ERNST GRIEBNITZ IM PORTRÄT

„Der Pferdesport übertaucht alles!“

Ein Artikel von Eva Morawetz | 31.03.2023 - 11:39
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Dr. Ernst Griebnitz stand 30 Jahre lang dem Salzburger  Pferdesportverband vor. Sein Motto: „Solange man noch miteinander reden kann, ist alles in Ordnung.“ © OEPS/Andreas Schaad

Ernst Griebnitz ist nichts Menschliches fremd. Vor allem nicht die Schattenseiten der Spezies, mit denen er sich in seiner fast drei Jahrzehnte währenden gutachterlichen Tätigkeit als forensischer Psychiater intensiv auseinandergesetzt hat. So etwas muss Spuren hinterlassen, denkt man. Hat es auch, aber anders als vermutet: Man begegnet einem heiteren, in sich ruhenden, sehr zugewandten und offenen Menschen, der häufig lacht, am meisten über sich selbst. Das Wichtigste war ihm immer: Menschen zu verstehen, im Gespräch zu bleiben.

Mit Menschen zu reden, ihre Beweggründe zu begreifen und vermittelnd zu wirken, waren aber nicht nur wesentliche Triebfedern in Studium und Beruf. Auch in seiner 30-jährigen ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident des Salzburger Pferdesportverbandes war es vor allem dies, was ihm am Herzen lag: das Miteinander-reden-Können, auch und gerade, wenn die Interessen auseinanderdrifteten und die Gefühlswellen hoch gingen. „Als ich Präsident wurde, waren meine Voraussetzungen alles andere als optimal: Ich war im Sport sehr mäßig erfolgreich, ich war wirtschaftlich nicht sehr begütert, und ich hatte eine Lobby, die aus psychisch kranken Rechtsbrechern bestand, was mir als Sportpräsident überhaupt nicht behilflich war. Das Einzige, was mir wirklich extrem geholfen hat, war mein Wunsch, mit allen zu sprechen, alle einzubinden und ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Aus diesem Wir heraus hat sich dann eine Gruppe gebildet, das spätere Direktorium und die Referenten, die mich fast 30 Jahre lang begleitet haben, mit relativ wenig Wechsel, was für das gute Klima spricht. Und dadurch war es auch möglich, diese Funktion 30 Jahre auszuüben.“
 

Am Anfang war der Noriker

Weder seine Karriere als hoch geschätzter Professor noch seine Erfolge als Präsident eines Sportverbandes waren ihm in die Wiege gelegt. Geboren wurde Ernst Griebnitz am 12. Jänner 1952 in St. Nikolai im Sölktal als mittleres von drei Geschwistern. Zweimal in der Woche fuhr damals ein Bus in das abgelegene Tal. Was es hier gab: große Abgeschiedenheit und beeindruckende Natur, sonst kaum etwas. Als Ernst zwei Jahre alt war, übersiedelte die Familie nach Hallein, er wurde Salzburger. In den Weihnachts- und Sommerferien aber kehrte er ins steirische Sölktal zurück, um seinem Onkel in der Landwirtschaft zu helfen. „Ich war dort immer sehr glücklich und habe viele Jahre den Wunsch gehegt, Landwirt zu werden.“ Vor allem aber: Dort kam er erstmals mit Pferden in Kontakt. „Am Bauernhof meines Onkels gab es zwei Noriker. Er war Bergbauer, und wir hatten damals keinen Traktor. Die Pferde haben die schweren Heufuhren ziehen müssen, im Winter mussten sie im Holz arbeiten. Mir sind sie besonders zugegangen, ich war daher immer für die Pferde zuständig. Es war nicht immer einfach, manchmal hat man einem Pferd die Gerte geben müssen, dass es noch einmal richtig anzieht. Und das haben sie toleriert. Weil sie den Zweck erkannten. Dafür habe ich sie sehr bewundert, dass sie, obwohl sie so schwere Arbeit leisten mussten, immer gutartig und gutmütig waren.“

