Sommer, Sonne, Hitze

Wie viel Hitze kann ein Pferd ausgleichen?

Ein Artikel von Regina Käsmayr | PS | 24.06.2021 - 12:15
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Pferde überhitzen wesentlich rascher als Menschen, ab 41 Grad Körpertemperatur sind die Folgen lebensbedrohlich. © www.slawik.com

Was haben Menschen, Pferde, Affen, Kamele und Ziegen gemeinsam? Sie schwitzen. Steigt die Temperatur ihrer Umgebung oder ihres eigenen Körpers an, so nutzen sie den Schweiß, um sich durch seine Verdunstung wieder abzukühlen – eine sehr exklusive Errungenschaft der Evolution. Die meisten anderen Tiere können das nämlich nicht. Raubtiere wie Hund und Katze beispielsweise schwitzen nur an den Fußballen, Schweine, Kaninchen und Vögel überhaupt nicht. Während andere Tiere also hecheln, baden, die Flügel spreizen, die Ohren aufstellen oder sich mit Schlamm panieren müssen, um ihre Körpertemperatur wieder auf ein erträgliches Maß zu bringen, verlassen sich Pferde ganz auf ihre Schweißdrüsen – wie auch wir Menschen. Pferde haben davon noch weitaus mehr als Menschen: 400 bis 500 pro Quadratzentimeter Haut. Alle Schweißdrüsen sitzen in der Unterhaut – an Hals, Brust, Schultern und Flanken gibt es besonders viele. Das fanden Forscher der Aberystwyth Universität in Wales sowie der Universität von Florida unter der Leitung von Neil McEwan heraus – neben vielen anderen interessanten Fakten, aber dazu später mehr.

Dass Pferde mehr Schweißdrüsen als wir Menschen haben, hat einen guten Grund: Sie können Hitze sehr viel schlechter aushalten. Immerhin haben Pferde Jahrtausende ihrer Evolution in gemäßigt-kühlen Steppen gelebt. Erst durch die Domestikation durch den Menschen drangen sie in südlichere Gefilde vor. Entsprechend überhitzen sie viel schneller als ihre Reiter:innen, was bei Ausritten im Hochsommer zu gefährlichen Fehleinschätzungen führen kann.

Einer Studie der Universität von Guelph in Kanada zufolge ist besonders feucht-warmes Sommerwetter, etwa nach einem Gewitter, gefährlich. „Bei heißem, feuchtem Wetter reichen 17 Minuten Training mit mäßiger Intensität aus, um die Körpertemperatur eines Pferdes auf gefährliche Werte zu erhöhen. Beim Menschen dauert das drei- bis zehnmal so lange“, erklärte Studienleiter Professor Michael Lindinger, Veterinär und Sportmediziner in einem Beitrag auf der Homepage der Universität.

Wann es kritisch wird

Steigt die Körpertemperatur des Pferdes auf 41 Grad an (normal sind 37 bis 38 Grad), kann sich die Temperatur in den arbeitenden Muskeln auf heiße 43 Grad erhöhen – mit dramatischen Folgen für den Organismus. Derart hohe Temperaturen haben eine Zersetzung der körpereigenen Proteine zur Folge, was Blutdruckabfall, Koliken und Nierenversagen nach sich zieht, so Lindinger weiter.

Übrigens: Die Komforttemperatur für Pferde liegt bei 5 bis 10 Grad. Minusgrade bis 15 Grad unter Null stecken sie problemlos weg. Aber alles, was über die 20-Grad-Plus-Marke hinausgeht, belastet bereits ihren Organismus. Im Hochsommer reicht dann der Schweiß alleine oft nicht mehr aus, um ein Pferd herunterzukühlen, selbst dann nicht, wenn die Produktion, gesteuert vom zentralen Nervensystem, auf Hochtouren läuft und bis zu 30 Liter Schweiß pro Stunde erzeugt werden. Schlimmer noch: In diesem Fall tropft die körpereigene Kühlung ungenutzt auf den Boden – und mit ihr jede Menge Elektrolyte. Wird nun kein Trinkwasser – und in extremen Fällen auch zusätzliche Elektrolyte – zugeführt, so dehydriert das Pferd und kann sogar sterben.

