Zucht

Brennpause: 2019 vorläufig kein Schenkelbrand mehr in Deutschland

Ein Artikel von Pamela Sladky | 10.12.2018 - 12:19
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Derzeit gibt es kein für Pferde zugelassenes Medikament, das man zur lokalen Betäubung während des Brennens einsetzen könnte.

„Wir waren noch bis vor Kurzem recht zuversichtlich, dass wir eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden haben“, sagte Dr. Norbert Camp, Mitglied des Vorstands Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und Vorsitzender des Trakehner Verbandes, im Rahmen des traditionellen Dezembertreffens der Vorsitzenden, Zuchtleiter und Geschäftsführer der FN-Mitglieds- und Anschlusszuchtverbände. Dr. Camp gehörte zu der Arbeitsgruppe, die in den letzten Jahren intensiv an der Erprobung und Zulassung eines geeigneten Medikaments zur lokalen Betäubung gearbeitet hat. Mit Lidocain hatte man auch schnell einen geeigneten Wirkstoff gefunden und erfolgreich getestet. Was zunächst sehr vielversprechend aussah, scheiterte jedoch am Ende an daran, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die angestrebte Zulassungserweiterung eines lidocainhaltigen Tierarzneimittels für Pferde um den Anwendungsbereich auf der Haut ablehnte und dafür eine kostenintensive und zeitaufwändige Neuzulassung verlangte.

Damit wird es ab dem kommenden Jahr zunächst keinen Schenkelbrand mehr geben. Auch ein zeitlicher Aufschub, wie er jüngst für die betäubungslose Ferkelkastration eingeräumt wurde, konnte trotz intensivem Werben in Berlin bei den Koalitionspartnern nicht für die Pferdezucht erwirkt werden. „Wir haben bis zum Schluss um einen Aufschub gekämpft“, sagte Dr. Camp und nannte den Zuchtverbänden gute Gründe, weiter nach einer Lösung zu suchen. „Warum sollten wir weitermachen? Gerade in letzter Zeit hat sich gezeigt, wie hilfreich der Brand als zusätzliches, zuverlässiges Merkmal zur eindeutigen Identifikation eines Pferdes und dessen Rückführbarkeit ist“, sagte Camp. Zu befürchten seien auch Veränderungen in den Zusammenkünften der Züchter. Gerade die Fohlenbrenntermine seien wichtig gewesen, die Züchter zusammenzubringen. Diesen Argumenten stimmten die übrigen Zuchtverbandsvertreter zwar zu, befürchteten allerdings auch, dass die Wiedereinführung nach einer „Brennpause“ von ein oder zwei Jahren für den Schenkelbrand schwierig werden könnte. „Unsere Gegner sitzen an entscheidenden Schaltstellen und werden versuchen das zu verhindern“, vertrat Dr. Thomas Nissen, Geschäftsführer des Holsteiner Verbandes, die mehrheitliche Meinung innerhalb der Versammlung. „Wir haben alles versucht, sind aber jetzt an dem Punkt angekommen, wo wir uns zunächst einmal damit abfinden müssen, dass der Brand erst einmal weg ist.“


Wie belastend ist Brennen für die Pferde tatsächlich?

Inwiefern Brandzeichen tatsächlich eine Belastung für das betroffene Tier darstellen, war in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Studien – die teilweise zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kamen.

Für den Schweizer Veterinärmediziner Prof. Dr. Urs Schatzmann von der Universität Bern ist der Schenkelbrand die deutlich pferdefreundlichere Kennzeichnungsmethode als das Chippen. Nach Auswertung einer Studie der Universität Hamburg an 70 Pferdehautproben urteilte er, dass „die Traumatisierung des Gewebes (beim Schenkelbrand) qualitativ deutlich geringer ausfällt, als dies bei der Transponder-Implantation der Fall zu sein scheint.“  Das gesamte Gutachten können sie hier nachlesen.

Anders sah das eine Forschergruppe der Veterinärmedizinischen Universität Wien unter der Leitung von Prof. Christine Aurich, die eine Studie an 16 Fohlen durchführte um die Belastung während und nach den unterschiedlichen Kennzeichnungsmethoden zu untersuchen. Dabei fand sie heraus, dass zwar beide Markierungsmethoden nahezu gleich viel akuten Stress verursachten, die Kennzeichnung mittels Heißbrand im Gegensatz zum Chippen jedoch in der Regel längerfristige Veränderungen bewirkte. Aurich dazu: „Das Fohlenbrennen verursacht eine nekrotische Verbrennungswunde und einen allgemeinen Anstieg der Hauttemperatur an der Oberfläche, beides weist auf eine deutliche Schädigung des Gewebes hin. Studien, die nur die akute Stressantwort betrachten, führen zu einer Unterbewertung der Auswirkung des Fohlenbrennens auf das Wohlbefinden der Tiere.“ Die Schäden am Hautgewebe, die durch das Brennen entstehen, seien den Ergebnissen nach deutlich schwerer, als gemeinhin angenommen.