Haltung

Studie: Einzelhaltung von Pferden lässt sich nicht schönfärben

Ein Artikel von Pamela Sladky | 06.09.2019 - 12:11
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Die Einzelhaltung von Pferden in Boxen ohne Koppel- oder Weidezugang und Artgenossenkontakt ist keine artgerechte Unterbringung. Viele Pferde reagieren mit Verhaltensauffälligkeiten wie Stereotypien, Aggressivität gegenüber Menschen, Desinteresse an der Umwelt und stressbedingtem Verhalten. ©xpabli - stock.adobe.com

Es ist nicht das erste Mal, dass eine wissenschaftliche Arbeit die negativen Auswirkungen dieser Haltungsform beleuchtet und ihr ein schlechtes Zeugnis ausstellt. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Studien immer wieder eindrucksvoll die offensichtlichen und zahlreichen negativen Effekte, die das Leben auf kaum mehr als neun Quadratmetern hat, eindrucksvoll dargelegt. Dennoch ist Einzelboxenhaltung weltweit immer noch die häufigste Form der Pferdeunterbringung. Nach Angabe der Autoren fristen je nach Region 30 bis 90 Prozent der Pferde ihr Dasein zum Großteil in Einzelhaft ohne nennenswerten Kontakt zu Artgenossen.
 

Interessenskonflikt Mensch vs. Pferd

Die Hauptargumente, die für diese Haltungsform sprechen, stehen vor allem im Interesse des Halters: Sie ist praktisch, platzsparend, sicher und komfortabel. Aus Pferdesicht halten sich die Punkte auf der Pro-Seite in Grenzen. Hier dominieren Langeweile, Stress und Frustration. Als Reaktion auf die nicht artgerechte Unterbringung sind nach Einschätzung der Forscher vor allem vier Verhaltensweisen zu beobachten: die Entwicklung von Stereotypien, Aggressivität gegenüber Menschen, Unempfindlichkeit gegenüber der Umwelt und stressbedingtes Verhalten. 

Doch wie lässt sich das Leben von Pferden in Einzelboxenhaltung verbessern? Dazu beobachtete das Team des Agrarforschungsinstituts INRA 187 Warmblut-Sportpferde, die allesamt in Boxen ohne Paddock- oder Weidezugang untergebracht waren. In einer neunmonatigen Versuchsreihe wurden die Auswirkungen, die verschiedene Faktoren auf die Zufriedenheit der Pferde hatten, dokumentiert und analysiert. Berücksichtigt wurden neben dem Geschlecht, dem Alter und der Aufenthaltsdauer in der Box auch die Wahl der Einstreu, die Menge an Kraftfutter, das Vorhandensein eines Außenfensters, ob es Trenngitter zwischen den einzelnen Boxen gab sowie die Pferdesportdisziplin (Springen, Dressur, Vielseitigkeit), in der das jeweilige Pferd eingesetzt wurde, sein Leistungsniveau und die Zeit, die für das Training bzw. die Teilnahme an Turnieren aufgewendet wurde.
 

Vieles wirkungslos

Die Auswertung der Untersuchungen lieferte ein ernüchterndes Ergebnis: Die einzelnen Parameter hatten wenig bis gar keinen Einfluss auf die genannten vier Verhaltensindikatoren, ganz besonders auf das Desinteresse gegenüber der Umwelt und auf stressbedingte Verhaltensweisen.

„Um die Entbehrungen, die im Zusammenhang mit der Einzelboxenhaltung auftreten, zu kompensieren, scheint es reizvoll anzunehmen, dass sich Änderungen bei der Boxengestaltung oder in der Fütterungs- oder Trainingsroutine positiv auf das Wohlbefinden der Pferde auswirken. Etwa, indem die körperliche Aktivität durch Reiten, Longieren oder mittels Führanlage erhöht oder die Box mit einem Trenngitter zum Nachbarpferd nachgerüstet wird. Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass das nicht der Fall zu sein scheint“, berichten Alice Ruet und ihre Kollegen im Wissenschaftsmagazin Animals.

Lediglich drei Faktoren schienen das Pferdeleben in der Einzelbox messbar, wenn auch in limitiertem Umfang zu beeinflussen: die Verwendung von Stroheinstreu, das Vorhandensein eines Fensters zur Außenumgebung und die Verringerung der täglich zugeführten Kraftfuttermenge.

  • So waren Pferde, die aus dem Fenster sehen konnten, weniger aggressiv.
  • Denselben Effekt hatte Stroheinstreu, zudem zeigten Pferde mit Stroh in der Box mehr Interesse an ihrer Umwelt.
  • Orale Stereotypien wie Frei- und Aufsetzkoppen konnten indes durch weniger Kraftfutter gesenkt werden.
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Pferde, die die Möglichkeit hatten aus dem Fenster zu sehen, zeigten dem Menschen gegenüber weniger Aggressivität.
© www.slawik.com

„Die Hauptschlussfolgerung dieser Studie ist, dass die durch die räumlichen, sozialen und diätetischen Engpässe dieses Haltungssystems verursachten nachteiligen Auswirkungen nicht durch kleine Einrichtungen in der Box oder Änderungen der Managementpraktiken gemildert werden können“, so das französische Forscherteam abschließend.


Pferde brauchen freie Bewegung und Sozialkontakt

Um das Wohlergehen der Pferde nachhaltig zu verbessern, seien indes drastische Änderungen der Lebensumstände notwendig: So oft wie möglich freie Bewegung, ausreichend Sozialkontakt mit anderen Pferden und die Aufnahme von genügend rohfaserreichem Futter. „Gewährt man Pferden Weidezugang mit anderen Pferden, können sie theoretisch ihre natürlichen Bedürfnisse befriedigen, was ihr Wohlbefinden deutlich optimiert.“