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Wenn ein Pferd durchwegs wie mit angezogener Handbremse läuft, kann das viele Ursachen haben. © www.slawik.com

So kommen triebige Pferde auf Touren

Ein Artikel von Pamela Sladky | 18.10.2016 - 11:02
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Wenn ein Pferd durchwegs wie mit angezogener Handbremse läuft, kann das viele Ursachen haben. © www.slawik.com

Jeder Reiter, der schon einmal versucht hat, ein extrem triebiges Pferd in Gang zu bringen, weiß, wie schwierig das sein kann: So sehr man sich auch bemüht, treibt, lockt oder schimpft - das Pferd will einfach nicht in die Gänge kommen. Das Problem scheint unüberwindbar und es entwickelt sich ein Teufelskreis: Der Reiter hat immer weniger Lust sein Pferd zu bewegen und sucht nach Ausreden, das Training ausfallen zu lassen. Durch diese Passivität wird das Pferd allerdings zunehmend unbeweglicher – und noch behäbiger.

Ursachenforschung

In Fällen wie diesen hilft es nichts, sich zu ärgern oder gar zu resignieren. Denn in der Regel gibt es gute Gründe, warum ein Pferd wie mit angezogener Handbremse läuft. Und die können sehr vielfältig sein.

Gibt es körperliche Probleme?
Alle ernsthaften Erkrankungen ziehen beim Pferd eingeschränkte Lauffreude oder Leistungsverweigerung nach sich. Es gibt aber auch eine Reihe von körperlichen Problemen, die nicht oder nicht gleich von Beginn an als Krankheiten erkennbar sind, sondern sich unmerklich einschleichen oder nur mit einer generellen Konditionsschwäche einhergehen, etwa Fesselträgerschäden, Arthrosen, Rückenschmerzen, Probleme im Bereich der Hufe, der Zähne, dem Herzen und Vieles mehr.

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Rückenprobleme sind oft schuld, wenn ein Pferd die Freude an der Bewegung verliert. © www.slawik.com

Passt die Haltung?
Wer lange faulenzt, wird mit der Zeit immer ungelenkiger, hat zunehmend weniger Lust sich zu bewegen, und verfällt schließlich in eine regelrechte Schlafsucht mit wachsendem Desinteresse, was vor allem in einer mangelnden Durchblutung und Sauerstoffversorgung begründet liegt. Um physisch gesund und fit sowie mental rege zu bleiben, benötigt das Pferd in erster Linie eine Haltungsform, die ich eine möglichst kontinuierliche Bewegung erlaubt und die Psyche durch diverse Sinnesreize wach hält.

Stimmt die Fütterung?
Fehl – oder Mangelernährung kann einen deutlichen Konditionsnachlass bewirken, weil das Pferd entweder zu dick oder zu dünn ist, Defizite im Mineral-Vitamin-Haushalt bestehen oder die über das Futter zugeführten Energiespender nicht ausreichen.

Passt das Training?
Überbeanspruchung oder Unterbeschäftigung könne Pferde auf Dauer ebenso träge machen wie falscher Einsatz oder eintöniges Training.

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Apathie kann ein erstes Zeichen für eine ernsthafte Krankheit sein. © www.slawik.com

Rassebedingte Behäbigkeit
Bei einigen Rassen ist die gebremste Fortbewegung physiologisch begründet und hat nichts mit Faulheit zu tun. Rassen, die ursprünglich aus Kaltklimazonen stammen, bewegen sich instinktiv weniger und langsamer um Energie zu sparen und sich gegen ein lebensbedrohliches Auskühle zu schützen. Manche Pferde sind einfach von Natur aus eher ruhigere und gemächlichere Charaktere. Von diesen Pferden darf man nicht erwarten, dass sie sich bei der Arbeit besonders engagieren, sondern muss ihre schwerfälligere Art akzeptieren und sie ihren Neigungen entsprechend einsetzen. Unabhängig von der Rasse gibt es aber auch individuelle Unterschiede, die man als Reiter und Besitzer akzeptieren muss.

Verhält sich ein Pferd ungewöhnlich träge, muss immer zuallererst Ursachenforschung betrieben werden. Wer versucht, ein krankes Pferd zu motivieren, riskiert möglicherweise folgenschwere gesundheitliche Schäden. Aber auch andere Ursachen müssen erkannt und möglichst verhindert oder behoben werden, weil sonst alle Anstrengung zur Aktivierung von vornherein zum Scheitern verurteilt wären.

Sechs Prinzipien zur Aktivierung

Ist das Pferd kerngesund, passt die Ausrüstung und sind Haltung und Fütterung art- und leistungsgerecht, kann man dazu übergehen, durch gezielte Mobilisierung Schwung in den lethargischen Vierbeiner zu bringen. Dabei gilt es ein paar wichtige Grundregeln zu beachten:

1. Positive Einstellung und entschlossenes Auftreten
Wer bereits mit einer negativen inneren Haltung in den Stall kommt und nicht daran glaub, Erfolg zu haben, hat schon verloren! Wittern Pferde miese Laune, reagieren sie mit Misstrauen und Abweisung. Alle Aktivierungsversuche sind dann sinnlos, weil das Pferd verspannt und dadurch noch mehr erstarrt. Nur wer an sein Pferd glaubt und Zuversicht ausstrahlt, kann Erfolg haben. Gleichzeitig braucht es aber auch die nötige Entschlossenheit. Zeigen Sie Ihrem Pferd durch souveränes, bestimmtes Auftreten, dass Sie genau wissen, was Sie wollen. Einschüchterungsversuche und Gewaltandrohung sind hier fehl am Platz. Sie haben lediglich Vertrauens- und Respektsverlust zur Folge und hemmen nur noch mehr.

