Europameisterschaften Rotterdam

Deutschland holt Gold, Österreich verpasst Olympia-Quali, Dujardin disqualifiziert

Ein Artikel von Ernst Kopica | 20.08.2019 - 17:48
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Isabell Werth und Bella Rose sicherten dem deutschen Team mit der Tagesbestwertung von 85,562 Prozent überlegen Mannschafts-Gold.
© FEI/Liz Gregg

Astrid Neumayer lag mit ihrem neuen Championatspferd, dem elfjährigen Sir Simon, über weite Strecken ihres Grand Prix auf „Kurs 72 Prozent“. Aber dann unterlief ihr ein sehr teurer Fehler. „Am Ende der Zick-Zack-Traversale habe ich leider eine falsche Entscheidung getroffen. Ich wollte noch einen Sprung geradeaus reiten, damit der Wechsel genau passt. Allerdings war ich da schon knapp an der Wand dran. Trotzdem bin ich noch einen Galoppsprung nach vorne geritten. Das war klar die falsche Entscheidung. Simon ist in den Kreuzgalopp gesprungen und ich musste ihn erst ausbalancieren. Da haben die Einerwechsel im Anschluss natürlich auch gelitten. Ich hätte mehr auf meinen Bauch hören und mir nicht groß Gedanken machen sollen.“ Nach diesem Malheur war die gute Tendenz des Paares dahin, Neumayer und ihr Fuchswallach rasselten auf 68,727 Prozent, was letztlich das Streichergebnis für Team Austria bedeutete.

Auch wenn sich Astrid Neumayer natürlich mehr erhofft hat, ihrem Auftreten in Rotterdam kann sie dennoch positive Seiten abgewinnen: „Ich habe Sir Simon seit eineinhalb Jahren und bin mit ihm im Jänner zum ersten Mal auf einem Turnier gestartet. Er ist von Ulla Salzgeber super ausgebildet worden und ich bin eigentlich sehr froh, wie er sich in diesem Stadion präsentiert hat. Das war für mich im Vorfeld ja eine große Unbekannte. Im Gegensatz zu ihm war 'Rodi' (ihr bisheriges Championatspferd Rodriguez Anm.) ja immer ein bisschen ein Schlitzohr. Die heutigen beiden Fehler waren einzig und allein meine Schuld.“

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Astrid Neumayer und Sir Simon glänzten mit einer super Trab-Tour, bei der sie im Trend zeitweise sogar auf über 74 Prozent lagen. © Tomas Holcbecher

Bacher im Spezial

Die von heftigen Regenschauern durchsetzte Dressur-Konkurrenz ging bereits in die Finalphase, als Florian Bacher mit dem erst zehnjährigen Fidertraum einritt. Es wäre schon ein mittleres Wunder gewesen, wenn er das Ruder für Österreich noch herumreißen hätte können. Aber eine verpatzte Linkspirouette setzte diesem Traum endgültig ein Ende.

„Die Pirouette hat uns leider gute Punkte gekostet, aber ich bin trotzdem happy über mein erstes Championat,“ analysierte Bacher, der in der letzten Gruppe gemeinsam mit großen Namen wie Isabell Werth und Charlotte Dujardin startete. Seine 70,171 Prozent waren zwar das beste Ergebnis des heimischen Teams, aber mit Rang zwölf verpasste Österreich die Olympiateilnahme am Ende doch klar. Dänemark, Irland und Portugal dürfen sich nunmehr auf Tokio 2020 freuen. „Es wäre mein Ziel gewesen in den Grand Prix Spécial der besten 30 zu kommen. Da ist es natürlich enttäuschend, dass es um 0,295 Prozent nicht reicht.“

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In der Rechtspirouette hat wieder alles gepasst für Florian Bacher und Fidertraum. © Tomas Holcbecher | www.holcbecher.com

Drama um Charlotte Dujardin

Was Bacher zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Großbritanniens Star-Reiterin Charlotte Dujardin und ihre WM-Bronzemedaillengewinnerin Mount St John Freestyle wurden im Anschluss an ihren Ritt disqualifiziert. Nachdem das Paar mit 81,924 Prozent den zweitbeste Runde des Bewerbs abgeliefert und die Briten schon die Silbermedaille feierten, verschwand das Paar plötzlich von der Anzeigetafel. Der Grund: Bei der Routinekontrolle nach dem Ritt wurde an Freestyles linker Flanke im Bereich des Sporns Blut entdeckt. Wenig später wurde das Paar der „blood rule“ entsprechend aus der Wertung genommen.

Was für Dujardin und das britische Team ein Riesen Desaster bedeutete - statt dem sicher geglaubten Silber rutschte die Equipe auf Rang vier zurück, für Dujardin ist die EM gelaufen - wurde für Bacher zum Glücksfall. Der Steirer rutschte so von Rang 31 auf Platz 30 und darf damit am Donnerstag im Spécial doch noch an den Start gehen.

Über Fidertraum meinte er sichtlich stolz: „Er war trotz aller Anspannung sehr locker und das alles in seiner ersten Grand Prix Saison. Da darf er auch mal einen Fehler machen. Eigentlich hat ihn meine Frau vierjährig als ihr Nachwuchspferd gekauft. Es war ursprünglich nie der Plan, dass er auf solchen Championaten startet. Sie hat ihn mir dann dankenswerterweise ein halbes Jahr später überlassen und ich bin froh, dass es nun so läuft und ich von ihr und der ganzen Familie so eine Unterstützung bekomme.“

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Dürfen im Spécial noch einmal ran: Florian Bacher und Fidertraum
© Tomas Holcbecher | www.holcbecher.com

Deutschland konkurrenzlos

Der Kampf um Gold war eigentlich nie wirklich einer, denn die deutsche Mannschaft mit Jessica von Bredow-Werndl (Dalera), Dorothee Schneider (Showtime), Sönke Rothenberger (Cosmo) und Isabell Werth (Bella Rose) beherrschte von Anfang an die Konkurrenz. Großbritannien hätte ohne die Disqualifikation Dujardins ebenso unangefochten Silber geholt, so setzte sich jedoch Gastgeberland Niederlande (Silber) haarscharf vor Schweden (Bronze) durch.

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Deutschlands Gold-Mannschaft auf der Ehrenrunde © FEI/Liz Gregg

Kommentar
Seltsames in Oranje

Gewöhnungsbedürftig ist das Ambiente der Reitanlage von Kralingse Bos in Rotterdam. Auf jeden Fall ist die Rotterdam-Arena, auf der jährlich das niederländische CHIO-Turnier stattfindet, reich an Historie. 1937 wurde das erste Mal ein Reittrurier in der „Rotterdamschen Manège“ veranstaltet. Auch Prinz Bernhard nahm nach dem zweiten Weltkrieg hier insgesamt zehn Mal an Reitturnieren teil. Originell präsentierte sich die Inschrift auf dem Pokal, den der skandalträchtige Prinzgemahl zur Erinnnerung daran erhielt: „Dieser Pokal enthält die Namen der Pferde, die du in Rotterdam geritten bist inklusive der Namen jener Pferde, von denen du runter gefallen bist.“