Studie

Geschlechterunterschiede: Pferde sind bei Frauen vertrauensvoller, bei Männern gehorsamer

Ein Artikel von Pamela Sladky | 04.05.2021 - 13:06
holsteiner_carabelle82083.jpg

Pferde reagieren unterschiedlich auf Männer und Frauen. © www.Slawik.com

In einer groß angelegten Umfrage wurden die Daten von knapp 1.500 Pferden aus 33 Ländern der Welt und ihren Besitzer*innen und Pflegepersonen erfasst. Da die Fragebögen rund 300 Fragen zu unterschiedlichsten Themen enthielten, war den teilnehmenden Personen nicht bewusst, dass die Untersuchungen der Forscher primär auf geschlechterspezifisches Verhalten von Pferden im Umgang und beim Reiten abzielten.

Dieselbe Umfrage hatte im Vorjahr bereits zutage gefördert, dass es beim Reiten kaum geschlechterspezifische Unterschiede zwischen Wallachen und Stuten gibt. Den Ruf, besonders schwierig im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen zu sein, haben Stuten demzufolge völlig zu Unrecht. (Mehr darüber lesen Sie hier.)

Anders sieht die Sache in Verbindung mit männlichen oder weiblichen Personen aus. Denn Pferde scheinen tatsächlich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu machen, wie das Forscherteam um Studienleiterin Kate Fenner nach Auswertung der Umfragedaten herausfand.
 

Männlicher Gang schreckt Pferde ab

So scheinen Pferde, die hauptsächlich von Männern geritten und umsorgt werden, öfters Schwierigkeiten beim Holen von der Koppel zu machen. Sie lassen sich weniger leicht einfangen und legen eine Vermeidungshaltung an den Tag. Beides spricht dafür, dass sie sich ihrem Menschen weniger gerne anschließen und dem nachfolgenden Procedere (pflegen, reiten, etc.) eher entgehen möchten. Ein Auslöser für dieses Verhalten könnte sein, dass diese Pferde im Laufe ihres Lebens bereits schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht haben und ihnen gegenüber allgemein Vorbehalte haben. Einen möglichen weiteren Grund orten Fenner und ihre Kolleg*innen im eher dominanten Auftreten der Männer. Sie vermuten, dass es Pferde als Beutetierart vorziehen, wenn man sich ihnen langsam und in einer devoten Haltung nähert und Augenkontakt vermeidet. Ein starker Gang verbunden mit der Fixierung des Pferdes mit dem Blick würde eher den Fluchtreflex bzw. Abwehrverhalten auslösen.
 

Frau haben eher Probleme mit der Anlehnung

Ist das Pferd erst einmal eingefangen, scheinen männliche Reiter allerdings weniger Probleme zu haben – ganz besonders wenn es um das Thema Anlehnung geht. Wie die Auswertung der Umfrage ergab, zeigten Pferde, die vorrangig von Frauen geritten und umsorgt wurden, deutlich häufiger Abwehrverhalten gegen den Zügelkontakt als „Männerpferde“. „Frauenpferde“ tendieren demnach eher dazu gegen die Hand zu gehen, sich im Hals fest zu machen und auf dem Zügel abzustützen oder mit dem Kopf zu schlagen. „Es sieht so aus, als würden sich Pferde, die von Männern geritten werden, eher ihrer Aufgabe fügen. Mag sein, dass das daran liegt, dass Männer unerwünschtes Verhalten schneller korrigieren“, mutmaßt Kate Fenner im Gespräch mit TheHorse.com. Möglich sei aber auch, dass Männer, die körperlich in der Regel stärker sind als ihre Kolleginnen, insgesamt mit mehr Spannung am Zügel reiten, weshalb Pferde weniger leicht mit Abwehr reagieren können – oder wollen.

Die Quintessenz der Studie lautet also, dass Pferde Männern in der Regel weniger Vertrauen entgegenbringen als Frauen, bei ihnen aber folgsamer sind. Und was bedeutet das für die Praxis? Dass wir das Verhalten des Pferdes selbst erheblich beeinflussen, meint Kate Fenner. "Alles, was wir darüber lernen, wie sich unser Verhalten - als Reiter und Trainer, als Männer und Frauen - auf das Pferd auswirkt, erinnert uns nur daran, dass das Verhalten von Pferden vor allem in unserer Verantwortung liegt", ist die Verhaltensbiologin überzeugt. "Es ist das Ergebnis dessen, was wir getan haben - und was das Pferd von uns als nächstes erwartet. Wir müssen sicherstellen, dass ihre zukünftigen Erfahrungen positiv sind, dass sie von sich aus gerne zu uns kommen, umsorgt und geritten werden wollen und dass sie diese Interaktion gut erleben. Dann kann die Verbindung zwischen Pferd und Mensch auch eine erfolgreiche sein.“