Training

Mach dich locker: Praktische Tipps für die Lösungsphase

Ein Artikel von Katharina Möller | PS | 22.11.2016 - 00:18
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Die innere und äußere Losgelassenheit ist die Basis jedes pferdegerechten Trainings. © www.slawik.com

Ohne Losgelassenheit geht nichts in der Pferdeausbildung. Oder zumindest nicht gut. Denn nur, wenn sich das Pferd körperlich wie geistig entspannt, „sich los lässt“, kann es seine Muskulatur gut und sinnvoll einsetzen. Und das ist Grundvoraussetzung, damit es trotz der unnatürlichen Nutzung als Reittier langfristig gesund bleibt. Der Reiter selbst fühlt sich ebenso nur auf einem losgelassenen Pferd wohl, denn es lässt gut sitzen, sich sicher lenken und wenden, ist trittsicher und insgesamt angenehm zu handhaben. Die Losgelassenheit ist also schon rein für den „Hausgebrauch“ eines Reitpferdes von großer Bedeutung und außerdem die Basis für jegliche weiterführende Ausbildung.

So wichtig die Losgelassenheit ist, in der Praxis fehlt sie oft. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben Defiziten in der Haltung – von unpassender Fütterung, mangelndem Bewegungsangebot bis hin zu Stress mit Herdenkollegen – und unpassender oder nicht fachgerecht angewandter Ausrüstung, sind es häufig Fehler beim Aufwärmen oder beim Training selbst, die dem Lockerwerden entgegenwirken. Umso besser ist es, möglichst viele Strategien zur Hand zu haben, die beim sinnvollen Lösen helfen:

1. Aufwärm-Spaziergang im Gelände

Wer sein Pferd vor der Arbeitseinheit eine Runde im flotten Schritt um die Reitanlage führt, bringt seinen Vierbeiner in Schwung – und sich selbst gleich mit. Das Pferd kann sich dabei ungezwungen am durchhängenden Zügel oder Führseil bewegen, kann seinen Hals drehen und strecken und dabei die Landschaft beobachten. Durch die fleißige, kontinuierliche Schrittbewegung wird die Gelenkschmiere in den Gelenken optimal verteilt (nach etwa 20 Minuten) und die Muskulatur bis in die tiefen Strukturen durchblutet (nach etwa 40 Minuten). Nach und nach werden die Schritte immer raumgreifender und geschmeidiger, ein Zeichen dafür, dass das Pferd beginnt sich loszulassen.

2. Schritt am langen Zügel

Ungezwungener Schritt am langen Zügel sollte jedes Reittraining eröffnen – auch wenn man bereits einen Aufwärm-Spaziergang hinter sich hat. Am hingegebenen Zügel soll das Pferd im Idealfall völlig unbeeinflusst von reiterlichen Hilfen ins Schreiten kommen. Nur durch den Sitz gelenkt, können in dieser Phase bereits erste große Wendungen geritten werden und das Pferd so immer langsam auf die nächste Phase eingestimmt werden.

3. Lösungsphase individuell anpassen

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Hierzulande weniger verbreitet, aber sehr effektiv ist das Lösen im Schritt. © www.slawik.com

Ist die Zwanglosigkeit im Schritt sichergestellt, beginnt die eigentliche Lösungsphase. Und die kann je nachdem, was das jeweilige Pferd braucht, ganz unterschiedlich aussehen. Wichtig ist: Die Aufgabe soll dem Pferd leicht fallen. Ob die Lösungsarbeit am besten im Schritt, Trab oder Galopp durchgeführt wird, hängt demnach sehr von den individuellen Voraussetzungen und Vorlieben des Pferdes ab. Bringt es einen schwungvollen Bewegungsablauf mit und kann relativ ermüdungsarm auch längere Strecken traben, dann findet es darüber gut zur Losgelassenheit und es bietet sich an, ein solches Pferd im Trab zu lösen. Es gibt aber auch Pferde, bei denen ein rundenlanges Traben oder Galoppieren gar nichts bringt. In solchen Fällen kann lösende Schrittarbeit das Mittel der Wahl sein.

