FEI Tribunal

20 Monate Sperre gegen Vielseitigkeitsreiter Andrew McConnon – ein Urteil, das Fragen aufwirft

Ein Artikel von Pamela Sladky | 09.12.2025 - 14:14
52299399294_355862c004_k.jpg

Andrew McConnon auf Ferrie's Cello anlässlich des FEI Nations Cups 2022 in Bromont (CAN) © FEI | Amber Heintzberger

Am 26. November teilte die FEI mit, dass gegen US-Reiter Andrew McConnon eine 20-monatige Sperre wegen Pferdemissbrauchs verhängt wurde. Die Zeit der vorläufigen Suspendierung, wirksam ab dem 8. Jänner 2025, wurde gegen die Dauer der Sperre angerechnet, sodass McConnon die Teilnahme an Turnieren – national wie international – noch bis zum 8. September 2026 untersagt ist. Darüber hinaus wurde der Reiter mit einer Geldstrafe in Höhe von 2.500 Schweizer Franken belegt.


Videos bringen den Fall ins Rollen

Publik wurde der Fall im September 2024. Zu diesem Zeitpunkt wurden in den sozialen Medien Videos veröffentlicht, die zeigen, wie McConnon Pferde vom Sattel aus in Richtung Kopf schlägt. Die Bilder gingen innerhalb kürzester Zeit viral und sorgten für große Empörung innerhalb der Reiter-Community.

Überrascht haben dürften die Bilder weder den US-Verband noch die FEI. Denn bereits vier Monate zuvor hatten ehemalige Mitarbeiter McConnons ein umfangreiches Dossier an die U.S. Equestrian Federation (USEF) übermittelt, das den Reiter des systematischen Pferdemissbrauchs bezichtigte. Weil sich die Vorfälle außerhalb der Zuständigkeit (also nicht während einer USEF-Veranstaltung) des Verbandes ereignet hatten, wurde die Angelegenheit an die FEI weitergereicht.

Es dauerte noch bis Jänner 2025, bis die FEI eine vorläufige Suspendierung aussprach und das Disziplinarverfahren offiziell eröffnet wurde. Der beschuldigte Andrew McConnon wies alle Vorwürfe zurück. Im Juni 2025 kam es vor dem FEI Tribunal schließlich zu einer zweitägigen Video-Anhörung in dieser Causa.


120-seitiger Einblick

Vor wenigen Tagen hat der Weltreiterverband die vollständigen Entscheidungsunterlagen in der Causa Andrew McConnon veröffentlicht. Das 120-seitige Dokument (der gesamte Bericht im englischen Original kann hier nachgelesen werden) fasst Anhörungen, Zeugenaussagen, Beweisstücke sowie die juristische Bewertung der dreiköpfigen Tribunal-Kommission zusammen und gewährt einen detaillierten Einblick in den Ablauf des Verfahrens.

14 Missbrauchsvorwürfe legte die FEI dem bis 5*-Niveau erfolgreichen Reiter zur Last – darunter übermäßiges Schlagen, exzessiver Einsatz von Sporen, Rollkur, Futter- und Wasserentzug, Überforderung, bis hin zu absichtlichem Einschränken der Atmung. Die Misshandlungen sollen sich mehreren Aussagen von FEI-Zeugen zufolge über mehrere Jahre (2017–2024) erstreckt haben.

Viel Material – wenige Beweise

Zur Untermauerung der Vorwürfe legte die FEI fünf Videos und zwölf Fotos vor. Die Tribunal-Beurteilung fiel jedoch ausgesprochen restriktiv aus:

Nur zwei Videos wertete das Tribunal als eindeutigen Missbrauch. Sie zeigten mehrfaches Schlagen eines Pferdes sowie dreimaliges hartes Einwirken auf das Pferdemaul. Die übrigen drei Videos wurden als nicht aussagekräftig bewertet.

Von zwölf Bildern erhielten nur zwei Fotos, die deutliche Schlagspuren zeigten, moderates bis hohes Gewicht. Blutspuren, Verletzungen oder Hinweise auf Rollkur wurden größtenteils nicht als beweisrelevant eingestuft. Das Panel sah keinen dieser umfassenden Vorwürfe als ausreichend belegt an.

Die Zeugenaussagen wurden nur dann als glaubwürdig gewertet, wo weitere Belege zur Untermauerung vorgelegt wurden. Und das war nur selten der Fall. Damit reduzierte das Tribunal die Causa inhaltlich auf eine sehr begrenzte Zahl von Vorfällen im Februar und März 2024 – anstelle des jahrelangen Misshandlungsmusters, wie von den Zeugen vorgetragen.


