Olympische Spiele

Der Traum für Lea Siegl wurde wahr: Platz 15 bei Olympia!

Ein Artikel von Ernst Kopica | 02.08.2021 - 16:27
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Mit ihren 22 Jahren jüngste Teilnehmerin der olympischen Vielseitigkeit, zeigte Lea Siegl, dass sie mit ihrem Fighting Line derzeit zu den weltbesten Kombinationen in dieser Disziplin gehört. © holcbecher.com

Die 22-jährige Lea Siegl aus Oberösterreich bewies eindrucksvoll, dass ihre bisherigen Erfolge in den großen Vielseitigkeitsprüfungen kein Zufall waren und lässt das österreichische Reiterteam positiv in die Zukunft blicken.

„Lea Siegl hat wirklich einen guten Eindruck hinterlassen, von ihr werden wir sicher noch viel hören,“ so begeistert äußerte sich die hochdekorierte Vielseitigkeitsreiterin Bettina Hoy als Co-Kommentatorin auf Eurosport. Und Hoy kann man nur beipflichten. Denn trotz drei Springfehlern in den zwei Umläufen des Springparcours am Schlusstag der Vielseitigkeitskonkurrenz etablierte sich die Jüngste des gesamten Starterfeldes in der absoluten Weltspitze.
 

Entscheidung am "Japanischen Amulett"

Die erste Entscheidung fiel im Mannschaftsfinale, das gleichzeitig auch als Qualifikation für das Einzelfinale diente. Hier kristallisierte sich bereits nach kurzer Zeit das neunte Hindernis, die Zweierkombination, als Knackpunkt heraus. Als „japanisches Amulett“ wurden die rot-gelben Sprünge bezeichnet, die vielen Reiter:innen das fürchten lehrten. Nicht nur Siegl, die als Einzelreiterin auch durch diese Prüfung musste, hatte hier einen Fehler. Auch dem Briten Oliver Townend, dem Führenden nach zwei Tagen, wurde der Einsprung zum Verhängnis. Aber für die Finalqualifikation der Österreicherin hatte dieses Missgeschick keinerlei Auswirkungen. Siegl schaffte den Einzug ins Einzelfinale als 17. souverän.

Warteten im ersten Springen noch 12 Hindernisse auf die Paare, reduzierte Parcoursbauer Santiago Varela (der Spanier wird auch im Spezialspringen im Einsatz sein) die zweite Prüfung auf 9 Hindernisse, stellte aber mit 60 Sekunden ein hartes Zeitlimit, das für viele Paare zur Fehlerquelle wurde. Doch für Lea Siegls „Fighti“ stellte der eng bemessene Zeitrahmen kein Problem dar. Flott und souverän ging es durch den immer wieder von Regenschauern geprägten Abend. Leider fiel die Stange dann beim mittleren Sprung der Dreierkombination. Danach sah wieder alles so leicht und souverän aus. Doch auf der Schlusslinie kam Siegl etwas zu eng zum letzten Sprung, einem überbauten Wassergraben, und hier gab es abermals einen Abwurf.
 

Bestes Ergebnis seit 1936

Kurz sah man ein wenig Enttäuschung in ihrem Gesicht, dann aber Lachen und Freude über ein so gelungenes Olympiadebüt. Mit diesem 15. Platz übertraf Lea Siegl Harald Ambros, der mit Miss Ferrari 2004 in Athen 19. wurde. Lediglich Karl Neumeister klassierte sich 1936 in Berlin als 14. weiter vorne, damals durften Frauen in den Reitbewerben allerdings noch nicht antreten.

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Ihr Ziel fest im Blick: Lea Siegl auf Fighting Line
© holcbecher.com

"Ich muss lernen, mir selbst zu verzeihen!"

