Gesundheit

Nach zahlreichen Todesfällen: Kliniken warnen vor giftigen Bergahorn-Samen

Ein Artikel von PM | PS | 09.11.2018 - 19:16
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Von Herbst bis zum Frühjahr enthalten die Samen und die einblättrigen Keimlinge des Bergahorns ein für Pferde lebensgefährliches Gift.

Der annähernd gleichzeitige Tod mehrerer Pferde in Salzburg und in weiterer Folge mehrerer Tiere in Niederösterreich im Herbst 2018 verdeutlicht einmal mehr die Gefährlichkeit einer Vergiftung von Pferden durch das vor allem in Bergahornbaumsamen enthaltene Toxin Hypoglycin A, heißt es in einer aktuellen Aussendung der Vetmeduni Vienna.  

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© Pferdeklinik Tillysburg

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© Pferdeklinik Tillysburg

Erste Anzeichen

Einmal von den Pferden über das Futter aufgenommen, löst Hypoglycin A und dessen Abbauprodukt MCPA eine rasch fortschreitende Muskelerkrankung aus. In vielen Fällen sterben die betroffenen Tiere innerhalb von 72 Stunden. Umso wichtiger ist es bereits bei ersten Anzeichen sofortige Hilfemaßnahmen einzuleiten. Die offensichtlichen Symptome sind im zeitlichen Verlauf unter anderem folgende:

  • Zittern und Schwitzen
  • Steifer Gang, auch ohne Reitbeanspruchung, häufig nach Weideaufenthalt
  • Kolikähnliche Schmerzen
  • Atembeschwerden und eine erhöhte Herzfrequenz
  • Verfärbter Urin: Die rotbraune Verfärbung des Urins entsteht aufgrund des durch den Muskelaschaden freigesetzten und über die Nieren ausgeschiedenen Myoglobins, dem Muskelfarbstoff.

Betroffen sind vor allem Pferde, die ganztägig auf einer Weide mit angrenzenden Ahornbäumen gehalten werden. „Wird eine Hypoglycin-Vergiftung von den Besitzerinnen oder Besitzern rechtzeitig erkannt und eine Tierärztin oder ein Tierarzt sofort verständigt, dann können erste Maßnahmen durch Stabilisierung von Kreislauf und Elektrolythaushalt mit Infusionen gesetzt werden“, erklärt Jessika Cavalleri, Professorin für Interne Medizin Pferde an der Vetmeduni Vienna und Expertin für Atypische Myopathie.

In einem frühen Stadium kann auch Aktivkohle verabreicht werden, die laut einer wissenschaftlichen Studie, an der Cavalleri beteiligt war, das Toxin binden und daher präventiv auch noch nicht betroffenen Begleitpferden verabreicht werden kann. Ziel ist damit eine Vergiftung rechtzeitig abzuwenden. „Auch harntreibende Mittel können gegeben werden, um die Abbauprodukte auszuschwemmen. Bei Festliegen der Pferde ist dieser Zeitpunkt zumeist überschritten", weiß Cavalleri.

Als Hilfemaßnahme bewährt haben sich auch Antioxidantien und Vitamine, allen voran Selen sowie die Vitamine E, B12 und C, wie Mag. Barbara Dock von der Pferdeklinik Tyllisburg in Oberösterreich erklärt. Dock empfiehlt, bei der Gabe von Schmerzmitteln nichtsteroidale Antiphlogistika wegen der zusätzlichen Nierenbelastung zu vermieden.

Werden die Tiere nicht rechtzeitig behandelt, liegt die Sterbensrate bei hohen 70 bis 90 Prozent.

Gefahr besteht von Herbst bis Frühjahr

„Über Urin und Serum können Laborproben gewonnen und auf Rückstände des Toxins untersucht werden. Wichtiger ist jedoch die Aufmerksamkeit der Pferdehalterinnen und –halter auf die Erstanzeichen. Durch den schnellen Krankheitsverlauf bestätigen diese Analysen bei sehr schnellem und hochgradigem Verlauf häufig im Nachhinein die Diagnose hinsichtlich der Todesursache.“, so Cavalleri. Wichtig ist zu verstehen, so die Expertin weiter, dass nicht nur die flügelblättrigen Samen der Ahornbäume, insbesondere des Bergahorns, toxisch für die Pferde sind. Auch die ersten Keimlinge im Frühling stellen eine Gefahr für die Tiere dar. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich ein zweiblättriges Keimblatt entwickelt, enthalten die Pflanzen vielfach hohe Mengen des Toxins.

Vergiftungen vorbeugen

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate rät Mag. Barbara Dock verstärkt zu präventiven Maßnahmen. In diesem Zusammenhang nennt die Veterinärin

  • Das Prüfen des Baumbestandes im Bereich der Koppeln
  • Die Begutachtung der Weiden im frühen Herbst um das Vorhandensein von Ahornsamen auszuschließen, und gegebenenfalls Reinigung der Weide
  • Das Verhindern des Fressens der Keimlinge und Jungpflanzen im Frühling – entweder  entfernen oder kein Beschicken dieser Weiden
  • Zudem sollten die Pferde im Herbst nach ungünstigen Wetterverhältnissen (erste Kälteeinbrüche, starker Regen, Wind) möglichst aufgestallt werden, da es dadurch zum massenhaften Abgang der Bergahornsamen kommen kann.

„Grundsätzlich ist wichtig, dass auf den Weiden genügend Gras zur Verfügung steht. Auf abgegrasten Weiden ist die Gefahr deutlich größer, dass die Pferde die eventuell vorhandenen giftigen Samen aufnehmen. Jedenfalls sollte in diesem Fall ausreichend Heu und evtl. Kraftfutter zugefüttert werden. Dabei sollte das Futter besser aus Futterraufen und nicht direkt vom Boden gegeben werden“, so Barbara Dock.

Cavalleri empfiehlt auch Pferde beim Ausritt in der Nähe von Bergahornbäumen nicht unbeaufsichtigt grasen zu lassen, da schon geringe Mengen zu einer lebensbedrohlichen Vergiftung führen können.