Recht

Deutschland: Pferdebesitzerin haftet für Verletzung von Fremdreiterin

Ein Artikel von Redaktion | 13.06.2022 - 18:36
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Pferdebesitzer:innen müssen für die Behandlungskosten aufkommen, wenn ihr Tier einen anderen Reiter abwirft. (Symbolfoto) © www.Slawik.com

Im Winter 2017 bat die Beklagte eine Miteinstellerin, ihr Pferd – eine damals dreijährige Stute – ab und an unter dem Sattel zu bewegen. Sie selbst war zu diesem Zeitpunkt schwanger und konnte deshalb nicht in den Sattel steigen. Am 4. Dezember kam es zu einem folgenschweren Zwischenfall: Die Mutter der Miteinstellerin wurde während eines Ausrittes von der dreijährigen Stute abgebuckelt. Sie kam dabei zu Sturz und brach sich den Arm, wodurch Behandlungskosten in Höhe von rund 5.000 Euro entstanden.


Krankenversicherung klagt

Diesen Betrag forderte die Krankenversicherung der Geschädigten von der Pferdebesitzerin ein. Letztere verweigerte die Zahlung mit der Begründung, sie habe ihr Pferd nicht der Verunfallten, sondern deren Tochter anvertraut. Davon, dass auch die Geschädigte das Pferd reiten würde, habe sie keine Kenntnis gehabt. Die Geschädigte habe sich also eigenverantwortlich gefährdet und den Reitunfall selbst verschuldet; daher sei auch kein Schadensersatz zu zahlen.


"Selbstgesteuertes" Pferd macht Besitzerin haftbar

Das Landgericht Koblenz, vor dem der Fall letztlich landete, sah das anders. Nach einer Vernehmung der gestürzten Reiterin und ihrer Tochter zeigte sich die Richterin überzeugt, dass der Beklagten durchaus bekannt war, dass auch die Geschädigte sich um das junge Pferd kümmerte. Außerdem sei nachgewiesen, dass die Reiterin tatsächlich abgeworfen worden war, als die Stute plötzlich den Kopf zwischen die Beine nahm und mehrfach buckelte. Als Tierhalterin hafte die Beklagte für die Schäden, die ihr Pferd dadurch verursacht habe. Denn in diesem Fall habe sich eine typische „Tiergefahr“ verwirklicht. Ein Pferdehalter, so das Gericht, sei für die Folgen eines Reitunfalls immer dann verantwortlich, wenn sich das Tier „selbstgesteuert“ verhalte und es dadurch zum Unfall komme. Folgt das Pferd hingegen dem Willen des Reiters und es kommt trotzdem zu einem Unfall, fehlt die Tiergefahr und der Pferdehalter haftet nicht.
 

Verzicht auf Schadensersatzanspruch gilt nicht

Der Verzicht der Reiterin auf etwaige Schadensersatzansprüche wurde vor Gericht übrigens nicht angenommen. Man könne nicht unterstellen, dass die Geschädigte der Beklagten einen solchen Gefallen habe tun wollen, der letztlich nur der hinter der Beklagten stehenden Versicherung zugutekomme.

Auch sei der Schadensersatzanspruch nicht wegen eines eigenen Verschuldens der Geschädigten zu kürzen. Diese habe sich lediglich einer „normalen Tiergefahr“ ausgesetzt. Man könne nur demjenigen eigenes Verschulden vorwerfen, der beim Umgang mit einem Tier bewusst Risiken übernehme, die über die gewöhnlich zu erwartenden Gefahren hinausgehen. Das sei hier nicht der Fall gewesen, denn die seit 40 Jahren reiterfahrene Verunfallte habe die Stute bereits von vergangenen Ausritten her gekannt hatte und keinen Anlass gehabt habe, den Ausritt am 04.12.2017 als besonders gefährlich einzuschätzen, so das Gericht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung Landgericht Koblenz

Hinweis
Aufgrund der Internationalität unserer Online-Medien wurde das Urteil des Landgerichts Koblenz am Montag (13. 6. 2022) in Form einer adaptierten Pressemitteilung veröffentlicht. Wir möchten dies als Information für die große Zahl unserer deutschen Leser:innen verstanden wissen. Offenbar kam es hier jedoch zu Missverständnissen, deshalb sei darauf hingewiesen, dass sich die Rechtslage in Österreich deutlich von jener unserer Nachbarn unterscheiden kann, was insbesondere bei Haftungsfragen der Fall ist.