Am 5. Mai 2023 kam es bei einem Springturnier in Lamprechtshausen zu einem folgenschweren Zwischenfall: In einer internationalen Juniorenprüfung kam eine junge Reiterin am fünften Sprung des Parcours nach einer Verweigerung ihres Schimmels zu Sturz. Dabei rutschte der Zaum vom Kopf des Pferdes und geriet zwischen dessen Vorderbeine, was den Wallach dazu veranlasste, in gestrecktem Galopp die Flucht zu ergreifen. Als er über die Reitplatzbegrenzung auf den Asphalt sprang, rutschte er aufgrund mangelnder Bodenhaftung direkt in den Container der Meldestelle. Das Pferd geriet in Panik und verletzte Matthias Eckmayer, den Leiter der Meldestelle, schwer.
Eckmayer musste mit einem Schädelbruch und weiteren Verletzungen ins Krankenhaus überstellt werden. Heute ist der 44-Jährige aus Lassee (NÖ) zu 50 % invalide, er kann nur noch eingeschränkt arbeiten, leidet unter Tinnitus und Konzentrationsproblemen und kann, wie er im Gespräch mit der Krone verriet, nur noch mit Medikamentenhilfe schlafen.
Trotz der schweren Folgen haftet nach aktuellem Stand niemand für den Unfall. Vor einem Kärntner Gericht wurde die Ansicht der Versicherung des Pferdehalters bestätigt: Ihm ist kein Verschulden vorzuwerfen und die Haftung damit abzulehnen. Doch wie kann das sein? Werden nicht genau für solche Fälle Haftpflichtversicherungen abgeschlossen? Dazu haben wir den auf Pferderecht spezialisierten – inzwischen emeritierten – Rechtsanwalt Dr. Peter Lechner befragt.
Herr Dr. Lechner, viele sind der Meinung, als Pferdehalter hafte man grundsätzlich für Verletzungen und Schäden, die das Pferd anrichtet. Das scheint so nicht ganz richtig zu sein, wie der aktuelle Fall zeigt.
Grundsätzlich unterscheidet man in diesem Zusammenhang zwei Arten von Haftung, zum einen die Verschuldenshaftung und zum anderen die Gefährdungshaftung. Die Verschuldenshaftung erfordert, dass der Schädiger den Schaden rechtswidrig oder schuldhaft, z. B durch ein Fehlverhalten, verursacht hat.
Die Gefährdungshaftung im Zusammenhang mit Tieren stellt keine „volle“ Gefährdungshaftung dar, wie es z. B. im Kfz-Bereich der Fall ist. Sie ist eher eine Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr. Hier muss der Tierhalter beweisen, dass er objektiv für die ordnungsgemäße Verwahrung oder Beaufsichtigung des Tieres gesorgt hat.
Am leichtesten lässt sich die Gefährdungshaftung im Zusammenhang mit einer Entscheidung des OGH aus 2010 erklären. Ein Trabrennfahrer wollte mit seinem Pferd ausfahren, öffnete die Tore seines Anwesens und fuhr los. Kurz darauf verlor er jedoch das Bewusstsein und stürzte vom Wagen. Das Pferd rannte auf die Straße und stieß mit einem Auto zusammen, an dem ein Sachschaden entstand. Hier wurde eine Haftung des Tierhalters, also des Trabrennfahrers, festgestellt, weil es ihm nicht gelungen ist nachzuweisen, dass er die objektiv gebotene Sorgfalt eingehalten hat. Hier lag eine objektive Sorgfaltsverletzung vor, weil das Pferd nach dem Kollaps des Mannes unbeaufsichtigt und wegen des geöffneten Tores nicht verwahrt war.
Der zweite sehr bekannte Fall einer Gefährdungshaftung betrifft eine junge Dame, die mit ihrer Haflingerstute nach dem Reiten außerhalb des Stallgeländes grasen war. Aus unbekannten Ursachen scheute das Pferd, der Führstrick riss und die Stute lief in Richtung Stall. Dabei kollidierte sie mit einem Mopedfahrer. Auch hier lag nach Ansicht des OGH eine objektive Sorgfaltsverletzung vor, weil sich die Pferdehalterin beim Grasen ihrer Stute nicht in einem umzäunten Bereich aufgehalten hat. Wobei diese Entscheidung aus meiner Sicht sehr strittig ist.
Und wie sieht es im gegenständlichen Fall aus Lamprechtshausen aus?
Im gegenständlichen Fall ist nach meinem Dafürhalten eine Verschuldenshaftung auszuschließen, denn hier müsste man nachweisen, dass die Reiterin, also die Tochter des Pferdebesitzers, von vornherein völlig ungeeignet gewesen ist, das Pferd in dieser Prüfung zu reiten.
Wenn man die Causa von der Pferdeseite her betrachtet, dann müsste der Pferdehalter beweisen, dass er die objektive Sorgfalt eingehalten hat. Da sind ihm zwangsläufig auch die Reaktionen seiner Tochter zuzurechnen. Hier gilt es vom Sachverständigen festzustellen, ob die Reiterin diesem Parcours von ihrem Können her gewachsen war. Gleichzeitig muss man aber auch ehrlicherweise sagen: Runterfallen kann jedem passieren. Ob man hier nachweisen kann, dass die objektiv gebotene Sorgfalt nicht eingehalten worden ist, ist sehr zweifelhaft.
Nachdem jetzt in erster Instanz festgestellt worden ist, dass eine Tierhalterhaftung ausscheidet, müsste eigentlich die Haftpflichtversicherung des Veranstalters eintreten. Hier wäre zu klären, ob der Bereich der Meldestelle ausreichend gesichert war.
Eine Frage, die sich nun viele stellen: Wenn ein Pferd beim Ausreiten z. B. wegen eines auffliegenden Vogels scheut, seinen Reiter abwirft und mit einem Auto kollidiert – wie sieht in einem solchen Fall die Haftungsfrage aus?
In Österreich gibt es keine Erfolgshaftung, wie das in Deutschland der Fall ist (Anm.: Der Schadensverursacher muss im Falle einer Erfolgshaftung immer für den entstandenen Schaden aufkommen, ohne dass er eine Möglichkeit hat, sich von der Haftung zu befreien). Bei uns gibt es, wie bereits erwähnt, entweder eine Verschuldenshaftung oder eine Gefährdungshaftung. Bei der Verschuldenshaftung muss ein Verschulden nachgewiesen werden, also dass zum Beispiel der Reiter das Pferd geschlagen hat, und es deshalb durchgegangen ist. Oder eben die Gefährdungshaftung, dass man feststellt, objektiv gab es einen Fehler, weil das Pferd zum Beispiel mit Halsriemen geritten wurde und so von seinem Reiter nicht ausreichend unter Kontrolle gehalten werden konnte. Wenn aber keine objektive Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden kann, dann ist das einer der immer seltener werdenden Fälle, wo man sagen muss, hier hat niemand Schuld, es war einfach Pech.
Was raten Sie Menschen, die sich regelmäßig im Umfeld von Pferden bewegen, damit sie im Fall des Falles nicht ähnlich unverschuldet mit einem Schaden alleingelassen werden?
Man sollte auf jeden Fall eine Unfallversicherung abschließen. Wenn man mit Pferden zu tun hat, kann immer etwas passieren. Und ab 40 bricht man sich hundertprozentig etwas, wenn man vom Pferd fällt.
Vielen Dank für das Gespräch.