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Strahlend blauer Himmel, ein paar dekorative Wolken, ringsum saftiges Grün und die endlose Weite: Dieser Ausblick zu Beginn der Reise macht Lust auf mehr. © Uwe Theurer

Reise mit dem Pferd durch die Cevennen

Ein Artikel von Uwe Theurer | 23.01.2014 - 08:18
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Strahlend blauer Himmel, ein paar dekorative Wolken, ringsum saftiges Grün und die endlose Weite: Dieser Ausblick zu Beginn der Reise macht Lust auf mehr. © Uwe Theurer

„Also mußte ich noch ein Lastthier finden. Nun ist das Pferd unter den Tieren eine Art feine Dame: kapriziös, scheu, wählerisch beim Fressen und von zarter Gesundheit. Es ist zu wertvoll und zu unruhig, um es allein zu lassen, so daß man an das Biest gekettet ist wie ein Galeerensträfling an seinen Leidensgenossen......nur ein Esel konnte diese Anforderungen erfüllen.“

Im Jahre 1878 machte sich der englische Schriftsteller Robert Louis Stevenson, der später durch seine Romane „Die Schatzinsel“ und „Der seltsame Fall des Doktor Jekyll und Mister Hyde“ zu weltweiter Berühmtheit gelangte war, mit einem Esel auf den Weg, um die südlichen Cevennen zu durchqueren. Die Reiseerlebnisse mit der störrischen Eselin Modestine, die ihm auf seiner zwölftägigen Reise durch das französische Mittelgebirge jede Menge Nerven kostete, fasste er in seinem Werk Reise mit einem Esel durch die Cevennen zusammen.

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In dieser kleinen Herberge in Le Puy hat Stevenson vor rund 150 Jahren genächtigt - Uwe Theurer und Sindy finden im örtlichen Reitzentrum Unterkunft. © Uwe Theurer

Auf Stevensons Spuren folgt heute der Weitwanderweg GR 70 von Puy en Velay nach Alès (Rhonetal). Eine Strecke über 200km Länge, ursprünglich unterteilt in 12 Etappen. Ein Eselweg – das wäre doch auch etwas für Pferde, oder nicht? Und dann auch noch in Frankreich – eigentlich Grund genug, mit dem Pferd von Tirol aufzubrechen.

Eine gute Reisezeit ist Ende Juni, in Frankreich fangen die Schulferien erst im Juli an und nach dem kalten Frühjahr waren im Süden doch einigermaßen erträgliche Temperaturen zu erwarten. Später im Sommer ist dort alles von der Sonne ausgedörrt.

Die Entfernung von Tirol ins Rhonetal ist allerdings nicht zu unterschätzen, mit dem LKW (der mir am Startpunkt auch als Quartier diente), dauert die Anreise mit Zwischenstopp im französischen Jura leicht zwei Tage – die wesentlich kürzere Strecke über die Schweiz ist aus zolltechnischen Gründen eher nicht zu empfehlen.

Puy-en Velay, südlich von Lyon gelegen, ist das Eingangstor in die am Südrand der Auvergne gelegenen mittleren Cevennen. Die Stadt, mit zwei Vulkankegeln in der Stadtmitte, gilt als wichtige Station auf dem Jakobsweg nach Spanien – ein Besuch der Kathedrale ist deshalb quasi ein Muss! Unterkunft gibt es für Sindy, eine 13-jährige süddt. Kaltblutstute, und mich im örtlichen Reitzentrum.
 

Start mit Hindernissen

Der eigentliche Weg auf den Spuren von Stevenson beginnt in Monastier-le-gazeille. Die erste Etappe verläuft sehr reizvoll über die Berge des Vivarais, und überquert auch bereits das erste Mal die Loire, den „Schicksalsfluss“ der Franzosen, der hier im Oberlauf noch recht überschaubar ist.

Monastier empfängt mich mit einem kräftigen Anschnauzer durch die ortsansässigen Gendarmen, auf deren Hof ich durch Zufall bei der Suche nach der Herberge lande – das einzige Mal übrigens in Frankreich, dass Ross und Reiter nicht mit großer Hilfsbereitschaft empfangen werden. Der gemeindeeigene „Eselpark“ entpuppt sich als sumpfiges und teilweise stacheldrahtumzäuntes Teilstück eines Bachbettes – was nicht ohne Folgen bleibt, denn beim Eindunkeln verfängt sich Sindy im Stacheldraht, sucht das Weite und wird erst später wieder im Garten eines Privathauses aufgefunden. Zum Glück im Wesentlichen unversehrt, aber die Aufregung ist groß, und wir sind bereits nach nur einer Nacht Ortsgespräch …
 

