Die Natur hat es prinzipiell vorgesehen, dass Pferde mit etwas Speck auf den Rippen in die karge Jahreszeit gehen – hierzulande ist das der Winter. Dann können sie bei saisonal nur niedrigkalorischem Nahrungsangebot davon zehren. Nun leben unsere Pferde aber nicht wild, sondern bekommen den Winter über auch reichlich Heu gefüttert – zumeist mit entsprechend hohem Energiegehalt–, sodass sie nicht ab-, sondern im Gegenteil oft noch zunehmen und mit deutlich mehr Gewicht als im Frühjahr zuvor in die nächste Weidesaison gehen und weiter zunehmen. Ein Teufelskreislauf beginnt, mit den bekannten Folgen: Stoffwechselentgleisung, Insulinresistenz, EMS, Hufrehe. Das wissen die meisten grundsätzlich. Weniger bekannt sind die Hintergründe, weitere Begleit- und Folgeerkrankungen des Übergewichts und – das Wichtigste – wie das Pferd gesund wieder auf sein Idealgewicht kommt.
Wann ist das Pferd dick?
Tiermediziner:innen und Fütterungsberater:innen nutzen zur Bestimmung von Übergewicht in der Regel einen Body Condition Score – es gibt sie fünf- oder neunstufig. Gebräuchlich ist letzterer, bei dem Pferde ab dem Wert 6 als mäßig dick bis extrem fett (9) kategorisiert werden. Die Einordnung ist nicht ganz leicht zu erlernen, auch Betriebsblindheit kann sich störend auswirken. Es kann helfen, sich auf das Fett über den Rippen und das Kammfett zu konzentrieren. Eine kostenlose App zur Bestimmung des Ernährungszustandes, bei der Muskeln, Fett- und Lympheinlagerungen einfließen, bietet besipielsweise die Sanoanimal-App (Android | Apple)
Der reichhaltige Sommer
„In diesem Sommer sind die Wiesen aufgrund der Nässe besonders stark gewachsen. Vor allem die energiereichen Untergräser. Das ergibt eine Kombination aus Zucker und Eiweiß, die den Pferden reichlich zur Verfügung stand“, erklärt Pferde-Ernährungsexpertin Dr. Christina Fritz. „Der Hintergrund: Sind die Böden gut durchfeuchtet, geht es auch den Bodenorganismen gut. Diese bereiten die Mineralien auf, stellen sie den Pflanzen zur Verfügung, die daraufhin mehr eiweiß- und zuckerreiche grüne Blattmasse produzieren können. Es kann passieren, dass dann die Zuckergehalte nicht nur im Gras, sondern auch im Heu auf bis zu 20 Prozent hochgehen. „Die Pferde nehmen also dann auch im Winter nicht ab, dafür wären Zuckergehalte im Heu zwischen vier und sieben Prozent empfehlenswert.“ Dann nämlich muss das Heu nicht zwingend mir Stroh gemischt werden, um den Kaloriengehalt für die übergewichtigen Pferde zu senken.
Vielfach hört oder liest man, die Pferde bräuchten im Winter mehr Energie, um sich „aufzuwärmen“ bzw. nicht vom Fleisch zu fallen. Nur den wenigsten ist klar, dass dafür bei gesunden, normalgewichtigen, nicht geschorenen Pferden die Temperaturen stark unter Null sinken müssen. Um diesen Prozess zu fördern nutzt man in Großbritannien eine leichte Schur, um dem Körper zu helfen, den Winter über von dem Zuviel im Sommer zehren zu können.
Reichlich Bewegung ist der wichtigste Baustein auf dem Weg zu einem gesunden Körpergewicht. © Pamela Sladky
Gesund abnehmen
Schon seit etlichen Jahren ist bekannt, dass Abnehmen allein beim Pferd nicht zu den gewünschten Zielen führt – dem Erhalt oder Zugewinn von Muskulatur und der Optimierung des Stoffwechsels: Eine Studie an fettleibigen Pferden zeigte, dass nur das Abspecken mithilfe von Training zu Verbesserungen im Insulin- und Glukosestoffwechsel führt. Zwar nahmen auch die Pferde, die nicht bewegt, sondern nur reduziert gefüttert wurden in vergleichbarer Weise ab, aber nur bei den Pferden die auch trainiert wurden, entwickelte sich der Stoffwechsel positiv.
Auch für Dr. Fritz ist das Wichtigste beim Abnehmen die Bewegung: „Ich empfehle dafür Intervalltraining dreimal pro Woche und dazwischen gerne auch Bewegung.“ Intervalltraining kennzeichnet sich durch kurze intensive Arbeits- und längere Erholungsphasen. Der Vorteil für den Organismus, so Dr. Fritz: „Im Arbeitsintervall leeren sich die Energiespeicher der Zellen, im Pausenintervall können sie sich wieder füllen, sodass der Körper des Pferdes tatsächlich das Fett mobilisieren und so abbauen kann. Dies ist bei Ausdauertraining nicht in dem Maß der Fall.“ Für das Intervalltraining rät sie, ein „Gefühl dafür zu entwickeln, wann das Pferd in punkto Atmung eine Pause braucht und so lange Schritt zu gehen, bis sich die Atmung normalisiert hat.