Unmittelbar nach ihrem letzten Ritt gab Siegl ihre Eindrücke wieder: „Ich wurde immer wieder gefragt, wie es ist hier als Jüngste zu reiten und ob man da Druck hat. Nein, den hatte ich nicht, denn ich freute mich einfach, dass ich in meinem Alter hier dabei sein konnte. Ich weiß auch, dass ich noch viel lernen muss, denn beim Reiten kommt es auch auf die Routine an. Aber ich habe noch viel vor und es kommen noch viele Olympische Spiele!“

Über ihre heutigen Springfehler, speziell über den letzten, konnte sie sich noch immer aufregen: “Mein Ziel war das Finale, das habe ich geschafft, aber im Moment ärgere ich mich gerade über meinen Fehler am letzten Sprung. Ich hatte noch einen zweiten in der Kombination, das war ein leichter Fehler des Pferdes, den verzeihe ich ihm ohne Weiteres, aber ich ärgere mich über meinen Fehler. Ich bin immer sehr streng zu mir, ich weiß schon, man muss ich auch selbst verzeihen, aber ich weiß nicht, wie lange das jetzt dauern wird, bis ich mich nicht mehr darüber ärgere, dass ich das ein wenig verbockt habe."

“Eigentlich war geplant, auf fünf Galoppsprüngen die Vorwärtsdistanz zu nehmen. Dann bin ich aber so flott rein gekommen und habe einen Galoppsprung mehr gemacht, als eigentlich geplant. Das erst im letzten Moment, so schnell konnte das Pferd dann nicht mehr reagieren”, schildert Siegl. “Ich hätte einfach cool bleiben müssen und nicht vor dem letzten Sprung den Stress bekommen dürfen. Davor war alles super, habe ich kein einziges Mal gezuckt, aber beim letzten Sprung bin ich dann etwas nervös geworden und wollte noch einen Galoppsprung reinzaubern, der da nicht hingehört hat.”  
 

Tage, die man nie vergisst

Das Abenteuer Olympia sah die selbstkritische Lea trotz des momentanen Ärgers durchwegs positiv: „Auch wenn es hier keine Zuschauer gab war es doch sehr cool in Tokio und nicht zu vergleichen mit anderen großen Vielseitigkeitsturnieren. Die ganze Reise geht jetzt ja schon über ein Monat mit Quarantäne in Aachen, Flug, Vorbereitung und dem Wettkampf hier. Aber das sind Tage, die vergisst du einfach nicht!“

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Die britische Vielseitigkeitsmannschaft feierte einen souveränen Start-Ziel-Sieg.
© FEI/EFE/Kai Försterling

Gold für britisches Team und Julia Krajewski

Die Mannschaftsentscheidung, für die wie erwähnt der erste der beiden Umläufe im Springen in die Wertung kam, ging an das hochüberlegene Team aus Großbritannien mit Tom McEwen (Toledo de Kerser), Laura Collett (London) und Oliver Townend (Ballaghmor Class). Sie siegten mit 86,30 Punkten vor Australien mit 100,20 und Frankreich mit 101,50. Für Deutschland blieb dieses Mal nur der undankbare vierte Rang, wobei anzumerken ist, dass es selbst ohne das Missgeschick von Michael Jung im Gelände (Auslösen des MiM-Sicherheitsverschlusses, das mit 11 Minuspunkten bestraft wurde) nicht für eine Medaille gereicht hätte.

Auch wenn Jung seine Sammlung olympischer Einzel-Goldmedaillen (2012 London, 2016 Rio) nicht um eine dritte erweitern konnte, bleibt der Einzel-Vielseitigkeits-Titel in Deutschland. Denn Julia Krajewski, die vor der letzten Runde mit Amande de B’Neville die Führung übernommen hatte, bewies im Abschlussspringen eiserne Nerven und holte sich mit 26,0 die Goldmedaille vor Oliver Townend (29,3). Bronze ging an den ältesten Reiter der „Buschis“: Andrew Hoy mit Vassily de Lassos (29,6).

Kleine Notiz am Rande: Mit ihren 47,0 Punkten ließ Lea Siegl alle drei US-Reiter hinter sich und steht in der Ergebnisliste inmitten der großen Namen des Vielseitigkeitssports!