4. Lösende Übungen im Trab

Neben dem Reiten von großen gebogenen Linien mit vielen Handwechseln, gibt es eine Reihe von Übungen, die gezielt die Losgelassenheit des Pferdes im Trab fördern:

Reiten im wechselnden Rahmen
Das Reiten in wechselndem Rahmen beinhaltet mehrmaliges Herauskauenlassen und Wiederaufnahmen der Zügel. Damit erfüllt die Übung zwei Zwecke: Zum einen sieht man an der Art, wie ein Pferd die Zügel aus der Hand kaut, den aktuellen Stand der Losgelassenheit und des Gleichgewichts. Zum anderen verbessert man diese beiden Punkte durch mehrere Wiederholungen der Übung.

Konterschulterherein und Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen
Wenn ein Pferd (noch) nicht bereit ist, sich zu dehnen, oder aber mit den Hinterbeinen nicht engagiert genug trabt und /oder man gleich ein wenig für die Hankenbeugung und Geraderichtung tun will, kann man direkt Seitengänge mit ins Programm nehmen. Für die Lösungsphase bietet sich zu Beginn das Konterschulterherein auf dem Zirkel an, weil das die Biegung und Dehnung verbessert, aber noch nicht so sehr versammelnd wirkt wie das Schulterherein. In geringer Abstellung kann es auch im Leichttraben geritten werden.

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Pferde im (Leicht-)Traben zu lösen funktioniert häufig gut bei schwungbegabten Pferden. © www.slawik.com

Zirkel verkleinern und vergrößern
Durch diese Lektion wird die innwendige Biegung des Pferdes verbessert, was neben der intensiven Dehnung der äußeren Körperhälfte auch bereits etwas versammelnd wirkt, denn das innere Hinterbein wird auf zunehmend kleinerer Kreislinie vermehrt gebeugt. Gleichzeitig wird bei korrekter Ausführung die innere Pferdeschulter angehoben.

Weiche Schlangenlinien im Trab
Nach den vorangegangenen Übungen machen Schlangenlinien im Trab das Pferd noch geschmeidiger, weil sie das Umstellen von einer Biegung in die andere üben. Wichtig ist, mit flachen Bögen zu beginnen, bei denen das Pferd annähernd geradeaus geht und nur ganz leicht gestellt und gebogen wird. Nach und nach können Biegung und Frequenz des Umstellens erhöht und damit die Anforderungen gesteigert werden.

Tritte verkürzen und verlängern
Tempounterschiede fördern die Losgelassenheit, weil mit ihnen eine Variation des Rahmens einhergeht und das Pferd nach mehreren Wiederholungen zunehmend besser „über den Rücken“ durchschwingen kann. Voraussetzung dafür ist, dass das Pferd bei absolut gleichbleibendem Takt den Raumgriff seiner Bewegungen verändert. Das heißt, es macht im Tritteverlängern geringfügig weitere Trabtritte und beim Verkürzen etwas kleinere. Das Tempo bleibt dabei aber gleich!

Trab-Galopp-Übergänge
Der Wechsel zwischen dem Zweitakt Trab und dem Dreitakt Galopp ist für den Pferderücken besonders lösend. Deswegen ist es bei vielen Pferden sinnvoll, die Galoppübergänge früh mit in die lösende Arbeit aufzunehmen. Auf welche Weise sie geritten werden, hängt vom Alter, Ausbildungsstand und auch vom aktuellen Grad der Losgelassenheit ab.

5. Lösen im Schritt

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Schlangenlinien kombiniert mit Seitengängen sind ein hervorragendes Mittel um Pferde im Schritt zu lösen. © www.slawik.com

Für die lösende Arbeit im Schritt bieten sich neben den bereits beschrieben Übungen Konterschulterherein, Zügel-aus-der Hand-kauen-lassen und Schlangenlinien insbesondere Schenkelweichen und Übertreten an. Dabei überkreuzt das Pferd abwechselnd beide Beinpaare, was einen lösenden Effekt hat. Das Pferd soll und darf dabei im betont ruhigen Tempo seitwärtsgehen und sollte bereits ausreichend lang aufgewärmt sein. Unaufgewärmt oder im schnellen Tempo geritten, können diese Übungen die Gelenke der Extremitäten schädigen.