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Nur wer an sein Pferd glaubt und selbst mit Motivation an die Sache herangeht, kann es aus seiner Lethargie reißen. © www.slawik.com

2. Wirkungsvoll kommunizieren
Damit eine produktive Zusammenarbeit möglich ist, muss die Verständigung zwischen Mensch und Pferd stimmen. Ist die Kommunikation gestört oder für das Pferd unverständlich, ist es nicht in der Lage zu kooperieren. Kommandos sollten stets dieselben sein um das Pferd nicht zu verwirren, reiterliche Hilfen dürfen weder zu lasch noch zu heftig noch permanent durchgeführt werden, sondern müssen richtig dosiert und gezielt eingesetzt werden. Und, ganz wichtig, das Pferd muss sie auch verstehen.

3. Richtig aufwärmen und lösen
Nicht wenigen vermeintlich faulen Pferden wird einfach nicht genügend Zeit zum Aufwärmen zugebilligt. Dabei ist das richtige Warm-up ein wichtiger Bestandteil, ja sogar Voraussetzung für ein gelungenes Training. Wie sich Pferde am besten lösen und wie lange sie dazu brauchen, ist individuell verschieden. Erlaubt ist, was locker und wach macht, aber nicht vorzeitig ermüdet. Anregungen für ein gelungenes Warm-up finden Sie hier.

4. Schritt für Schritt konditionieren
In der Arbeitsphase dürfen die Anforderungen nur allmählich gesteigert werden. Um das individuell absolute Leistungsvermögen zu erzielen, braucht es Zeit und konsequentes Training. Wer zu schnell zu viel verlangt und dabei immer wieder die Grenzen der Belastbarkeit überschreitet, erreicht keinerlei Leistungssteigerung, weil das Pferd physisch und psychisch überfordert ist. Arbeitswille entsteht zuerst im Gehirn, von wo aus die für Bewegung notwendigen Impulse an den Körper weitergeleitet werden. Gerade das triebige Pferd schaltet geistig schnell ab, wenn es mental nicht genügend angeregt wird. Abwechslungsreiche Trainingsinhalte und gezielte Konzentrationsaufgaben bewirken vermehrte Aufmerksamkeit und geistige Anstrengung, die das Pferd munter machen. Damit es auch körperlich mehr Leistung zeigen kann, müssen mittels entsprechender Übungen Muskeln kontinuierlich gestärkt und gekräftigt, die Rückentätigkeit verbessert und die Hinterhandaktion forciert werden. Nur auf dieser Basis sind Schwung und Tempoverstärkungen überhaupt möglich.

5. Wechselspiel von Spannung und Entspannung
Das Training selbst soll im dynamischen Wechsel von Spannung und Entspannung erfolgen. Hat das Pferd eine Übung zufriedenstellend absolviert, wird es belohnt, indem man es kurz aus der Anstrengung entlässt und ihm so Gelegenheit gibt, seinen Körper zu entspannen und die gewonnen Eindrücke zu verarbeiten.  Vermeiden Sie körperliche und geistige Erschöpfung. Zwecks weiterer Motivation sollte jede Trainingseinheit mit einer gelungenen Lektion und entsprechendem Lob abgeschlossen werden.

6. Mit Spaß und Fantasie gegen Langeweile
Damit aus einem passiven Pferd ein aktives werden kann, muss man herausfinden, welche Bewegungsformen ihm besondere Freude machen. Hierzu ist es bisweilen notwendig, festgefahrene Bewegungsmöglichkeiten zu entdecken oder gewohnte kreativ aufzupeppen, zu erweitern oder sinnvoll zu ergänzen.

Ein träges Pferd ist ein in seinem Leistungsvermögen und Arbeitwillen wie auch immer blockiertes Pferd. Nach eingehender Ursachenforschung und Behebung möglicher Auslöser sind vor allem Optimismus, entsprechendes Know-how, Kreativität und Geduld gefragt, um ein passives Pferd erfolgreich zu aktivieren. Ein guter Fitnesscoach ist jeden Tag aufs Neue präsent und bereit, sein Pferd aufs Neue für die gemeinsame Arbeit zu gewinnen: mit List und Lob, Überlegung und Überlegenheit, Fairness und Mut zum Ausprobieren noch unbekannter Motivationsmethoden. Dabei berücksichtigt er stets die speziellen Veranlagungen und Talente seines Pferdes. Wer derart arbeitet, wird früher oder später belohnt: mit einem motiviert mitarbeitenden Pferd, das sich gerne begeistern lässt. Sei es für einen spritzigen Galopp über ein Stoppelfeld, eine schwungvolle Trabverstärkung oder eine rasante Schlittenfahrt.

Birgit van Damsen/ps

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