Fütterung

4 Strategien gegen lange Fresspausen und überfütterte Pferde

Ein Artikel von Pamela Sladky | 06.10.2021 - 17:19
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Rebound Effekt: Wenn Pferde lange auf ihr Futter warten müssen, schlingen sie es hinunter, wenn sie es endlich erhalten – dadurch ist das Heu schnell aufgefressen und die Pause bis zur nächsten Mahlzeit wieder extra lange. © www.slawik.com

Die Natur des Pferdes sieht vor, dass es rund zwei Drittel des Tages mit der Nahrungsaufnahme verbringt. In der Pferdehaltung kann dem Bedarf nach langen Fresszeiten am einfachsten mit einer Heufütterung rund um die Uhr nachgekommen werden. Das Problem: Die Pferde fressen auch dann noch, wenn ihr Energiebedarf längst gedeckt ist – und legen bei nicht ausreichender Bewegung übermäßig an Gewicht zu, was über Kurz oder Lang nicht ohne negative Folgen für die Gesundheit der Tiere bleibt.

Die Kunst einer pferdegerechten Versorgung besteht also darin, den Spagat zwischen ausreichend langen Fresszeiten bzw. der Vermeidung langer Fresspausen und einer bedarfsgerechten Fütterung bestmöglich zu meistern.

1. Entschleunigt fressen

Eine gute Möglichkeit, das genetisch fixierte, stark ausgeprägte Fressbedürfnis der Pferde zu befriedigen, dabei gleichzeitig aber auch dafür zu sorgen, dass sie nicht völlig außer Form geraten, sind sogenannte Slow Feeder. Engmaschige Heunetze, Futterraufen mit speziellen Gittern, Heutonnen und dergleichen sorgen dafür, dass die Menge Heu im Maul geringer wird, das Pferd gleichzeitig aber mehr kauen muss. Dieser Umstand beruht auf dem Prinzip, dass jedes Pferd beim Heufressen eine eigene Kaufrequenz hat, und zwar ganz unabhängig davon, ob die aufgenommene Einzelportion groß oder klein ist. Wird Heu lose vom Boden gefressen verschwinden pro Minute 25 Gramm im Pferdemaul. Mithilfe eines Slow Feeders, aus dem das Pferd mit mehr Mühe nur einzelne Halme zupfen kann, lässt sich dieser Wert auf 11 Gramm reduzieren. Kauen muss es dabei aber unentwegt, auch wenn sich weniger Heu im Maul befindet. Das ist zum einen gut für den Magen, denn mehr Kauen erhöht auch die Bildung von Speichel, der wie ein Puffer auf die Magensäure wirkt. Zum anderen tritt schneller ein Sättigungsgefühl ein. Dieses ist beim Pferd nämlich nicht von der Menge des gefressenen Futters abhängig, sondern von der Anzahl der Kaufschläge, die es bei der Aufnahme seiner Nahrung absolviert.

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Preisgünstiger Klassiker unter den Slow Feedern: das Heunetz
© www.Slawik.com

So praktisch Slow Feeder sind, sie haben auch ihre Tücken. Geschickte Pferde perfektionieren ihre Fresstechnik binnen kürzester Zeit so weit, dass sie beinahe ebenso effizient aus dem Slow Feeder fressen, wie vom Boden weg. Andere Futtervorrichtungen verlangen den Pferden eine spezielle Haltung ab, die sich mit der Zeit negativ auf den Bewegungsapparat auswirken kann. Und auch die Zähne werden bei manchen Slow Feedern in Mitleidenschaft gezogen. Hier ist es wichtig, eine individuell passende Lösung für das jeweilige Pferd zu finden und Slow Feeding Systeme mit einer losen Heufütterung bzw. auch untereinander abzuwechseln.

2. Viele kleine Portionen

Lange und ungesunde Fresspausen lassen sich vermeiden wenn die Gesamtfuttermenge über den gesamten Tag hinweg auf viele einzelne Portionen aufgeteilt werden. Haben Pferde die Wahl, nehmen sie über den Tag hinweg zehn Mahlzeiten zu sich. Aber wer hat schon die Zeit täglich im Zwei-Stunden-Takt zu füttern? Ganz einfach lässt sich der damit verbundene Aufwand mit zeitgesteuerten Fütterungssystemen minimieren. Zu den gängigsten Vorrichtungen zählen chipgesteuerte Futterautomaten sowie elektronische Heuraufen oder Heuboxen. Zeitgesteuerte Systeme Marke Eigenbau lassen sich mit etwas handwerklichem Geschick noch vergleichsweise günstig umsetzen, für Profiraufen und Futterautomaten muss man dagegen schon deutlich tiefer in die Tasche greifen. Für die Pferde und den Arbeitsaufwand stellen sie jedoch eine nahezu optimale Lösung dar.

