Der historische Schlosspark von Versailles bietet den Reitbewerben der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024 eine außergewöhnliche Kulisse. © Fotos: château de Versailles / T. Garnier
Paris wird heuer zum dritten Mal Gastgeber von Olympischen Sommerspielen sein. Doch weder im Jahr 1900 noch 1924 fanden die Reitbewerbe vor so einer spektakulären Kulisse wie diesmal statt. Der Schlosspark von Versailles wurde bereits in der Anfangsphase des Bewerbungsverfahrens favorisiert, obwohl es mit dem Parc Équestre Fédéral in Lamotte-Beuvron, dem Grand Parquet in Fontainebleau und der Galopperanlage in Chantilly durchaus andere Standorte in der Nähe von Paris gegeben hätte, die über eine Stallinfrastruktur verfügen. Aber die zu erwartenden spektakulären TV-Bilder mit dem weltberühmten Barockschloss im Hintergrund haben letztlich wohl den Ausschlag für Versailles gegeben.
Für die Errichtung einer temporären Reitsportanlage (inkl. eines Stadions mit rund 20.000 Zuseherplätzen, Stallungen, Abreitplätzen, Veterinärklinik und Groom-Unterkünften) mussten allerdings beträchtliche Investitionen vorgenommen werden. Momentan bewegen sich die Kostenschätzungen um 27 Millionen Euro. Um die Logistik zu erleichtern, werden nicht nur die Dressur- und Springkonkurrenzen in Versailles ausgetragen, auch die Geländestrecke der Vielseitigkeit wurde innerhalb des Schlossparks gebaut. Für den 28. Juli – an diesem Tag steht der Olympische Cross auf dem Programm – erwartet man 40.000 Besucher:innen!
Wendigkeit gefragt
Versailles ist seit 1979 UNESCO-Weltkulturerbe und war bis zur Französischen Revolution die Hauptresidenz der Könige von Frankreich. Heute ist es gemeinsam mit seinen Parks und Gärten eine der Hauptsehenswürdigkeiten Frankreichs mit 15 Millionen Besucher:innen jährlich. Das Reitstadion selbst befindet sich zwar in Sichtdistanz zum Schloss, hält mit einer Entfernung von 2,7 km aber doch einen gebührenden „Respektabstand“ zu den altehrwürdigen Gemäuern ein.
Die Vielseitigkeitsstrecke führt durch die Versailles umgebenden Parks und Gärten, die sich insgesamt über 800 Hektar erstrecken. Um das flache Terrain etwas abwechslungsreicher zu gestalten, wurden eigens für die Spiele ein kleiner künstlicher Hügel errichtet und drei Furten angelegt.
„Ich denke, der Kurs wird zwar flach sein, was für die Pferde im Grunde weniger anstrengend sein sollte. Aber dadurch, dass der Platz ziemlich knapp bemessen ist, wird es viele Kurven geben. Und auch das ist für die Pferde konditionell sehr anspruchsvoll, weil man viel wenden muss. Man braucht ein Pferd, das sich gut lenken lässt und schnell wieder beschleunigen kann. In Versailles werden wir keine großzügige Geländestrecke vorfinden, wie bei einem großen Vielseitigkeitsturnier, wo du ewig geradeaus dahingaloppierst. Deswegen ist Fighting Line mein Pferd für Paris, der verliert keine Zeit in den Kurven", sagt Lea Siegl, die gemeinsam mit Harald Ambros die rot-weiß-roten Farben in der Olympischen Vielseitigkeit hochhalten wird.
Der Grand Canal, ein 1650 m langer Kanal, der sich zwischen Schloss und Reitstadion befindet, wurde schon beim Testevent im August des Vorjahres mit Pontoons überbrückt, die Wasserhindernisse selbst mussten erst gebaut werden. Verantwortlich für das Parcoursdesign der 5300-Meter-Strecke ist Pierre Le Goupil, der auch schon die extrem schwierige Cross-Country-Strecke der Europameisterschaft 2023 im Haras du Pin schuf.
Auf 5300 m führt der gewundene Vielseitigkeitsgeländekurs quer durch den Park. © Château de Versailles / D. Saulnier
Emotionale Rückkehr nach Versailles
Das Spring- und Dressurstadion befindet sich westlich des Grand Canals auf dem „Étoile Royal“, einer Esplanade, die 1999 von Unwettern so stark beschädigt wurde, dass sie den größten Teil ihres alten Baumbestandes verlor. In den vergangen Jahren wurde dieser Bereich auf eine große Rasenfläche reduziert, auf der nun das temporäre Stadion errichtet wurde. In den Springbewerben steht hier ein bewährtes Richter-Duo vor der schwierigen Aufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen: der Spanier Santiago Varela Ullastress und der Franzose Gregory Bodo.
Für das österreichische Spring-Team sind die beiden keine Unbekannten. „Wir haben natürlich ihre Parcours während der Saison beobachtet und ziehen unsere Schlüsse daraus“, meint Max Kühner, der in Paris erstmals bei Olympischen Spielen antreten wird. Für den Wahlösterreicher hat die französische Hauptstadt etwas Spezielles: „Weil alles so nah ist und unsere Freunde, Familie, Mitarbeiter alles mitverfolgen können. Für mich selbst wird es wichtig sein, während der Bewerbe nichts an mich ranzulassen und mich in meiner ‚Bubble‘ voll zu konzentrieren.“
Speziell Versailles hat für den 50-Jährigen aber auch eine besonders emotionale Komponente: Vor 17 Jahren lernte er hier seine Frau Liv kennen. Wenn das kein gutes Omen ist …