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Hat das Pferd gelernt, sich in Gegenwart von Menschen gut zu benehmen, erleichtert das das tägliche Miteinander ungemein. © www.slawik.com

Ausbildung

Pferde-Knigge: Diese Anstandsregeln sollte jedes Pferd beherrschen

Ein Artikel von Tamara Ebert | PS | 12.07.2016 - 11:07

Lass dich fangen

Nicht jedes Pferd kommt freudig zu seinem Besitzer gelaufen, wenn dieser ruft. Die Gründe dafür mannigfaltig sein und wenn ein Pferd regelmäßig deutlich zum Ausdruck bringt, dass es lieber nicht mit seinem Besitzer mitgehen möchte, ist Ursachenforschung angebracht. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass ein Pferd zumindest stehen bleibt, wenn sich sein Mensch nähert, denn nicht immer kann man Rücksicht auf die aktuelle Gemütslage des Pferdes und dessen persönliche Vorstellungen zur Tagesgestaltung Rücksicht nehmen. Zum Beispiel, wenn der Tierarzt kommt oder ein Besuch des Hufschmieds ansteht. Wer dann lange hinter seinem Pferd herjagen muss, um es von der Koppel holen, strapaziert nicht nur das eigene Nervenkostüm sondern unter umständen auch das Dritter. Ein Pferd, das sich sicher einfangen lässt – oder, noch besser, auf Zuruf sogar herkommt – ist außerdem ein großer Vorteil, wenn sich Pferd und Reiter einmal ungeplant getrennt werden, etwa bei einem Sturz im Gelände.

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Haben Pferde nicht gelernt stehenzubleiben, wenn ihr Mensch kommt, kann aus einem einfachen "von der Koppel holen" ein stundenlanges Geduldsspiel werden. © www.slawik.com

Steh still

Ein Pferd das nicht stillstehen kann ist nicht nur lästig, es kann auch zur Gefahr für sich und seine Umgebung werden. Egal ob auf dem Putzplatz, beim Waschen, Aufsatteln, Reiten oder im Gelände gilt deshalb: Kommt das Kommando „Steh“ (oder ein vergleichbares) soll sich das Pferd zuverlässig parken lassen und sich dabei im Idealfall auch entspannen. Wie aus einem Zappelphilipp ein gelassener Gernsteher wird, lesen Sie hier.

Lass dich anbinden

In unserer Menschenwelt sollte sich jedes Pferd anbinden lassen. Das erleichtert den täglichen Umgang mit dem Pferd ungemein. Es gehört zum 1x1 des guten Benehmens und sollte bereits im Fohlenalter erarbeitet werden. Unglücklicherweise widerspricht das Ausschalten der Fluchtmöglichkeit der Überlebensstrategie eines Fluchttieres. Ein Grund, warum viele Pferde mit Gegenwehr reagieren, wenn’s ans Anbinden geht – ganz besonders dann, wenn sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben. Umso wichtiger ist es, diese Lektion mit besonderer Sorgfalt einzuüben.

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Angebunden ruhig stehen zu bleiben gehört zum 1x1 der Pferdeausbildung und sollte schon im Fohlenalter gelernt werden. © www.slawik.com

Gib den Huf

Warum es sinnvoll ist, dass ein Pferd seinen Huf bereitwillig auf Kommando gibt, liegt auf der Hand. Niemand will bei der täglichen Hufpflege lange herumkämpfen, damit das Pferd seinen Huf anhebt (und auch oben behält!). Das ist nicht nur mühsam sondern birgt auch Risikopotential, insbesondere, wenn das Pferd zu kicken beginnt oder sich mit dem ganzen Gewicht auf das erhobene Bein wirft. Und auch der Hufschmied ist dankbar, wenn er gefahrlos am Pferd arbeiten kann. Deshalb gehört das Geben der Hufe eigentlich bereits im Fohlenalter zur Grunderziehung. Auch freistehend, oder auf der Koppel, sollte es selbstverständlich sein.

Geh vorwärts, geh rückwärts, tritt zur Seite

Bereits wenn man mit dem Pferd die Box oder die Weide verlassen möchte, ist es wichtig, dass es auf treibende und bremsende Impulse reagiert. Schließlich sollte der Mensch derjenige sein, der das Pferd führt – und nicht umgekehrt. Auch die Hinter- oder Vorhandhand des Pferdes sollte sich jederzeit auf leichte Hilfen verschieben lassen und nicht erst den vollen Körpereinsatz seines Menschen erfordern.