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Anzeichen für Dehydrierung

Ob ein Pferd ausreichend getrunken hat, lässt sich durch einen ganz einfachen Test feststellen: Dazu greift man in die Haut an seinem Hals und bildet eine Falte, die man einige Sekunden lang festhält. Lässt man sie anschließend wieder los, so müsste sie sich innerhalb weniger Augenblicke wieder glätten. Tut sie dies nicht, so liegt ein Wassermangel im Gewebe vor. Freizeitreiter Werner Kohlstätt wird den Moment niemals vergessen, als er diesen Test bei seinem Appaloosa Gambler machte. Der Wallach war während eines Wanderritts im Sommer plötzlich stehen geblieben, hatte mit den Augen gerollt und am ganzen Körper gezittert. Kohlstätt machte den Hautfaltentest – und die Falte veränderte ihre Form kaum, als er sie losließ. Instinktiv reagierte der Reiter richtig: Er stieg ab, brachte das Pferd in den Schatten, schickte seine Mitreiter aus, um Wasser zu holen, und rief einen Tierarzt. Dieser stellte die Diagnose „Hitzekollaps mit Dehydrierung“ und verabreichte dem Wallach eine Elektrolytlösung. In diesem Fall hatte das Pferd eindeutig zu viel geschwitzt und zu wenig getrunken. Werner Kohlstätt hat aus diesem Erlebnis Konsequenzen gezogen: „Ich reite nie wieder ohne einen Falteimer aus, mit dem man notfalls Wasser schöpfen oder in einem Wohnhaus erbitten kann“, sagt er. „Mir war klar, dass mein Pferd schon lange nichts mehr getrunken hatte. Aber wie schlimm es um Gambler stand, habe ich nicht bemerkt.“

Übrigens: Stark dehydrierte Pferde schwitzen überhaupt nicht mehr. Hier funktioniert der Körper in einer Art Notlaufprogramm und leitet die verbliebene Flüssigkeit in die lebenswichtigen Organe anstatt zur Kühlung nach außen.

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Achtung, Elektrolytverlust!

Allzu üppig sollte die exklusive Kühlflüssigkeit also nicht fließen. Und das hat nicht nur mit dem Wasser zu tun, sondern auch mit dem zweiten Bestandteil des Schweißes, den Elektrolyten (vor allem Kochsalz). Wenn das Pferd zu viel schwitzt, werden diese in Massen ausgeschieden. Wie viele Elektrolyte genau durch den Schweiß abhandenkommen, darüber streitet sich die Wissenschaft noch. In einer Studie von 2015 untersuchte das bereits erwähnte Forscherteam von Neil McEwan jeweils fünf Schweißproben von unterschiedlichen Körperstellen ihrer zehn Testpferde. Die Proben wurden direkt nach einer Trainingseinheit entnommen und dann die Elektrolytkonzentration gemessen. Das Ergebnis: Schweiß, der vom Rücken und von hinter den Ohren stammt, enthält niedrigere Elektrolytkonzentrationen als Schweiß vom Hals oder von der Brust. Die Werte am Oberschenkel lagen zwischen den beiden anderen. Bisherige Studien seien immer auf der Basis von Rückenschweiß-Elektrolytkonzentrationen durchgeführt worden, schrieb das Forscherteam im Tierärztemagazin Veterinary Dermatology. „Die gegenwärtige Arbeit zeigt, dass diese Werte wahrscheinlich den Elektrolytverlust unterbewerten.“

Pferde verlieren also aller Wahrscheinlichkeit nach durch das Schwitzen sehr viel mehr Elektrolyte als lange Zeit angenommen.

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Überhitzung vorbeugen

  • Die wichtigsten Maßnahmen zur Vorbeugung von Sonnenstich und Hitzschlag sind ausreichend Schattenplätze auf Weiden und Ausläufen. Alle Pferde müssen im Sommer stets die Möglichkeit haben, Schatten aufzusuchen – auch die Rangniedrigen!
  • Frisches und sauberes Wasser sollte stets zur freien Verfügung stehen, auch auf der Weide!
  • Ein Salzleckstein hilft dem Pferd ausgeschwitzte Mineralien wieder aufzufüllen.
  • Training in der Mittagshitze sollte auf alle Fälle vermieden werden. Besser eignen sich die kühlen Morgen- oder Abendstunden. Aber auch dann gilt es, die Trainingsintensität den Temperaturen anzupassen. Bei Hitze heißt das: kürzere Einheiten, geringeres Tempo und regelmäßige Pausen im Schatten bei denen ggf. Wasser zum Trinken angeboten wird.
  • Eine kühle Dusche nach der Arbeit, oder wann immer das Pferd überhitzt erscheint, sorgt für Abkühlung und Entspannung. Praktischer Nebeneffekt: Weil dabei Schweiß aus dem Fell gewaschen wird, sind die Pferde danach weniger attraktiv für lästige Insekten.
  • Bei Pferden mit dichtem Fell kann es helfen, zur Schermaschine zu greifen.
  • Wird eine sehr üppige Mähne zu mehreren Zöpfen geflochten, kann mehr Luft an die Haut darunter. So wird übermäßiges Schwitzen in diesem Bereich vermieden, gleichzeitig bleibt die Funktion der Insektenabwehr bestehen.
  • In Ställen sollte für ausreichend Belüftung gesorgt werden. Stickige Luft ist eine große Belastung, gerade bei Hitze. Kann durch offene Fenster und Türen nicht genügend Durchzug erreicht werden, können Ventilatoren für mehr Luftbewegung sorgen. Allerdings ist Vorsicht bei der Anbringung der Luftverwirbler geboten: Sie sollten stets außerhalb der Reichweite des Pferdes aufgestellt werden und auch Stromkabel müssen so verlegt sein, dass sich das Tier nicht daran verletzen kann!