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Weiden mit Ahornbeständen - allen voran dem heimischen Bergahorn - stellen im Herbst ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Pferde dar. © Jessmine - fotolia.com

Dem Täter auf der Spur: Ahornsamen als Auslöser für atypische Weidemyopathie bestätigt

Ein Artikel von Pamela Sladky | 18.09.2015 - 11:48
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Weiden mit Ahornbeständen - allen voran dem heimischen Bergahorn - stellen im Herbst ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Pferde dar. © Jessmine - fotolia.com

Im Herbst 2011 starben in Kärnten innerhalb kürzester Zeit über zehn Pferde und Ponys in Weidehaltung an atypischer Weidemyopathie (AM). Zwei Jahre später meldete das Kärntner Agrarreferat erneut zahlreiche Todesfälle unter Pferden, die auf die meist tödlich endende Muskelkrankheit zurückgeführt werden konnten.

Seit ihrem Bekanntwerden Anfang des vergangenen Jahrhunderts ist die AM stetig im Steigen begriffen. Allein im vergangenen Jahr registrierte die international tätige Forschungsgruppe AMAG (atypical mypathy alert group) unter der Leitung von Dominique Votion von der Universität Lüttich in Belgien weltweit 413 Fälle atypischer Weidemyopathie. Die Forscher schätzen, dass die Dunkelziffer sogar noch weitaus höher liegen könnte. Gleichzeitig räumt das Team um Votion allerdings ein, dass der kontinuierliche Anstieg registrierter Fälle auch der erhöhten Sensibilität von Pferdehaltern und Tierärzten gegenüber dem Thema geschuldet sein könnte.

Giftige Ahornsamen

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Hypoglycin A, das Toxin, das die atypische Myopathie verursacht, ist in den Samen des hierzulande sehr häufig vorkommenden Bergahrons enthalten. © pitsch22 - fotolia.com

Dabei stehen die Voraussetzungen günstig, dass die Zahl der Erkrankungen wieder den Sinkflug antreten könnte. Denn der Auslöser für AM ist bereits seit einigen Jahren bekannt. 2012 entlarvten US-Amerikanische Wissenschaftler Hypoglycin A als Übeltäter, eine toxische Aminosäure, die in den Samen einiger Ahornarten, darunter auch der heimischen Bergahorn (Acer pseudoplatanus), enthalten ist.

Der sommergrüne Laubbaum ist die in Mitteleuropa am häufigsten vorkommende Ahornart, er wächst auf Almen aber auch im Flachland. Seine Früchte reifen im September und Oktober, die problematischen Samen fallen von Oktober bis November – manchmal aber auch erst im Frühjahr – ab, und landen dann auf dem Boden, wo die kleinen Giftpillen beim Grasen von Pferden aufgenommen werden können. Neben dem Bergahorn stehen auch die Samen des in Österreich häufig vorkommenden Feldahorns sowie des Spitzahorns als AM-Auslöser in Verdacht, bislang ist aber noch nicht eindeutig bewiesen, dass auch sie Hypoglycin A enthalten. Diesbezügliche Untersuchungen stehen noch an.

Die Dosis macht’s

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Die Blätter des Bergahorns © Christian Pedant - fotolia.com

Dass nicht immer alle Pferde einer Herde im Umfeld giftiger Ahornsamen an AM erkranken, liegt an der aufgenommenen Menge. Das zeigten die Ergebnisse einer jüngst im Wissenschaftsmagazin PLOS One veröffentlichten Studie deutscher und US-amerikanischer Forscher. Sie konnten nicht nur ganz klar Hypoglycin A (HGA) als Auslöser der Krankheit bestätigen, sondern identifizierten auch die kritische Menge der Aminosäure, die über den Ausbruch von AM entscheidet.

Spitzenwerte von bis zu 128,68 mg des Toxins fanden die Forscher in den Körperflüssigkeiten von 16 erkrankten Pferden, 15 von ihnen überlebten die Krankheit nicht. Doch es reichten schon weit geringere Konzentrationen des Eiweißstoffes aus, um AM auszulösen. Auch Tiere mit 17,47 mg HGA im Körper zeigten Symptome. Bei Untersuchungen nicht erkrankter Weidekollegen konnte die Aminosäure ebenfalls nachgewiesen werden, allerdings lagen die Werte hier nur noch bei durchschnittlich 5,99 mg pro Pferd.

Ahorn-Weiden im Herbst potentiell lebensgefährlich

Im Rahmen ihrer Forschungen besuchten die Wissenschaftler elf Weiden in Deutschland, auf denen  atypische Weidemyopathie aufgetreten war. Bergahorn-Bäume waren auf allen präsent. Entweder standen sie direkt auf dem Gelände oder säumten die Weideflächen, sodass die dort grasenden Pferde Zugang zum Laub und tlw. auch zu Totholz der Bäume hatten. Und noch eines hatten die Weiden gemeinsam: Sie alle präsentierten sich in einem wenig gepflegten Zustand mit spärlichem Grasbewuchs.

Ein mangelhaftes Futterangebot ist möglicherweise auch mitverantwortlich, dass Pferde vermehrt giftige Ahornsamen fressen. Zusätzlich Futter anzubieten reicht als alleinige Vorbeugemaßnahme gegen die Weidemyopathie allerdings nicht. Das zeigten die Forschungsergebnisse ganz klar, denn sämtliche erkrankten Pferde erhielten - abgesehen zum stundenweisen Weidegang – auch ausreichend Kraftfutterund Heu, Letzteres mitunter sogar ad libitum. Ein gut gefüllter Bauch schützt also nicht vor AM, dennoch scheint das Erkrankungsrisiko ohne Zufütterung noch höher zu sein.

Als sicherste Form der Prävention gilt es, Weiden mit Bergahorn-Beständen zur Zeit der Samenreife gänzlich zu meiden. Werden erste Symptome der Krankheit sichtbar (steifer, verkürzter Gang, dunkelroter bis brauner Harn), ist es meist schon zu spät für das betroffene Tier. Eine Therapie ist in den meisten Fällen aussichtslos, da die Krankheit extrem rasch voranschreitet.