Haltung

Schluss mit Langeweile

Ein Artikel von Pamela Sladky | 26.10.2011 - 21:15
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In der Box macht sich schnell Langeweile breit. Genügend Raufutter und regelmäßiger mehrstündiger Koppelgang im Herdenverband helfen die Pferde auch im Winterhalbjahr bei Laune zu halten.
© Superingo - Fotolia.com

Bleibt die Boxentüren für 20 Stunden und mehr am Tag geschlossen, stellt sich beim Bewegungstier Pferd schnell Langeweile ein. Nicht selten führt dies zu körperlichen oder psychischen Problemen. So sind beispielsweise Unarten wie Koppen, Weben, Spielereien mit der Tränke oder Benagen der Boxeneinrichtung keine dumme Eigenart verhaltenskreativer Pferde, sondern ein Warnsignal für den Pferdebesitzer, etwas gegen die Eintönigkeit zu tun.

Langsames Fressen gegen Langeweile

War es im Sommer auf der Weide gewohnt, sich über eine lange Zeit hinweg von einem Grasbüschel zum nächsten grasend fortzubewegen, ist für längere Zeit erstmal Schluss mit dieser artgerechten Beschäftigung. Angelehnt an unsere eigenen Essgewohnheiten erhalten Pferde zwei bis drei Mahlzeiten täglich, meist in hochkonzentrierter Form. Das ist zwar praktisch für den Menschen – und der Nährstoffbedarf des Pferdes wird dadurch auch gedeckt, mit seinem natürlichen Fressverhalten hat diese Art der Fütterung jedoch nur wenig gemein, denn das Sättigungsgefühl des Pferdes ist von der Anzahl der Kaubewegungen abhängig und nur bedingt von der Menge, die es zu sich nimmt. Was von Natur aus eine durchaus sinnvolle Einrichtung für einen Pflanzenfresser mit relativ kleinem Magen ist, bedeutet für unsere domesizierten Pferde im Umkehrschluss allerdings, dass sie erst dann das Gefühl haben richtig satt zu sein, wenn sie über einen entsprechend langen Zeitraum hinweg gekaut haben.

Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, verspüren sie ein permanentes Hungergefühl, zudem fehlt ihnen die kontinuierliche Beschäftigung, ganz besonders in der Box. Dies führt häufig dazu, dass sich die Pferde im Übermaß an ihrer Einstreu zu schaffen machen. Zwar ist gegen gutes Futterstroh im Grunde nichts einzuwenden, allerdings kann eine übersteigerte Strohaufnahme die Bildung von Koliken begünstigen. Zudem fehlt die Einstreu dann beim Liegen und Aufsaugen von Nässe.

Heunetze sorgen für Beschäftigung

Um den veränderten Bedingungen und der verringerten Bewegung im Winter nachzukommen, sollte jetzt das Kraftfutter reduziert und die Raufuttermenge erhöht werden. Doch auf herkömmliche Art verabreichtes Heu ist schnell verputzt, die Pferde sind bald wieder hungrig und gelangweilt. Auch eine Überproduktion von Magensäure und die damit verbundene Entstehung von Magengeschwüren wird durch zu kurze Fresszeiten begünstigt.

Die einfachste Art, ein Pferd über eine lange Dauer hinweg sinnvoll in der Box zu beschäftigen, ist der Einsatz von Heunetzen. Im Vergleich zur Bodenfütterung kann die Fressdauer dadurch um ein Vielfaches verlängert werden. Weil das Pferd nur nach und nach einige Halme herauszupfen kann, wird damit sein Bedürfnis nach Futtersuche am besten befriedigt.

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Wird Heu in einem engmaschigen Netz verabreicht, kann das Pferd nur nach und nach einige Halme herauszupfen und ist so über eine lange Zeit hinweg beschäftigt. © www.heu-netz.de

Der Markt bietet heute eine Vielzahl unterschiedlicher Heunetze an. Die guten unter ihnen sind besonders stabil gefertigt und gewährleisten durch die enge Maschendichte nicht nur stundenlange Beschäftigung, sondern verhindern auch ein gefährliches Verheddern mit den Beinen. Aus diesem Grund können derartige Netze relativ tief angebracht werden, was der natürlichen Fresshaltung des Pferdes sehr entgegenkommt. Wie eng das Netz sein darf, richtet sich nach Maulgröße und Geschick des jeweiligen Pferdes. Maße von 3 x 3 bis 7 x 7 Zentimetern sind am häufigsten zu finden, wobei die Regel gilt: je engmaschiger desto länger die Fressdauer. Dennoch sollte das Pferd in der Lage sein, trotz der engen Maschendichte noch gut an das Heu zu gelangen, damit das Fressen nicht in Frust ausartet oder das Pferd gar zu wenig Heu bekommt. Heunetze mit sehr weitem Maschenabstand sind nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sie verlängern die Fressdauer auch nur unwesentlich, weswegen man von ihrer Verwendung absehen sollte.