Fett-weg-Schur
Der Tipp einer Teilschur zur Unterstützung des Abnehmens, hat auch bei uns schon Follower gefunden. Beschrieben werden dafür zumeist der so genannte Bib-Clip sowie ein nicht zu starker Irish-Clip (mehr über die verschiedenen Schuren lesen Sie hier). Geschoren sind jeweils Bereiche, die auch dann nicht nass werden, wenn die Pferde im Regen draußen stehen. Ob und was für das eigene Pferd Sinn macht, muss man überdenken und sinnvollerweise nicht sofort mit der größtmöglichen geschorenen Fläche ausprobieren.
Futter fürs Abnehmen
Eigentlich ist Abnehmen ganz leicht – sowohl bei uns, als auch beim Pferd. Weniger Kalorien zuführen als verbraucht werden, ist das ganze Geheimnis. Leider gibt es auch beim Pferd „Gelüste“ in Form von Zuckersucht: „Wie Menschen, Hunde oder Ratten, an denen die Sucht-Effekte von zu viel Zucker inzwischen gut erforscht sind, zeigen auch Pferde eine Art Entzugserscheinung. Ersetzt man ihr Müsli und das stark zuckerhaltige Heu durch Heu mit geringem Zuckergehalt, werden sie häufig erst einmal übellaunig oder fressen mäkelig“, erklärt Dr. Fritz. Das gibt sich in der Regel nach kurzer Zeit wieder.
Schwieriger wird es, wenn Pferde abspecken müssen, die bereits in eine Insulinresistenz hineingefüttert wurden. Bei ihnen ist es besonders wichtig, erzwungene Futterkarenzen zu vermeiden. „Denn für diese Pferde ist ein Heißhunger, der sie schlingen lässt, und somit den Blutzucker extrem in die Höhe schießt, besonders gefährlich.“ Noch mehr Angst macht vielen die so genannte Hyperlipidädmie, die droht, wenn adipöse Pferde oder Ponys tagelang sehr wenig oder nichts fressen. Solch extreme Futterkarenzen mobilisieren extrem schnell Fettreserven, die zu einer Überlastung der Leber und im schlimmsten Fall zum Tod führen können. Bevor man ein Pferd auf Diät setzt, rät Dr. Fritz zuerst einmal zu unterscheiden, ob das Pferd fett oder eher aufgeschwemmt ist. Letzteres wird auch „lymphatisch“ genannt. „Dabei wird durch unsauber abgebauten Zucker vermehrt Flüssigkeit ins Bindegewebe einlagert. Diese Pferde können problemlos schnell abnehmen, denn sie verlieren vor allem Wasser. Fette nehmen hingegen bei vernünftigem Vorgehen nicht schnell ab, denn schnelle Fettverbrennung ist in ihrem Stoffwechsel nicht vorgesehen“, erklärt Dr. Fritz.
Eine Beimischung von Stroh zu Heu im Verhältnis 1:3 sorgt dafür, dass Pferde langsamer fressen und senkt den Energiegehalt der Ration. © vprotastchik | stock.adobe.com
Begleitende Maßnahmen
Die bereits erwähnte Beimischung von Stroh zu Heu (im Verhältnis 1:3) sorgt dafür, dass die Pferde langsamer fressen. Viele bieten Futterstroh auch extra an, um zu große Futterkarenzen zu vermeiden. Wenn man die Pferde nicht individuell füttern kann, ist der Einsatz vor Heusparnetzen und anderen Slowfeeder-Systemen notwendig. Einer Umfrage zufolge wird der Einsatz von Portionsweide – noch vor dem Weidemaulkorb – als am effektivsten betrachtet, um die Aufnahme von Gras zu begrenzen. Auch eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass Portionsweide geeignet ist, die Nährstoffzufuhr möglichst wenig schwanken zu lassen, was für Pferde generell, erst recht aber für solche mit Stoffwechselproblemen ein Vorteil ist.
Wer sich nicht sicher ist, ob das Pferd während des Abspeckens und danach mit ausreichend Nährstoffen, vor allem Eiweiß und Mineralstoffen versorgt ist, sollte sich durch eine Rationsanalyse und/oder entsprechende Laborwerte absichern. Denn hat das Pferd erfolgreich abgespeckt, sollte man aufpassen, dass im nächsten Frühjahr das ganze Spiel nicht von vorne losgeht. In der Weidesaison wird in vielen Ställen dieselbe Menge Heu wie im Winter gefüttert, was die Pferde – auch oft aus dem Impuls nach mehr Zellulose als die fette Wiese bietet – zu übermäßiger Aufnahme von Kalorien führt. Auch hier hilft der teilweise Ersatz von Heu durch Stroh. Auch das Nachlassen beim eingeführten Trainingsprogramm – wie es typischerweise in heißen Sommern und im Winter stattfindet – kann zu erneuter Gewichtszunahme beitragen.
Natürlich ist es am sinnvollsten, sein Pferd erst gar nicht übergewichtig werden zu lassen. Das gilt vor allem in Zeiten, in denen das Pferd ohnehin nicht so bewegt werden kann – etwa während einer längeren Auszeit von Pferd oder Reiter:in. Wenn es doch einmal passiert ist, ist es unsere Verantwortung als Pferdebesitzer:innen, rechtzeitig einzugreifen und Änderungen aktiv anzugehen.