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Mit einer elektronisch gesteuerten Fütterung können viele kleine Portionen über 24 Stunden verteilt werden. © www.Slawik.com

3. Stroh zum Knabbern          

Eine weitere Option, die Fresszeiten zu verlängern ohne zu viel Kalorien zuzuführen, ist gutes Stroh bereitzustellen – entweder in Form von fressbarer Einstreu, in einer extra Strohraufe oder einem umfunktionierten Heunetz. Wer Stroh als Einstreu nutzt, sollte den Stall vor der längsten Futterpause – meist die Nacht – ausmisten und frisch einstreuen. Durch Urin und Mist verunreinigte Einstreu vergällt selbst dem hungrigsten Pferd den Knabberspaß.

Immer wieder wird auch empfohlen Heu mit Stroh zu mischen, um die Fresszeit zu verlängern und den Kaloriengehalt zu senken. Dass diese Strategie gut funktioniert, zeigt eine Studie schottischer Wissenschaftler:innen. Darin wurde eine Herde ganzjährig in Weidehaltung lebender Ponys in zwei Gruppen geteilt. In Gruppe eins erhielten die Ponys ausschließlich Heu, in Gruppe zwei dieselbe Menge an Raufutter, allerdings bestehend aus einem 50/50-Gemisch aus Heu und Gerstenstroh. Alle Ponys in der Heu-Stroh-Gruppe speckten bis zum Frühling etwas ab, im Durchschnitt verloren sie etwa 5 % ihres Körpergewichts. Anders die Gruppe mit ausschließlicher Heufütterung. Dort nahmen die meisten Tiere nicht nur nicht ab, sondern legten über die Wintermonate sogar noch etwas zu. Zudem beobachteten die Wissenschaftler:innen, dass die Ponys, die den Heu-Stroh-Mix vorgelegt bekamen, deutlich länger an ihrer Ration fraßen und sogar Stroh übrig ließen.

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Im Strohbett lässt sich nicht nur gut schlafen, es taugt auch zum Zeitvertreib, bis wieder Futter kommt. © www.Slawik.com

Trotz dieser guten Erfolge sollte man es mit der Strohfütterung nicht übertreiben. Nicht alle Pferde vertragen das Raufutter gleichermaßen gut. Eine zu hohe Strohaufnahme kann Verdauungsprobleme hervorrufen, die von Kotwasser bis von zu Verstopfungskoliken reichen. Eine mögliche Alternative für Strohmuffel und futtersensible Pferde bietet Luzerne. Verglichen mit Heu hat Luzerne eine gröbere Struktur und muss daher sorgfältiger gekaut werden, gleichzeitig enthält sie deutlich weniger Zucker und Stärke und ist daher auch für vorbelastete Pferde mit Stoffwechselproblemen in Maßen geeignet.

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Gesunder Knapperspaß für Pferde

Knabberspaß bieten abseits von Stroh auch Knabberäste und Sträucher. Was es bei der Vorlage von Hölzern zu beachten gilt und welche sich besonders gut als gesunder Nagespaß eignen, lesen Sie hier.

4. Futter to go

In der Natur ist die Nahrungsaufnahme an kontinuierliche langsame Bewegung gekoppelt. Bei ihrer Futtersuche legen Pferde in freier Wildbahn viele Kilometer zurück. Dieses Prinzip lässt sich zumindest teilweise auch in der Pferdehaltung umsetzen. Zum Beispiel mit Heu-to-go, einem beweglichen Heukarussell. Dank eines sehr leichtgängigen Drehkreuzes, an dem Heubehälter befestigt werden, werden die Pferde beim Fressen zu beständigen Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen veranlasst. Auf diese Weise kommt nicht nur Bewegung in den Pferdealltag, durch die frei schwingenden Heubehältnisse werden auch einer einseitigen Fresshaltung vorgebeugt. Das Heukarussell ist damit eine gute Ergänzung zur stationären Heufütterung.

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Mit dem Heukarussell "Heu to go" komtm Bewegung in die Futteraufnahme. © Hollergarten

Mehr Bewegung in die Futteraufnahme lässt sich auch durch eine Raufutterstation mit variablem Futterzugang bringen. In einer 2016 veröffentlichten Studie testeten australische Forscher an acht Moppelponys ein dynamisches Fütterungssystem. Die selbstgebaute Raufutterstation war mit zwei Schiebetüren ausgestattet, die sich in Abständen von jeweils fünf Minuten abwechselnd öffneten bzw. schlossen. Wollten die Ponys weiter fressen, mussten sie erst auf die andere Seite der Heuraufe wechseln, wobei der Weg zum Futter durch einen Zaun zusätzlich verlängert wurde.

Nach einer sechsmonatigen Testphase - davon dreien mit der dynamischen Futterraufe im Einsatz – verglichen die Forscher die Daten. War die Raufutterstation mit den alternierend geöffneten Seiten zweimal täglich für zwei Stunden aktiviert, bewegten sich die Ponys täglich durchschnittlich 3,7 mal mehr, als wenn eine Seite der Raufe dauerhaft geöffnet war. Die direkte Auswirkung der gesteigerten Mobilität: ein besserer Body Condition Score (BCS), weniger Fetteinlagerungen entlang des Pferdehalses und eine Verringerung des Körperfettanteils.