Innerlichem
Innerlich anzuwendende Mittel darf die Stallapotheke nur in geringem Umfang enthalten, da ihr Einsatz dem Tierarzt vorzubehalten ist. Vorhanden sein sollten kreislaufanregende Mittel, Hustenmittel für den Akutfall und ev. eine Inhalierlösung.
Wichtige Hilfsmittel
Nicht nur medizinische Utensilien sind in einer Stallapotheke nötig, auch etliche andere Hilfsmittel gehören unbedingt dazu. Vielfach müssen kranke Pferde eingedeckt werden und dürfen, z. B. im Fall einer Kolik, nicht fressen. Decke und Maulkorb dürfen daher nicht fehlen. Eine Nasenbremse ist für die Behandlung manchmal unverzichtbar, auch sie sollte vorhanden sein. Ein Fieberthermometer, eine gebogene, stumpfe Schere, eine Pinzette, eine Schermaschine zur Reinigung von Wundrändern – oder alternativ ein Einmalrasierer – und steril verpackte Spritzen zur Wundspülung oder zur oralen Medikamenteneingabe sind weitere wichtige Hilfsmittel. Zur Temperaturmessung verwendet man am besten ein Digital-Thermometer, das in kürzester Zeit eine möglichst präzise Messung garantiert.
In vielen Fällen ist es außerdem nötig, ein Pferd zunächst aus einer misslichen Lage zu befreien, ehe man an eine Versorgung denken kann. Insofern haben Werkzeuge wie Seitenschneider, Zange, Schraubenzieher und Brecheisen – die auf den ersten Blick mit Medizin wenig zu tun haben – genauso ihre Berechtigung in einer Stallapotheke. Zumindest sollten sie im Fall des Falles für jedermann auffindbar und auch in benutzbarem Zustand sein.
Information ist alles
Was nützt die beste Stallapotheke, wenn keiner damit umgehen kann? Wer eine wirklich gute Notfallversorgung seines Vierbeiners garantieren möchte, sollte sich auch darüber informieren, wie diese auszusehen hat – der Tierarzt ist dabei sicher gerne behilflich. Wer's ganz genau wissen will, hat die Möglichkeit der Ausbildung zum Pferdesamariter. Nach positiv absolvierter Prüfung kann man nicht nur eine fachgerechte Erstversorgung vornehmen, sondern ist auch ein kompetenter Helfer für den Veterinär bei der weiteren Behandlung des Pferdes. Informationen dazu gibt es bei den Landesverbänden.
Aber auch ohne spezielle Ausbildung gehören gewisse Grundkenntnisse über Pferdekrankheiten und Erste-Hilfe für jeden Pferdebesitzer dazu – zum Wohl der Pferde.
Musterapotheke
Über den Inhalt einer Stallapotheke lässt sich streiten und es gibt, genauso wie für den privaten Medizinschrank zu Hause, verschiedene Empfehlungen. Wie eine sinnvoll zusammengestellte Stallapotheke aussehen kann, ist hier zusammengefasst:
- Tierärzteliste
- Messer/Drahtschere
- Nasenbremse
- medizinische Seife (z. B. Lifo-Scrub®, Betaisodona®-Seife)
- sauberes Handtuch
- Einweghandschuhe
- Schermaschine
- Desinfektionslösung (z. B. Sterilium®, Betaisodona®-Lösung)
- physiologische Kochsalzlösung (0,9-%ig)
- Pinzette
- 20 ml Einwegspritzen
- Verbandsschere
- Heilsalbe mit und ohne Antibiotikum
- Vaseline
- Hufzange, Nietklinge, Hammer, Hufraspel
- Blauspray
- Tupfer
- 75-%iger Alkohol
- Verbandswatte
- Fixierbinden
- Klebeband (z. B. Textiltesa)
- Bandagenunterlagen
- Bandagen
- Rektalhandschuhe
- Staubinde oder -schlauch
- digitales Fieberthermometer
- Maulkorb
- Cool Pack, Kühlbandage
Der Inhalt einer Stallapotheke sollte regelmäßig auf Vollständigkeit und auf abgelaufene Produkte kontrolliert werden.
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