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Uwe Theurer und Sindy reisen mit leichtem Gepäck. © Uwe Theurer

Bei der nächsten Unterkunft gehe ich auf Nummer sicher und buche Quartier auf einer Campinganlage – da ist in der Regel mehr Platz, und die Leute sind bereits am Telefon sehr freundlich, also nichts wie hin! Der Weg dorthin gestaltet sich allerdings recht mühsam, auf stark ausgewaschenen Wegen geht es deutlich auf und ab – ein Effekt, der durch die (illegal) verkehrenden Off-Road-Motorradfahrer weiter verschärft wird. Zudem setzt jetzt, Anfang Juli, die für den Süden Frankreichs typische Hitze ein.

Zwischen Hundehütte und Vier-Gang-Menü

Doch die Mühe lohnt sich. Auf dem Campingplatz werden wir herzlich empfangen, Sindy bekommt eine eigene, anständig eingezäunte Koppel – und ich die Hundehütte, denn ich habe kein Zelt dabei, schließlich wollte ich ja richtig „reiten“. Jetzt rächt es sich auch, dass nur ein dünner Schlafsack in den Packtaschen Platz hatte, denn die Nächte auf 1200m Seehöhe sind noch sehr kalt!

Luxus pur steht hingegen am Ende der vierten Etappe für mich bereit. Die dort gewählte Unterkunft überrascht mit einem perfekten Vier-Gänge Menü, und das in einem Ort mit gerade einmal 80 Einwohnern – Frankreich pur! Hier, im Guevedan, stoße ich immer häufiger auf verlassene Dörfer je weiter ich in den Süden vordringe. Ich erinnere mich an die vielen Geschichten rund um die „Bestie du Guevedan“, ein Vieh- und menschenreißendes Ungetüm, das hier einst sein Unwesen trieb…

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Der Abstieg vom Mont Lozère in den Talort Pont de Montanvert ist eine Herausforderung für Mensch und Pferd. © Uwe Theurer

Der Höhepunkt ist die Etappe über den Mont Lozère, mit seinen 1700 Metern bereits ein richtiger Berg, mit Skipisten und – bei gutem Wetter – einem fantastischen Blick bis in die Camargue und auf das Mittelmeer! Der Abstieg in den Talort Pont de Montenvert hat es allerdings in sich. Hier im trockenen Süden gibt es keine Hecken mehr zur Abgrenzung der Felder, sondern nur etwas Stacheldraht an morschen Pfählen, die zwischen die Steine geklemmt sind – und so steht Sindy am nächsten Morgen zusammen mit dem Pferd des Metzgers ganz oben auf dem unwegsamen Berghang ...

Nach Etappe Zehn ist Schluss

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Zehn Tage durch die Cevennen mit dem Pferd - schön war's! © Uwe Theurer

Ich beschließe, den Wanderritt entgegen der historischen Vorgaben bereits nach zehn Etappen in dem kleinen Städtchen Florac am Tarn zu beenden. Zum einen sind die Wegestrecken im Süden ausgesprochen steinig während es immerfort bergauf und bergab geht, zum anderen hat die Bremsenplage nach den vorangegangenen feuchten Tagen infernalische Ausmaße angenommen, gegen die kein Mittel ankommt.

Mit Unterstützung des Gepäcktranportdienstes für Wanderer, mallepostale, wird der Transporter nachgeholt, um Sindy einige Ruhetage zu gönnen und noch etwas südliche Luft zu schnuppern. Dann heißt es Abschied nehmen, bevor es in zwei Etappen durch das Rhonetal wieder nach Tirol geht. Während Robert Louis Stevenson mit Eseldame Molestine und ihrem störrischen Wesen seine liebe Not hatte, war Sindy im Vergleich dazu eine hervorragende Reisepartnerin. Deshalb auch mein Fazit: Durch die Cevennen mit dem Pferd - ja, jederzeit!

Literaturtipps

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Eselwanderungen sind für die schroffe Gebirgsregion zwischen Rhône und Zentralmassiv zu einem Markenzeichen geworden. © Uwe Theurer

Topo Guides, Chamina edition: GR 70 / le chemin de Stevenson

traildino, www.traildino.fr: le chemin de Stevenson

Robert Louis Stevenson: "Reise mit dem Esel durch die Cevennen", Taschenbuch, Edition La Colombe, Bergisch-Gladbach.