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Sämtliche Führpositionen und deren flüssige Wechsel müssen geschult werden, damit man insbesondere im Gelände für alle Eventualitäten gerüstet ist. © www.slawik.com

Lass dich führen – egal wohin

Das höfliche Pferd geht mit seinem Menschen in jeder Position, ob rechts, links, hinter, neben oder davor, dicht oder auf Abstand überallhin. Es geht an allem Alltäglichen, wie Futtereimern oder Pferdekameraden, ohne großes Aufheben vorbei. Es bleibt auf Anweisung stehen und geht wieder los. Es rempelt seinen Menschen nicht an oder reißt sich los, auch dann nicht, wenn es sich gruselt. Es wahrt und wechselt die Führposition, so wie es sein Mensch von ihm fordert. Auf diese Weise wird Führtraining zur wertvollen Beziehungsarbeit, denn ein Pferd, das sich leicht und sicher führen lässt, ist in der Regel auch in anderen Bereichen ein höfliches Pferd. Wie Sie Ihr Pferd auch über saftiges Grün ohne schimpfen udn zerren führen, lesen Sie hier.

Lass mich aufsitzen

Sei es einfach nur der Bequemlichkeit halber oder weil man auf einem Ausritt einfach mal außerhalb der gewohnten Umgebung aufsteigen muss: Ein Pferd, das beim Aufsitzen still steht, erleichtert die Zusammenarbeit erheblich. Gründe, warum ein Pferd im Moment des Aufsitzens losgeht oder gar nach vorne stürmt, gibt es viele. Einer davon ist, dass Pferde Angst haben ihr Gleichgewicht zu verlieren, wenn der Reiter einseitig am Sattel hängt. Schon allein aus diesem Grund ist das Nutzen einer Aufstiegshilfe wärmstens zu empfehlen. Obendrein schont sie auch den Pferderücken, der beim Aufsteigen vom Boden aus stark belastet wird.

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Besonders bei großen Pferden ein Muss: Kopf senken auf Kommando. © www.slawik.com

Nimm den Kopf tief

Spätestens wer versucht hat ein Pferd, das plötzlich zur Giraffe mutiert und seinen Kopf so weit wie nur irgend möglich in die Luft reckt ein Halfter aufzustreifen oder es Aufzutrensen weiß um den Wert der Lektion „Kopf senken“. Sie erleichtert nicht nur den täglichen Umgang entschieden, sie kann besonders bei nervösen Pferden zur Schlüssellektion werden. Das Absenken des Kopfes beeinflusst direkt seinen seelischen Zustand, ähnlich wie es bei uns Menschen die Atemtechniken bei der Angstbewältigung tun. Die hohe Kopf- beziehungsweise Halshaltung drückt geistige und körperliche Alarm- und Fluchtbereitschaft aus. Eine tiefe Kopfhaltung bedeutet seit Jahrmillionen Futteraufnahme in Momenten der Sicherheit. Daher hilft das Absenken des Kopfes, den Puls zu senken und den Geist wieder aufnahmefähig zu machen. Eine tiefe Kopfhaltung bedeutet seit Jahrmillionen Futteraufnahme in Momenten der Sicherheit. Daher hilft das Absenken des Kopfes, den Puls zu senken und den Geist wieder aufnahmefähig zu machen.

Steig ein

Auch wenn man nicht regelmäßig plant auf Turniere, Kurse oder Wanderritte zu fahren: jedes Pferd sollte sich anstandslos verladen lassen. Sollte es einmal wegen einer Kolik oder Verletzung in eine Klinik gefahren werden müssen, gibt es nichts, was mehr an den Nerven zerrt als ein Patient, der nicht in den Anhänger will. Wer sich dieses Horroszenario ersparen will, übt gelegentlich das Verladen ohne zeitlichen Druck. So ist man für den Ernstfall gerüstet. Mehr über die wichtigsten Regeln für erfolgreiches Verladetraining lesen Sie hier.

Buchtipp: Der Pferde-Knigge

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Der Pferde Knigge © Cadmos

Kann ein Pferd vom Rüpel zum Gentleman oder vom Angsthasen zur coolen Socke werden? Es kann. Und der Weg dorthin ist gar nicht so beschwerlich: In "Der Pferde-Knigge" zeigt Reken-Reitlehrerin Tamara Ebert, wie Reiter mit wenig Zeit, Material und Stress viel erreichen können. Ihre alltagstauglichen Tipps helfen, typische Probleme zu bewältigen. Das Buch erfindet keine neuen Methoden, sondern kombiniert Erkenntnisse aus Horsemanship, Tellington-Methode und modernen Lernpsychologie.

Aus dem Inhalt:
- Was ist ein Gentleman-Pferd?
- Voraussetzungen für den Trainingserfolg
- Stressfreies Training
- Übungen und Alltagsprobleme
- Verladen
- u. v. m.

Der Pferde-Knigge
Vom Rüpel zum Gentleman

Tamara Ebert, Cadmos Verlag
UVP 12,95 Euro
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