Schaukelpferde

Bauch, Rücken, Po: So viel bringt das Training mit der Pferdewippe

Ein Artikel von Pamela Sladky | 01.02.2021 - 15:00
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Kleine Bewegungen, Megaeffekt: Die Pferdewippe eignet sich ideal fürs  Muskeltraining. © Vera Janosch

Haben Sie als Kind auch so gerne auf der Wippe gespielt? Das hat richtig Spaß gemacht, dieses Hochgefühl, wenn man ganz oben war, mit Schwung vielleicht sogar ein kleines Stück in der Luft – und dann der Sturz in die Tiefe, um sich im nächsten Moment wieder kraftvoll abzustoßen. Die ganz Verwegenen haben’s sogar im Stehen geschafft. Dafür war allerdings ein besonders gutes Balancegefühl nötig, andernfalls hat einen die Wippe gnadenlos abgeworfen. Und ganz nebenbei hat man sich auch noch richtig verausgabt: Po-, Bein- und Rumpfmuskulatur sind beim Auf und Ab nämlich voll im Einsatz. Aber wenn’s Spaß macht, fällt die Anstrengung gar nicht auf. Und das ist das eigentlich Geniale an der Sache.

Ein Rundum-Training mit Fun-Faktor – das ist Wippen auch für Pferde. „Wippen bringt Spaß und fördert Pferde auf vielfältige Weise“, weiß Bettina Brückler (www.bettys-tiertraining.at). Zum ersten Mal in Kontakt mit der Pferdewippe kam die Grazer Tiertrainerin bei einem Kurs der deutschen Horse-Agility-Spezialistin Nina Steigerwald. „Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich das erste Mal mit Nina Steigerwalds Amadeus einen Horse-Agility-Parcours inklusive Wippen gelaufen bin. Wir hatten beide so viel Spaß! Es hat sich alles leicht angefühlt. Heute weiß ich, wie viel Training und Übung dahintersteckt, damit es so einfach wird. Doch der Lernprozess ist fast genauso spannend und lustig wie das Endergebnis selbst.“

Mehrere Seminare und Praktika auf Steigerwalds Hof im norddeutschen Ochtmannien später war Bettina Brückler von der Arbeit mit der Pferdewippe vollends überzeugt, weshalb sie bald eine für ihre Stute Roxy anschaffte. Die vielseitige Haflingerdame fand schnell Gefallen am Schaukeln. „Wenn das Training über positive Verstärkung erfolgt und kleinschrittig aufgebaut wird, macht es den Pferden sehr viel Spaß zu wippen. Es ist eine super Abwechslung zum Reiten und Gymnastizieren an der Hand. Und richtig gemacht gibt es tolle Muskeln“, so Brückler.
 

Ganzkörper-Workout

Welche Muskelgruppen beim Wippen angesprochen werden, hängt von zweierlei ab: der Ausführung, also wie und in welcher Körperhaltung das Pferd wippt, und dem Wippentyp. Grob gesagt werden die schaukeligen Turngeräte in zwei Kategorien eingeteilt: Ganzkörperwippen, auf denen das gesamte Pferd zum Stehen kommt, und Zweibeinwippen für Vor- oder Hinterhand. Mit ihnen lassen sich unterschiedliche Bereiche des Pferdekörpers ganz gezielt trainieren. „Steht das Pferd mit der Vorhand auf der Zweibeinwippe, wird die Schulterblattaufhängung, Rumpfaufhängung und Brustmuskulatur gelockert und trainiert. Verwendet man sie mit der Hinterhand, wird die Aufhängung des Beckens, die Bauchmuskulatur und die innere Lendenmuskulatur gekräftigt“, erklärt Bettina Brückler. Den Rundumschlag bringt die Ganzkörperwippe. „Hier wird im Prinzip der gesamte Körper trainiert, vor allem aber die untere und obere Muskelkette, also Bauch- und Rückenmuskulatur. Und bei den Wipp-Wapps (beim Vor- und Zurückschwingen, Anm.) wird zusätzlich die Hankenbeugung gefördert.“

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© Mit Zweibeinwippen lässt sich wahlweise die Vor- oder die Hinterhand  trainieren.

Spätestens jetzt wird klar, dass Wippen weit mehr ist als eine lustige Spielerei. Rücken-, Bauch- und Hinterhandmuskulatur sind schließlich genau jene Bereiche, die man auch beim Training unter dem Sattel und vom Boden aus besonders ansprechen möchte. Nur ein Pferd, das in diesen Körperregionen gut trainiert ist, kann den Menschen tragen, ohne dabei körperlichen Schaden zu nehmen. Ein weiterer Vorteil der Wippe: Durch die Schaukelbewegung kommt es auf ganz natürliche Art und Weise abwechselnd zu einem Anspannen und Entspannen der Muskulatur. Das ist nicht nur ideal für den Muskelaufbau, es wirkt auch einem permanenten Ankrampfen oder Überdehnen der Muskulatur entgegen. Je nachdem, wie die Pferdebeine auf der Wippe platziert werden – eher mittig, weiter hinten, oder weiter vorne – können die Effekte auf die einzelnen Muskelgruppen zusätzlich variiert werden.

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Rücken aufwölben? Mit der Ganzkörperwippe ein Leichtes! © Vera Janosch

Und die Wippengymnastik kann noch mehr: Durch den instabilen Untergrund werden die Propriozeptoren aktiviert. Diese Nervenzellen informieren das Gehirn über Stellung und Bewegung des Körpers im Raum und der einzelnen Körperteile zueinander (Eigenempfindung), die Muskulatur reagiert auf ihre Wahrnehmungen. „So wird insbesondere die so wichtige Tiefenmuskulatur angesprochen, die für die Stabilisierung zuständig ist und die man über herkömmliches Training nicht so leicht erreicht“, konkretisiert Bettina Brückler. Durch das Wippen werden somit auch Balancegefühl und Körperwahrnehmung geschult und verbessert, was nicht nur den Menschen freut, weil er einen trittsicheren Partner an seiner Seite oder unter dem Sattel hat. „Ein gutes Balancegefühl schützt auch vor Verletzungen, weil der Körper gelernt hat, schneller auf Veränderungen zu reagieren und sich somit leichter stabilisieren kann“, erklärt die Tiertrainerin.

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© Alessandra Sarti

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