Um die Leistungsbereitschaft des jungen Ernst war es weniger gut bestellt. Stillsitzen und lernen war nicht seins, er war stets „auf der Geh“, wie er erzählt. „Meine Mutter hat immer gesagt: ,Ja, wenn du dumm bleiben willst, dann lernst halt nix. Deine Entscheidung!‘“ So nahm seine Ausbildung zunächst einen kleinen Umweg über eine Lehre als kaufmännischer Angestellter für Eisenwaren, Groß- und Einzelhandel. Beim Militärdienst dann dämmerte es ihm, dass sein Wissensdurst noch lange nicht gestillt war. In drei Jahren holte er am Bundesrealgymnasium für zeitverpflichtete Soldaten die Matura nach, mit Auszeichnung. Da wusste er auch schon, dass er Medizin studieren wollte, und auch für die Fachrichtung hatte er sich bereits entschieden: Psychiatrie. „Ich hatte mitbekommen, dass die größten Defizite in der Medizin in der Psychiatrie liegen, bei psychischen Erkrankungen. Da, hab’ ich mir gedacht, kann man wirklich was bewegen, da bin ich mehr als nur ein Handwerker. Über psychische Probleme redet niemand, da muss man was tun.“

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Ernst Griebnitz als junger Mann beim Militär: Erst nach Umwegen fand er zu seiner Berufung als Psychiater.

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Als besserer Redner denn Reiter wurde er bald Funktionär. © Archiv Ernst Griebnitz

Besser reden als reiten

Während des Studiums in Innsbruck fand er wieder Kontakt zu Pferden: „Eine Studienkollegin hat mich gefragt, ob ich nicht einmal mit ihr reiten gehe. Das war bei der Campagnereitergesellschaft, beim Stöckl Willi, das waren meine Anfänge.“ Geritten wurde immer ganz in der Früh, vor den Vorlesungen, in der sogenannten Hausfrauenrunde. Die Pferde, die man ihm zuteilte, waren jung und unrittig, entsprechend häufig endete die Zweisamkeit recht abrupt und unfreiwillig, „und der Stöckl Willi hat mich zur Schnecke gemacht. Aber ich habe alles durchgestanden.“

Zurück in Salzburg wurde Elixhausen seine reiterliche Heimat, für Mitarbeit beim Heumachen gab es Reitstunden. Auf den freundschaftlichen Rat hin, dass dies für seine Gesundheit vielleicht besser wäre, war er vom Springreiten auf das Dressurreiten umgestiegen und stagnierte hier glücklich in der Klasse LM, bis sein Freund Bernhard Maier irgendwann meinte: „Also, deine reiterlichen Künste halten sich in Grenzen, aber du redest gut“ – und ihm den Wechsel ins Funktionärswesen ans Herz legte. „Den Sprung in die Klasse M habe ich nie geschafft. Das war auch fast nimmer möglich, da ich beruflich bereits sehr eingespannt war. Und dann bin ich halt in die Funktionärslaufbahn eingestiegen.“

Zunächst war er unter Dr. Gerhard Holz- Dahrenstaedt, Geschäftsführer des Landesvereins ländlicher Reiter, für die Sparte Warmblut zuständig. 1989 folgte er Brigadier Hermann Lochmann als Salzburger Turnierreferent nach, von 1989 bis 1992 fungierte er zudem auf Wunsch des damaligen Präsidenten Alfons Flatscher auch als Vizepräsident. Da hatte dieser den 39-jährigen aufstrebenden forensischen Neuropsychiater bereits als seinen Nachfolger ins Auge gefasst. 1993 nämlich, mit 70 Jahren, hatte er seinen Rücktritt geplant. Zuvor musste aber noch eine wichtige Frage geklärt werden: War der Kandidat auch wirtschaftlich unabhängig? „Da habe ich schon gearbeitet und konnte also sagen: Ja, bin ich.“ „Dann mach das“, war die Antwort. Und einen Rat gab sein Vorgänger ihm auch noch mit: Er dürfe als Funktionär nie auch nur irgendeine Aufwandsentschädigung oder sonst etwas annehmen, damit die Leute nicht sagen könnten: „Sie werden eh bezahlt, tun S’ was!“ Und so hat es Ernst Griebnitz auch all die Jahre eisern gehalten, sich damit seine Unabhängigkeit und die Freude am Ehrenamt erhalten.