Schwerer Stand für Belastungszeugen

Während den acht FEI-Belastungszeugen (drei ehemalige Mitarbeiterinnen, Nachbarn und Pferdebesitzerinnen) überwiegend minimale bis keine Glaubwürdigkeit zugesprochen wurde – was das Tribunal mit Widersprüchen in den zeitlichen Angaben und fehlender unabhängiger Dokumentation begründete – erhielten McConnons zwölf Fürsprecher (darunter renommierte Reiter, langjährige Kunden, sein Vermieter und eine klinische Sozialarbeiterin, die seine mentale Behandlung dokumentierte) hingegen moderates bis volles Gewicht. Ihre Aussagen über McConnons Integrität, Reitweise und Reue wurden weitgehend als glaubwürdig eingestuft und hatten deutlichen Einfluss auf die Bewertung.

McConnon selbst wurde von FEI-Tribunal als „glaubwürdig“ eingestuft. Während der Reiter alle langfristigen Missbrauchsvorwürfe zurückwies, zeigte er sich in den zweifelsfrei belegten Vorfällen reuig. Er betonte, dass seine Entschuldigung aufrichtig sei und kein Fall von ‚Es tut mir leid, weil ich erwischt wurde‘.

Er machte persönliche Umstände – u. a. die Krebserkrankung seines Vaters, finanzielle Probleme, Personalmangel – geltend und sprach von einem „Aus-dem-Ruder-Laufen“ seiner persönlichen Belastungssituation. 

Das sind nur einige der Dinge, die damals persönlich vor sich gingen, und unangemessenerweise habe ich mein Privatleben in mein Berufsleben hineinragen lassen, was niemals hätte passieren dürfen.


Andrew McConnon

Missbrauch ja – aber kein langfristiges Muster nachweisbar

Das Tribunal befand McConnon des Missbrauchs eines Pferdes, des Verstoßes gegen den FEI-Kodex zum Wohlergehen des Pferdes sowie des Schadens für das Ansehen der FEI für schuldig.

Ein über Jahre anhaltendes Missbrauchsmuster sah das Tribunal hingegen nicht bestätigt, ebenso gebe es keine Hinweise auf langfristige körperliche Schäden der betroffenen Pferde. Die persönliche Belastungssituation und den Ausdruck „echter Reue“ wertete das Tribunal hingegen mildernd.

So wurden aus der ursprünglich angestrebten lebenslangen Sperre 20 Monate – eine Sanktion im mittleren Bereich des FEI-Strafrahmens.

McConnon erklärte, das Urteil nicht anfechten zu wollen.


Kritik an der FEI

Sowohl das Urteil des FEI-Tribunals als auch das Verfahren ernteten seit der Veröffentlichung erhebliche Kritik innerhalb der Branche. Wie einige in den Fall involvierte Personen gegenüber der Vielseitigkeitsplattform Eventing Nation angaben, seien Besitzer:innen betroffener Pferde nicht kontaktiert worden. Eine Pferdebesitzerin, die Belege für ein angebliches Misshandlungsmuster seit über 15 Jahren anbieten wollte, wurde nicht angehört. Darüber hinaus berichten mehrere FEI-Zeugen, dass ihre transkribierten Aussagen fehlerhaft wiedergegeben wurden.

Die erforderliche „hohe Beweislast“ führte dazu, dass selbst schwere Anschuldigungen ohne lückenlose Dokumentation nicht berücksichtigt wurden. Mehrere Personen äußerten im Gespräch mit Eventing Nation das Gefühl, die FEI habe kein echtes Interesse an einer umfassenden Aufklärung gehabt und die Hürden für Zeug:innen seien „unüberwindbar hoch“.

Bemerkenswert scheint es im Vergleich dazu, wie viel Gewicht das Tribunal McConnons eigenen Erklärungen einräumte. Eine frische Schur, die Peitschenstriemen viel schlimmer aussehen lasse? „Glaubhaft.“ Das Festbinden eines Pferdekopfes an den Vorderbeinen, angeblich um eine Sedierung oder die Verwendung einer Nasenbremse zu vermeiden? „Plausibel.“ Das betroffene Pferd läuft inzwischen erfolgreich im Sport? „Dann kann es nicht so schlimm gewesen sein.“

Diese Aspekte befeuern die Sorge, dass das System strukturell diejenigen benachteiligt, die Missstände melden – und damit letztlich die Pferde, deren Schutz sich die FEI beständig auf die Fahnen heftet.

Ob McConnon im Herbst 2026 tatsächlich ein Comeback anstrebt, ist offen. Sein Fall wirft jedenfalls tiefgreifende Fragen zum Umgang des Pferdesports mit Missbrauch, zur Glaubwürdigkeit von Zeug:innen und zur Qualität der Ermittlungsarbeit auf. Für viele bleibt das Gefühl zurück, dass der Schutz der Pferde nicht konsequent im Mittelpunkt stand – und dass die Causa zwar ein Urteil produzierte, aber den größeren systemischen Fragen ausweicht.