Werden ihre natürlichen Bedürfnisse über einen längeren Zeitraum nicht erfüllt, können Pferde nicht nur körperliche sondern auch psychische Probleme entwickeln. © Talitha Hoelscher - AdobeStock.com
Wissenschaftler der Aberystwyth University in Wales haben einen Test entwickelt, mit dessen Hilfe sie ermitteln wollen, ob Pferde unter Depressionen leiden. Um das herauszufinden, nutzen sie eine besondere Technik: Touchscreens, die die Tiere mit ihrer Nase bedienen. Ziel ist es, kognitive Fähigkeiten zu testen und herauszufinden, ob Verhaltensänderungen auf eine Depression hindeuten.
Depression oder nicht?
Forschungen deuten darauf hin, dass Pferde in stressigen Umgebungen Symptome einer Depression zeigen könnten. Diese ähnelt der klinischen Depression beim Menschen und umfasst Verhaltensweisen wie Zurückgezogenheit, intensives Starren und verringerte Mobilität. Im Alltag werden diese Anzeichen jedoch häufig übersehen oder als normal interpretiert.
„Depressionen sind bei Pferden schwer zu erkennen. Wenn man ein Pferd in der Box mit gesenktem Kopf sieht, stellt sich die Frage: Ist es müde? Schläft es oder ruht es nur? Oder ist es depressiv? Es ist schwierig, dies klinisch festzustellen, und genau daran arbeiten wir, um unser Verständnis zu verbessern“, erklärt Dr. Sebastian McBride, der die Forschung am Institut für Biowissenschaften der Aberystwyth University leitet.
Chronischer Stress als Auslöser
Laut McBride sind viele Pferde chronischem Stress ausgesetzt, etwa weil ihre natürlichen Verhaltensbedürfnisse nicht erfüllt werden. Hält dieser Zustand über einen längeren Zeitraum an, kann er zu psychischen Problemen führen. Ziel der Studie ist es, herauszufinden, ob es bei Pferden tatsächlich Depressionen gibt und wie verbreitet sie sind.
Die Schwierigkeit: Physiologische Messungen, wie Veränderungen der Herzfrequenz oder des Blutdrucks, können zwar genutzt werden, um den mentalen Zustand von Pferden zu erforschen. Allerdings sind diese Daten oft schwer zu interpretieren, da dieselbe körperliche Reaktion durch unterschiedliche emotionale Zustände ausgelöst werden kann.
Mehr Erfolg erhofft man sich von der sogenannten „Match-to-Sample“-Methode. Diese Versuchsanordnung zur Überprüfung der Gedächtnisfunktion wurde bereits erfolgreich bei Pferden angewendet, sodass sie als vielversprechendes Mittel zur Untersuchung von Depressionen gilt.
Wie wird getestet?
Die Forscher verwenden zwei kognitive Tests, die in ähnlicher Form auch bei Menschen durchgeführt werden.
Im ersten Test werden dem Pferd zwei Bilder auf einem Bildschirm gezeigt. Berührt es das richtige Bild, wird es mit Futter belohnt.
Im zweiten Test wird zunächst ein einzelnes Bild auf dem Bildschirm angezeigt, das dann verschwindet. Anschließend erscheint es erneut, diesmal zusammen mit drei anderen Bildern. Das Pferd erhält eine Belohnung, wenn es sich an das ursprüngliche Bild erinnert und es auf dem Bildschirm mit seiner Nase berührt.
Beide Übungen testen verschiedene kognitive Mechanismen im Gehirn des Pferdes und geben Aufschluss darüber, wie gut diese Bereiche funktionieren.
Schlafmangel auf der Spur
Ein weiterer Aspekt der Forschung ist der Einfluss von Schlaf auf die geistige Leistungsfähigkeit von Pferden. Die Forscher untersuchen, ob Pferde, die schlecht schlafen, auch schlechter bei kognitiven Tests abschneiden. Dies könnte Hinweise darauf geben, wie sich veränderte Haltungsbedingungen – etwa der Umzug in einen neuen Stall oder Veränderungen in der Beleuchtung, der Einstreu, der Temperatur oder der Menge an Sozialkontakt – auf das Wohlbefinden der Tiere auswirken.
Dr. McBride betont: „Schlaf ist für das Wohlbefinden aller Tiere von grundlegender Bedeutung, doch wir berücksichtigen ihn selten, wenn wir optimale Haltungsbedingungen für Tiere schaffen. Deshalb ist es essenziell, den Schlaf genau zu messen und die kognitiven Folgen von schlechtem Schlaf zu verstehen.“
Jeder weiß, wie sich eine Nacht, in der man schlecht geschlafen hat, auf den nächsten Tag auswirkt – sowohl auf die emotionale Verfassung als auch auf die kognitive Leistungsfähigkeit.
Die Forschungsergebnisse könnten vor allem für den Pferdesport von Bedeutung sein. Wenn sich herausstellt, dass Schlafmangel die kognitive Leistung von Pferden beeinträchtigt, könnte dies Auswirkungen auf die Haltung, aber auch auf Trainingsmethoden und die Wettkampfvorbereitung haben.
Forschung soll ausgeweitet werden
In der ersten Phase des Projekts arbeiteten die Forscher mit 20 Pferden am Reitzentrum der Universität in Aberystwyth. Im nächsten Schritt soll die Studie ausgeweitet und das Verfahren an Hunderten Pferden getestet werden.