Im Reitsport gehört der traditionelle Gruß vor dem Chefrichter zu den festen Gepflogenheiten. Im Stilspringen ist er ein bewertetes, in normalen Springprüfungen zumindest ein verpflichtendes Element. Früher wurde dazu noch kurz der Reithelm gelupft – eine Geste, die auf die Ritterzeit zurückgeht und zeigt, dass man in Frieden (weil ungeschützt) kommt. Seit das Reglement aus Sicherheitsgründen einen fest verschlossenen Kinnriemen verlangt, reicht heute ein kurzes Kopfnicken in Richtung der Jury. Reiter:innen in Uniform können, ganz im Sinne ihrer Profession, auch salutieren.
Der Gruß gilt als Zeichen von Höflichkeit und Respekt – und auch als Ausdruck guten Benehmens. In einem Sport, der so stark von Tradition geprägt ist wie die Reiterei, ist er eine Tugend mit besonderem Stellenwert. Nicht umsonst kann Reiter:innen, die den Gruß verweigern, sogar der Start verwehrt werden.
Doch es scheint, als sei diese Tradition aus der Zeit gefallen. Im Zuge der Revision des FEI-Springreglements stellte der schwedische Pferdesportverband den Antrag, den verpflichtenden Gruß ersatzlos zu streichen. Die Begründung lautete:
„Wir glauben nicht, dass der Gruß ein modernes und relevantes Element im Pferdesport ist.“
Wer nun einen Aufschrei aus anderen Nationen erwartet hätte, muss enttäuscht werden. In der Feedbackrunde gab es keinen einzigen Kommentar – weder zustimmend noch ablehnend. So wurde der Antrag bei der FEI Generalversammlung in Hongkong angenommen, und das Ende des Grußes in internationalen Springprüfungen sang- und klanglos besiegelt.
Ab dem 1. Januar 2026 darf also gleich losgeritten werden, ganz ohne die kleine Geste mit dem großen symbolischen Wert. Damit verschwindet ein Stück gelebter Tradition. Wer grüßt, übt Achtsamkeit; junge Reiter:innen lernen Höflichkeit und Etikette. Für Offizielle, Zuschauer:innen und Sponsor:innen war der Gruß ein sichtbares Signal von Respekt und Wertschätzung. Ihn zu streichen, wirft all das über Bord – und vermittelt, dass derlei Werte heute verzichtbar sind. Dabei stünde dem Reitsport eine gewisse Ritterlichkeit ganz gut, nicht zuletzt im Hinblick auf sein Ansehen in der Öffentlichkeit.