Zucht

Zwei Vollbluthengste als Ursprung für Gendefekt WFFS vermutet

Ein Artikel von PM | PS | 29.03.2019 - 14:49
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© Petra Eckerl - Fotolia

Die genetisch bedingte Erberkrankung Warmblood Fragile Foal Syndrome, eine Bindegewebsschwäche, die Aborte und nicht lebensfähige Fohlen zur Folge haben kann, wird seit einiger Zeit intensiv erforscht. Auch die Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V. (vit) hat sich in den vergangenen Monaten detailliert mit der Thematik auseinandergesetzt, nachdem mehrere deutsche Zuchtverbänden wiederholt Fragen an das Dienstleistungsrechenzentrum herangetragen hatten.

Vordergründig ging es dabei um die Frage des Ursprungs und die Überprüfung der Annahme, dass die meisten Merkmalsträger (betroffene Tiere) bereits während der Trächtigkeit abgestoßen und gar nicht geboren werden. Außerdem wurde untersucht, ob Anlageträger vielleicht sogar einen Selektionsvorteil besitzen. Hierzu liegen nun erste Ergebnisse vor, die das Westfälische Pferdestammbuch auf seiner Webseite veröffentlich hat.

Suche nach dem Ursprung

Der Erbfehler WFFS ist in vielen Rassen und Zuchtpopulationen bekannt und nachgewiesen. Fälle wurden u. a. in den USA, der Schweiz, Schweden, Dänemark und Deutschland dokumentiert. Dies ließe den Schluss zu, dass die Mutation schon vor langer Zeit und bei einem Vorfahren entstanden sein müsse, dessen Genetik sich in allen Populationen verbreitet hat. Den Ursprung von WFFS beim englischen Vollblut zu vermuten, lag daher nahe, heißt es in einer Erklärung des vit. „Als Veredler kamen und kommen englische Vollblüter in den meisten Warmblutzuchten seit Anfang des letzten Jahrhunderts immer wieder zum Einsatz. Bislang gab es nur Spekulationen, welcher Vollblüter nun konkret der Ausgangspunkt der WFFS-Verbreitung gewesen sein könnte. Die im Rechenzentrum durchgeführten Pedigreeanalysen brachten hier nun Licht ins Dunkel: Die gemeinsame Stammdatenbank der Zuchtverbände ermöglichte, die Abstammungen von rund 2000 auf WFFS getesteten Pferden sehr weit zurück zu verfolgen. Der Vergleich von Ahnen-Häufigkeiten zwischen positiv (WFFS-Träger) und negativ (WFFS-frei) getesteten Pferden lieferte dann den entscheidenden Hinweis: Der 1905 geborene englische Vollblüter Dark Ronald xx und sein Vater Bay Ronald xx (1893) waren unter rund 15.000 Pferden, die insgesamt in den Pedigrees auftauchten, die einzigen, die als Ahnen aller bekannten Anlageträger vorkamen. Die Mutation kann also bei diesen Hengsten oder noch früher erstmals aufgetreten sein. Erwartungsgemäß kamen diese prägenden Hengste zwar auch im Pedigree von fast allen freien Pferden vor, im Durchschnitt aber über deutlich weniger Linien als bei den Anlageträgern. Der Eintrag der Mutation in die Reitpferde-Populationen erfolgte dann über die Söhne des Dark Ronald xx, hauptsächlich Herold xx (1917) und Son-in-Law xx (1911).“

Drei Prozent Verluste bei Abfohlrate

Als Ausgangspunkt für die Untersuchung von WFFS als Ursache für frühe und größtenteils vorgeburtliche Fohlenverluste dienten der vit die Deckdaten der Verbände Westfalen, Oldenburg und Trakehner, die ihrerseits eine Pilotstudie angeregt hatten. "Aus den letzten 10 Jahren standen damit rund 80.000 Bedeckungen von Stuten mit 882 WFFS getesteten Hengsten für die Analysen zur Verfügung. Für WFFS-Anlageträger ließ sich eine Verringerung der Abfohlraten (bzw. des Anteils überlebensfähiger Fohlen) um etwa 3 % gegenüber WFFS-freien Hengsten statistisch absichern. Um die eigenen Ergebnisse einordnen zu können, wurde ein mathematisches Modell der Populationsgenetik, das Hardy-Weinberg-Gesetz, angewendet."

"Für Reitpferdepopulationen ist von einer Trägerfrequenz von 10 bis 15 % auszugehen. Die Anpaarung eines Hengstes, der Anlageträger ist, an die durchschnittliche Stutenpopulation ergibt dann einen Erwartungswert von ca. 3 % Merkmalsträgern. Die aktuellen Ergebnisse entsprechen damit genau den Erwartungen und bestätigen, dass WFFS überwiegend im Verborgenen wirkt", heißt es in der Aussendung.

Die Kenntnis des WFFS-Status der eigenen Stute und die Vermeidung der Verpaarung von Anlageträgern erhöhe in jedem Fall die Aussicht auf ein gesundes Fohlen, so die vit.
 

WFFS-Träger rittiger?

"Wenn Mutationen ausschließlich negativ wirken, halten sie sich selten dauerhaft in einer Population. Im Umkehrschluss begründet die Tatsache, dass WFFS seit langem vorkommt und weit verbreitet ist, die Hypothese, dass Anlageträger einen Selektionsvorteil besitzen könnten." Diese Annahme wurde im Rahmen des Pilotprojektes anhand von Zuchtwerten der Hengste für die Reitsportleistung überprüft. Zwar fand man dabei keine signifikanten Ergebnisse, allerdings zeigte sich eine leichte Tendenz in der Dressur und der Rittigkeit: Die Zuchtwerte der Anlageträger lagen hier im Mittel zwischen zwei bis vier Punkten höher.
 

Transparenz im Umgang gefordert

"Das Wichtigste im Umgang mit WFFS bleibt das Testen der Hengste und Zuchtstuten, um Anpaarungen von zwei Anlageträgern zu vermeiden. Denn nur aus solchen Anpaarungen können Merkmalsträger hervorgehen (auf WFFS zurückzuführende embryonale Verluste, Verfohlungen und nicht lebensfähige Fohlen)", heißt es weiter. 

Die aktuellen Analysen könnten weiter ausgebaut und über das Rechenzentrum vit als Hilfestellung für den einzelnen Züchter angeboten werden: "Für jedes Pferd lässt sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der es den WFFS-Defekt trägt. Allerdings müssten für eine möglichst sichere Berechnung noch weitere, insbesondere wichtige ältere Hengste nachtypisiert werden. Dann wäre es denkbar, nur noch solche Stuten zu testen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Träger der Mutation sind. Durch diese reduzierten Labortests könnten Kosten eingespart werden."

Aufgabe der Pferdezucht sei es nun, zum angemessenen Umgang mit WFFS zu finden. Mit einer WFFS-freien Population könnte man nach aktuellem Kenntnisstand die Abfohlraten um ca. 3 % steigern. Dies stünde jedoch in keiner Relation zu dem Verlust an genetischer Vielfalt, der mit dem Zuchtausschluss aller aktuell bekannten Anlageträger verbunden wäre, betont man bei der vit. Denselben Effekt erziele man auch durch die konsequente Berücksichtigung des WFFS-Status bei Anpaarungsentscheidungen. "WFFS ist - wie andere Erbfehler, die wir bis dato nur noch nicht identifiziert haben - durch gezieltes Testen und Anpaaren in den Griff zu bekommen."