Schrittvariationen
Tempounterschiede im Schritt machen ein klassisch gearbeitetes Pferd sehr gut locker. Im Fokus stehen sanfte Tempovariationen bei absolut gleichbleibendem, reinem Schritttakt stehen. Um keine Verschiebung in den fehlerhaften Pass zu riskieren, sollte dabei immer nur sanft und exakt im Rhythmus des abfußenden Hinterbeins aus einem passiven Sitz heraus getrieben werden.

Die Acht mit gleichbleibender Biegungsrichtung
Der natürlichen Schiefe des Pferdes kann man bereits in der Lösungsphase mit dem Reiten einer Acht, ohne Stellung und Biegung beim Wechsel auf den neuen Zirkel zu ändern, begegnen. Wie bei der Übung Konterschulterherein muss das Pferd dabei die äußere Körperhälfte deutlich dehnen, was hilft Verspannungen zu lösen und die Beweglichkeit zu fördern. Beim mehrmaligen Durchreiten der Acht lernt das Pferd außerdem, dass Biegungsrichtung und Bewegungsrichtung nicht dasselbe sein müssen.

Kreative Schlangelinien
Um die Biegung im Schritt zu verbessern und spielerisch mit den Seitengängen zu beginnen, bietet sich die Arbeit mit Schlangenlinien an. Lässt sich das Pferd bereits gut biegen und stellen, kann jeder Bogen im Schultervor, Schulterherein, Kruppeherein oder in Abwechslung geritten werden.

6. Lösearbeit im Galopp

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Manche Pferde lösen sich besonders gut im Galopp.
© www.slawik.com

Manche Pferde lösen sich besonders gut im Galopp. Hier bietet es sich an, nach sorgfältigem Aufwärmen direkt anzugaloppieren. Lange Etappen in gleichbleibend ruhigem Tempo helfen dem Pferd, sich loszulassen und mit der Zeit einen gleichmäßigen Kontakt zur Reiterhand zu finden. Übungen wie Verlängern und Verkürzen, Überstreichen, Übergänge in und aus dem Galopp sowie Wechsel zwischen links- und Rechtsgalopp fördern diesen Prozess zusätzlich.

Lässt sich ein Pferd in allen Gangarten los, bewegt es sich taktmäßig und sucht von sich aus eine feine Anlehnung zur Reiterhand, ist schon sehr viel erreicht. Wird die losgelassene Bewegung zur Gewohnheit ist die perfekte Basis für eine weitere fördernde und fordernde Ausbildung geschaffen. Aber auch wenn die Übungen mit der Zeit zunehmend schwieriger werden, muss bei aller Bemühung die Losgelassenheit erhalten bleiben. Denn selbst die höchste Versammlung funktioniert nur, wenn sich das Pferd innerlich wie äußerlich seine Losgelassenheit behält.

Das Lösen selbst muss mit der Zeit immer schneller und leichter gehen. Zum einen, weil der Reiter inzwischen weiß, welche Übungen sein Pferd lösen. Zum anderen, weil das Pferd selbst gespürt hat, dass es sich losgelassen leichter bewegen und seinen Reiter besser tragen kann.

Buchtipp

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© Cadmos

Pferde sinnvoll lösen -
Praxishandbuch Losgelassenheit

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ePub 128 Seiten
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In ihrem Buch "Pferde sinnvoll lösen" erklärt Fachautorin und FN-Trainerin Katharina Möller, wovon die Losgelassenheit in der Praxis abhängt und wie man sie erzielen, verbessern, erhalten und wiederherstellen kann. Hauptaugenmerk liegt auf praktischen Anleitungen für die lösende Arbeit, wobei unterschiedliche Reiter- und Pferdetypen mit ihren jeweiligen Vorlieben berücksichtigt. werden. Der Schwerpunkt liegt auf zahlreichen praktischen Übungen, die sich je nach Vorlieben und Bedürfnissen kombinieren lassen - so erhält jeder Reiter die Möglichkeit, für sich und sein Pferd den individuellen Weg zum entspannten und harmonischen Zusammenspiel zu finden.

Aus dem Inhalt
- Wofür die Losgelassenheit so wichtig ist
- Fütterung und Haltung pro Losgelassenheit
- Lösende Übungen für jedes Pferd-Reiter-Paar
- Losgelassenheit in der Arbeitsphase und der Gesamtausbildung