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Highlight 50-Jahr-Feier des SPS im Jahr 2012: Verleihung des  Reitabzeichens mit grünem Kranz in Gold © SPS

Im Wandel der Zeiten

Viel hat sich getan in diesen zurückliegenden 30 Jahren, in die Ära von Präsident Ernst Griebnitz fielen zum Beispiel die Austragung der Weltmeisterschaften im Orientierungsreiten und im Zweispännerfahren, unter den auch international erfolgreichen Salzburger Pferdesportler:innen sind neben anderen Georg Moser im Fahren, Lisa Wild im Voltigieren, Stefan Eder im Springreiten oder Diana Porsche in der Dressur zu nennen. „Wir waren auch einige Male Bundesländermannschaftsmeister im Springreiten, das hat es auch gegeben, auch wenn wir momentan nicht so gut sind“, ergänzt Griebnitz stolz die Salzburger Erfolgsliste, in der auch die nationalen und lokalen Erfolge gewürdigt werden. Sein unbestrittenes Highlight aber war die 50-Jahr-Feier des Verbandes im Jahr 2012, anlässlich der ein Buch herausgegeben wurde, das die Geschichte des Salzburger Pferdesports und seiner Protagonisten Revue passieren lässt.

Vieles aber hat sich auch verändert in diesen Jahren: 1991 fand das Verbandsbüro, als es von Anneliese Wagner an ihre Nachfolgerin Berta Wistuba – linke und rechte Hand sowie oftmals auch Kopf des Präsidenten, weswegen er sie wertschätzend „Frau Generalsekretär“ nennt – überantwortet wurde, in einer Aktentasche Platz. Wagner hatte das Büro einen halben Tag pro Woche geöffnet gehalten, heute schupfen drei Sekretärinnen den Verband an fünf Tagen. „Als meine Generation Anfang der 1990er-Jahre den Verband von den Gründungsmänner und -frauen übernahm, war es unsere Aufgabe, die vorhandene Basis des Pferdesports zu entwickeln und zu verbessern. Seit einigen Jahren haben wir ein Niveau erreicht, das nicht mehr steigt, das es zu halten gilt. Das sollte eine neue Generation übernehmen, denn die Gesellschaft hat sich sehr gewandelt.“

Zwei Symptome des Umbruchs ortet Griebnitz, die sich auch im Pferdesport zunehmend bemerkbar machten: Individualismus und Professionalisierung. Das Wir, das ihm immer so wichtig war, drohe in viele Ichs zu zersplittern, die ihre persönlichen Interessen über das Gemeinsame stellen. Dem gelte es entgegenzuwirken. „Was man können muss: mit den Leuten reden und danach trachten, dass ein Weg gefunden wird, den man früher als den goldenen Mittelweg bezeichnet hat, mit dem alle leben können. Wo alle Spaß haben und sich in irgendeiner Form messen können, was ja Sinn des Sports ist. Und diejenigen, die das Pferd nur streicheln wollen, sollen auch ihr Glück finden. Wenn das gelingt, wird der Pferdesport weiterleben.“ Kurze Pause. „Aber der geht sowieso nicht unter, da kann die Krise noch so arg werden. Der Pferdesport übertaucht alles!“ Was ihn da so sicher mache? „Die Jahrhunderte, die das Pferd überlebt hat. Das macht mich sicher.“