Gesundheit

Ist das Kissing Spines Syndrom bei Pferden vererbbar? Forschungsergebnisse deuten darauf hin

Ein Artikel von Pamela Sladky | 27.01.2021 - 12:54
14939933096982.jpg

Charakteristisch für das Kissing Spines Syndrom ist eine deutliche Druckempfindlichkeit im Rückenbereich. © www.slawik.com

Die Diagnose Kissing Spines trifft Reitpferdebesitzer meist wie ein Vorschlaghammer. Hinter dem romantisch anmutenden Begriff steckt eine Erkrankung des Rückenbereichs, die die Nutzbarkeit des betroffenen Pferdes erheblich einschränken kann. Bei Kissing Spines – zu Deutsch „küssende Dornfortsätze“ – werden die Abstände zwischen den Dornfortsätzen der Wirbel immer kleiner, bis sie einander berühren und aneinander reiben. Dieser Prozess geht mit einer Entzündung der Dornfortsätze einher, die den Körper dazu anregt, neue Knochensubstanz zu bilden. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu einer Überlappung der Dornfortsätze kommen, die schließlich fest miteinander verwachsen können. 

Unreitbar, aber tauglich für die Zucht?

Auch wenn es durchaus Pferde gibt, die trotz eindeutigen Röntgenbefundes keinerlei Symptome zeigen, ist das Kissing Spines Syndrom häufig mit starken Schmerzen verbunden. In vielen Fällen wird die Nutzbarkeit des Pferdes erheblich eingeschränkt, im schlimmsten Fall droht sogar Unreitbarkeit. Handelt es sich beim betroffenen Tier um eine Stute oder einen Hengst, ist die Versuchung groß, es zumindest noch in der Zucht einzusetzen. Doch gerade das könnte ein großer Fehler sein, wie aktuelle Forschungen vermuten lassen. Denn obwohl Faktoren wie Training und Sattelpassform die Entwicklung und den Verlauf der Wirbelerkrankung deutlich beeinflussen können, scheint die erbliche Veranlagung einen weit größeren Einfluss zu nehmen als bislang vermutet. Das zeigt eine Studie aus den USA.

Gleich weiterlesen:

14631354477227.jpg

© JB Tierfoto

Kissing Spines: So reiten Sie Pferde mit dieser Diagnose schmerzfrei
Kissing Spines sind eine gefürchtete und leider immer häufiger diagnostizierte, schmerzhafte Rückenerkrankung vieler Reitpferde. Wie sie entstehen und wie man sein Pferd trotz der Erkrankung schmerzfrei und reitbar halten kann, erklärt Buchautorin Anne Schmatelka in diesem Beitrag.

Risiko deutlich erhöht

Beau Whitaker, Veterinär und Spezialist für Orthopädie und Rehabilitation bei Pferden am Brazos Valley Equine Hospital in Texas, analysierte gemeinsam mit einem von Etalon Diagnostics zusammengestellten Team die phänotypischen Daten und Kissing-Spines-Schweregrade von 220 Warmblütern, Quarter Horses und Vollblütern mit klinischen Anzeichen der Erkrankung.

Im ersten Schritt wurden tierärztliche Aufzeichnungen und Röntgenbilder eines jeden Pferdes gesammelt und die Röntgenbilder von einer unabhängigen Person auf einer Skala von 1 (leichte Verengung der Zwischenräume zwischen den Dornfortsätzen) bis 4 (weitgehende Überlappung und knöcherne Umgestaltung der Prozesse) bewertet. Danach wurden die Haarproben der Pferdepatienten einer genetischen Analyse unterzogen. Im Anschluss verglich das Team die Genproben der Studienpferde mit jenen von 50 gesunden Kontrollpferden.

Unter den rund 50.000 untersuchten Genstellen erwies sich eine als ganz besonders auffällig. Ein auf Chromosom 14 befindliches Allel korrelierte mit einem viereinhalbfach höheren Risiko einer Kissing-Spines-Erkrankung. "Das ist eine sehr große Effektstärke und ein ziemlich überraschender Befund", sagt Dr. Samantha Brooks vom Genetics Institute der Universität von Florida, die bei der Interpretation der Studiendaten behilflich war.

Gleich weiterlesen:

14349788720512.jpg

© JB Tierfoto / Cadmos

8 Übungen für rückengeplagte Pferde
Pferde mit Rückenproblemen sind keine Seltenheit - im Gegenteil. Wenn es in der Bewegungszentrale des Pferdes hakt, ist das richtige Training das Um und Auf. Acht effektive Übungen, die Sie ganz einfach selbst durchführen können, zeigt dieser Beitrag.

Auch die Größe spielt eine Rolle

Laut Brooks gingen aus der Analyse aber noch weitere interessante statistische Muster hervor. So hatten zwar weder Geschlecht noch Alter einen nennenswerten Einfluss auf die Entwicklung der Krankheit, dafür jedoch die Körpergröße: Ein Unterschied von 10 cm Stockmaß könne den Ausschlag geben, ob ein Pferd Kissing Spines entwickle oder nicht, so Dr. Brooks. Der Grund dafür könne einerseits mit strukturellen Kräften zusammenhängen, die auf die Wirbelsäule wirken. Davon abgesehen bestünde aber durchaus auch die Möglichkeit, dass größere Pferderassen generell „dazu neigen, das Allel für Kissing Spines in sich zu tragen.“

Laut Brooks gibt es außerdem Hinweise, dass zwei weitere Genloci den Schweregrad der Erkrankung maßgeblich mitbestimmen. Es sind Hinweise wie diese, die auf eine starke genetische Komponente von Kissing Spines schließen lassen. Und die man bei einem geplanten Zuchteinsatz nicht aus den Augen verlieren sollte.

Aktuell arbeitet das Forscherteam an einer Möglichkeit, Pferde mit einem erhöhten Risiko für Kissing Spines frühzeitig erkennen zu können. Dann, so die Hoffnung der Forscher, könnten therapeutische Maßnahmen schneller eingeleitet und Pferd und Mensch von unnötigem Leid verschont bleiben.