FEI Generalversammlung

Kritik verhallt: Umstrittenes Olympia-Format auch in Paris 2024 gültig

Ein Artikel von Redaktion | 18.11.2021 - 16:01
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Kein Problem war die umstrittene Dreier-Regel für das schwedische Spring-Team. Auch ohne die Möglichkeit auf ein Streichresultat ritten Malin Baryard-Johnsson (Bild), Peder Fredricson und Henrik von Eckermann in Tokio souverän zu olympischem Mannschafts-Gold. © Photo FEI / Arnd Bronkhorst

Schon lange vor den Tokio-Spielen hatten viele Bedenken geäußert, dass nur drei Reiter pro Team und damit der Verzicht auf ein Streichergebnis dem Pferdewohl nicht gerade zuträglich sein würden. In Japan bewahrheiteten sich die Befürchtungen vor allem im Springen dann vor laufender Kamera: Es kam zu unschönen Bildern in der Reitsportarena, die nicht nur in den allgemeinen Medien breitgeschlagen wurden, sondern insbesondere Fragen zu Pferdewohl und Ethik im Pferdesport aufwarfen.
 

Guerdat findet klare Worte

Vor der Abstimmung an der FEI-Generalversammlung nahm sich der Schweizer Springreiter Steve Guerdat als Vertreter des International Jumping Riders Club (IJRC) kein Blatt vor den Mund, um den Vertreterinnen und Vertretern der anwesenden Nationalen Verbände offen die Schwächen des neuen Wettkampfformats dazulegen. „Zum einen kam es zu Konflikten mit dem Pferdewohl: Wir sahen zu viele unschöne Bilder von Reitern, die nicht das Niveau für Olympische Spiele hatten. Zum anderen bin ich der Überzeugung, dass ein Reiter niemals in die Situation kommen darf, dass er seinen Parcours beenden muss – genau das aber passiert mit dem neuen Format: Beendet der Reiter seine Runde nicht, scheidet das Team aus.“

Trotz des Appells vieler Spitzenreiter:innen konnte sich die Rückkehr zum früheren Olympia-Format mit vier Pferd-Reiter-Paaren nicht durchsetzen. Am Ende lautete das Abstimmungsergebnis 30 zu 70 bei einer Enthaltung. Somit wird es auch in Paris 2024 in allen olympischen Pferdesportdisziplinen Dreierteams im Mannschaftswettbewerb geben.

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Der Schweizer Steve Guerdat hatte in der Vorbereitungssitzung der Generalversammlung deutliche Kritik an der Dreier-Regel geäußert.
© FEI/Dirk Caremans

Dass die Abstimmung in diese Richtung gehen würde, war allerdings zu erwarten gewesen. Bereits im Vorfeld der Generalversammlung war kommuniziert worden, dass der Reitsport nur olympisch bleiben könne, wenn viele Nationen an den Bewerben teilnehmen – eine Forderung, die an die Dreierteam-Regel gebunden ist.

Die Deutsche FN, die sich im Vorfeld der FEI-Generalversammlung zusammen mit den Verbänden der Europäischen Reiterlichen Vereinigung (EEF) erneut für eine Rückkehr zum Format mit vier Pferd-Pferd-Paaren und einem Streichergebnis pro Team ausgesprochen hatte, zeigte sich ob des Votums enttäuscht. „Wir stellen besonders hohe Ansprüche an den Tierschutz im Pferdesport. Das Format mit Streichergebnis ist pferdefreundlicher, denn es nimmt den Druck von Reitern, wenn sie Fehler gemacht haben oder eine schlechte Runde zum Wohle des Pferdes nicht fortsetzen möchten. Mit einem Streichergebnis könnte die Mannschaft den Wettbewerb auch dann mit Erfolgsaussichten fortsetzen, wenn ein Reiter-Pferd-Paar ausgeschieden ist“, sagte FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach.
 

Diskussion wichtig

Aus Sicht des Schweizer Verbandes, der sich ebenfalls vehement für die Rückkehr zum alten Format stark gemacht hatte, war die Diskussion dennoch wichtig, denn sie werde „in weitere Entscheidungen einfließen, damit das sportliche Niveau der Teilnehmenden durch entsprechende Mindestanforderungen für die Qualifikation (Minimum Eligibility Requirements, MER) sichergestellt wird“, meinte SVPS-Geschäftsführerin Sandra Wiedmer. Für den Erhalt der Dreier-Team-Regel hätten mehrheitlich Länder gestimmt, die im Pferdesport derzeit nicht mit der Weltspitze mithalten können – vermutlich deshalb, weil sie „sich mit diesem Format größere Chancen auf eine Olympia-Teilnahme ausrechnen“, so Wiedmer.

Im Rahmen der Generalversammlung wurde entschieden, wie die Quoten für die Nationen je nach Ländergruppe erreicht werden können. Alle Details zum Wettkampfformat und die konkreten MER, d. h. die Kriterien, die die Athlet:innen und Athleten erfüllen müssen, werden erst im kommenden Jahr diskutiert.

Und hier gibt es noch einiges an Gesprächsstoff. Nayla Stössel, die im SVPS-Vorstand für internationale Angelegenheiten zuständig ist, kommentiert das Dilemma der FEI so: „Im Endeffekt ist es ein Zielkonflikt zwischen dem Anspruch des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf Universalität und dem Anspruch der großen Reitsportnationen auf Top-Sport. Öffnet sich die Schere des Leistungsniveaus der Olympiateilnehmenden zu sehr, sinkt entweder die sportliche Qualität oder es wird wahnsinnig anspruchsvoll für den Parcoursbauer im Springen und Eventing, allen Reiterinnen und Reitern gerecht zu werden. Werden die MER aber hoch angesetzt, wird das vom IOC definierte Ziel der Universalität nicht erreicht, da schwächere Pferdesportnationen die Leistungsanforderungen an ihren Quotenplatz nicht füllen können.“

Auf den Weltreiterverband, die Nationalen Verbände und die Reiter:innen kommen in den nächsten Monaten also noch einige Diskussionen zu.

Quelle: Pressemitteilungen SVPS, FN