Neben der Verlängerung der Fressdauer haben Heunetze noch eine weiteren Vorteil: sie sind eine saubere Sache. Staub und Verunreinigungen fallen einfach unten durch, zudem ist das Raufutter im Netz hygienischer aufbewahrt und kann nicht durch Urin, Kot oder Einstreu verschmutzt werden.

Bei Pferden mit Beschlag ist in Sachen Heunetze besondere Vorsicht geboten. Beim Wälzen oder Hinlegen kann sich das Schenkelende des Hufeisens im Heunetz verfangen. In solchen Fällen sollte am Heunetz eine Sollbruchstelle angebracht werden, die im Notfall reißt und damit das Schlimmste verhindert. Weil die Körperhaltung beim Fressen aus dem Heunetz nicht ganz identisch mit der natürlichen Fresshaltung des Pferdes ist, sollte als Ausgleich etwa ein Viertel der Tagesration weiterhin vom Boden aus gefüttert werden.

Pimp my Box

Spielzeug in der Box wird nur selten wirklich angenommen. Vor allem dann, wenn es nichts mit Futter zu tun hat. Holz beknabbern die meisten Pferde dagegen sehr gerne. Damit die Boxeneinrichtung nicht unter einem nagewütigen Pferden leidet, kann man hin und wieder ein Stück eines dicken Astes in der Box befestigen. Derartige Knabberäste sind eine willkommene und kalorienarme Beschäftigung.

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Viele Pferde benagen gerne Holz, oft auch aus Langeweile. Eigens dafür angebrachte Knabberäste sorgen dafür, dass die Boxeneinrichtung heil bleibt. © kislovas - Fotolia.com

Birke, Eiche, Obstgehölze, Weide sind für diesen Zweck gut geeignet, Äste von Nadelbäumen (keine Edeltannen!) sollten aufgrund der enthaltenen ätherischen Öle hingegen, wenn überhaupt, nur in Maßen verabreicht werden. Manche Gehölze wie beispielsweise die Eibe sind sogar hochgiftig. Achten Sie deshalb gut darauf, was Sie Ihrem Pferd zum Knabbern mitbringen.Auch ein Leckstein, den man an einem langen Seil befestigt und von der Decke herunterhängen lässt, sorgt für Beschäftigung und ist zudem schnell und mit einfachen Mitteln selbst gebastelt. Die Bürste eines Straßenbesens oder eine Massagematte an die Wand geschraubt, wird gern als Gelegenheit zum Schubbern wahrgenommen.

Raus ins Freie!

Freie Bewegung, Licht, Luft und Artgenossenkontakt benötigt ein Pferd auch im Winter. Koppelgang in Gruppen mit mehreren verträglichen Pferden ist das beste Mittel im Kampf gegen Langeweile und sorgt zudem für ein gestärktes Immunsystem.

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Gemütlich zusammen mit Freunden essen ist etwas, das nicht nur wir Menschen schätzen. © Tierfotoagentur.de

Auch wenn uns die Kälte schon beim Blick aus dem Fenster in die Knochen kriecht: Ein Pferd ist in der Regel durch sein Winterfell bestens für kalte Temperaturen gewappnet. Anders als wir fühlt es sich im kühlen Temperaturbereich besonders wohl. Bei geschorenen oder sehr empfindlichen Kandidaten, die bei Kälte und Nässe zu Verspannungen im Rückenbereich neigen, sorgt eine wasserdichte Paddockdecke für den nötigen zusätzlichen Schutz. Wird auf der Koppel auch noch Heu – im Idealfall an mehreren verschiedenen Stellen – angeboten, ist für Beschäftigung und Bewegungsanreiz gesorgt.

Interessantes Training mit dem Menschen ist ein weiterer Baustein gegen den pferdigen Winterfrust. Dabei gilt es zu bedenken, dass nicht nur der Körper gefördert und gefordert werden will, sondern auch der Geist des Pferdes. Viel Abwechslung und richtige Kopfarbeit sorgen beim Vierbeiner für Ausgeglichenheit – auch in der Winterzeit. Anregungen für ein Abwechslungsreiches Wintertraining finden Sie hier.