Freizeit & Praxis

Frauensache(n)

Ein Artikel von Margarete Donner | 08.12.2025 - 11:27
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© www.slawik.com

Es ist kein Geheimnis: Ein Großteil jener, die sich dem Pferdesport mit Haut und Haar verschrieben haben, sind Frauen. Schwarz auf weiß bestätigen das die Statistiken des Österreichischen Pferdesportverbandes, laut derer 87 Prozent der Stammmitglieder, 90 Prozent der Ausbilder:innen sowie 89 Prozent der aktiven Turniersportler:innen in Österreich weiblich sind. Zeit also, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie frauenfreundlich die Bedingungen im Pferdesport sind. Denn obwohl beide Geschlechter miteinander im Stall arbeiten, voneinander lernen und gegeneinander beim Turnier antreten, haben Frauen doch in manchen Bereichen ganz andere Bedürfnisse als Männer. Und diesen wird meist zu wenig Rechnung getragen. Schließlich hat die weibliche Reiterei, die sich erst Mitte des 20. Jahrhunderts auf breiter Basis etablierte, noch keine allzu lange Geschichte. Viele Traditionen entstammen nach wie vor dem männlich geprägten Militärwesen.

Das beginnt schon beim Reitunterricht. Der Versuch von Reiterinnen, auf die männliche Anatomie zugeschnittene Sitzkorrekturen umzusetzen, endet oft mit Verspannungen und Schmerzen. Nimmt frau diese märtyrerhaft in Kauf – „da muss ich durch“ – , manifestieren sich mit fortschreitendem Alter Probleme mit dem Bewegungsapparat. Dumm gelaufen. Oder besser gesagt: Schlecht geritten, weil falsch korrigiert. Wie viele Reiterinnen arbeiten sich beispielsweise noch immer an dem Kommando „Fußspitzen zum Pferd“ ab? Bedingt durch die Form ihres Beckens und ihrer Oberschenkel blockieren sie dabei die Hüftgelenke, fallen ins Hohlkreuz oder verdrehen Vorfuß und Knie gegeneinander. Für Männer hingegen ist aufgrund eines schmäleren Beckens dieselbe Aufforderung keine Hexerei – allerdings auch weder gesund noch mit der Reitlehre konform.

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Nur mit funktionaler Unterwäsche und dem passenden Sattel wird Reiten zum ungetrübten Vergnügen. © www.slawik.com

Sättel ohne Druckstellen

Noch deutlicher treten diese Unterschiede zutage, wenn es um die Passform des Sattels geht. Wie unsere Umfrage zeigt, fühlen sich nur 15 Prozent der Befragten in allen Sätteln wohl. Immerhin 51 Prozent kommen ganz gut zurecht, während 18 Prozent keinen geeigneten Sattel finden. Und obwohl sie bei der Sattelsuche für ihren Vierbeiner eine zeitraubende und kostenintensive Odyssee in Kauf nehmen, begnügen sich zahlreiche Reiterinnen mit kreativen Notlösungen, wenn es um sie selbst geht: Häufig wird ein Lammfell oder ein Gelpad auf die Sitzfläche gelegt, um den Druck auf die empfindliche Genitalregion zu reduzieren. Auch Periodenunterwäsche oder Radlerhosen unter der Reithose werden als Geheimtipps gehandelt. Doch all das kaschiert nur die Symptome. Wo liegen die Ursachen?

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Beim weiblichen Becken liegt das Schambein näher am Vorderzwiesel ... © Katja Lange

Da wäre einmal das – der Gebärfähigkeit geschuldete – breitere Becken man- cher Frauen, durch das die weiter außen liegenden Sitzbeinhöcker zu wenig Auflagefläche finden. Auf der Suche nach mehr Stabilität rutschen diese Reiterinnen automatisch im Sattel nach hinten, was weder dem Pferderücken noch dem Sitz zugutekommt. Zudem geht das flacher gewinkelte weibliche Schambein oftmals auf Konfrontationskurs mit dem Vorderzwiesel und frau versucht die folgenschwere Tuchfühlung durch eine fehlerhafte Rücklage zu vermeiden. Und schließlich lässt ein – im Vergleich zum Unterschenkel – relativ langer Oberschenkel bei Frauen das Bein weiter nach vorne wandern. Eine zusätzliche Polsterung zwischen Gesäß und Sattel löst also nur einen Bruchteil der genannten Probleme, die ungesunde Fehlhaltung bleibt bestehen. 

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... als beim männlichen. © Katja Lange

Der deutsche Sattlermeister Jochen Schleese leistete Pionierarbeit, indem er begann, gezielt Sättel für die weibliche Anatomie zu bauen. Er veränderte die Sitzschale, variierte die Anbringung der Steigbügel und begann, nicht nur die Pferde, sondern auch die Reiter:innen zu vermessen. Inzwischen zogen andere Marken nach, und es scheint nahezu unmöglich, eine allgemeine Empfehlung abzugeben: Zu uneinheitlich sind die weiblichen Beckenformen, zu mannigfaltig die persönlichen Vorlieben. Nichtsdestotrotz sind Reiterin und Pferd es allemal wert, sich auf die Suche nach dem passenden Verbindungsstück zu machen. Selbst wenn diese manchmal zur Odyssee ausartet.

Wäsche speziell für den Pferdesport

Auf die entsprechende Kleidung für den Pferdesport angesprochen, zeigen sich rund ein Drittel der befragten Frauen mit dem vorhandenen Sortiment zufrieden. Der überwiegenden Mehrheit fällt es jedoch schwer, funktionale und passende Reithosen oder Reitunterwäsche aufzutreiben. Bei den Slips setzt frau am besten auf nahtlose Produkte aus dem (Pferde-)Sportfachhandel. Wer damit kein Auslangen findet, dem empfehlen unsere Umfrageteilnehmerinnen die gepolsterten Slips von My Riding Underwear, welche an Radlerhosen erinnern. Noch einen Schritt weiter geht ROLAS mit seiner Funktionsunterwäsche Smooth Ride, die mit einem eigenen Silikoninlay besonderen Schutz für den Intimbereich bietet.

Dass der richtige BH eine tragende Rolle im Pferdesport spielt, liegt auf der Hand. Je weniger Auf und Ab, desto wohler fühlt sich die Reiterin. Jenseits vom Wohlfühlfaktor gibt es aber auch manifeste sportmedizinische Gründe, die für den Kauf hochwertiger Sport-BHs sprechen. Am Körper selbst finden die Brüste kaum Halt – lediglich ein paar Bänder, die Haut sowie die Unterbrustmuskulatur bieten ein wenig Stabilität. Bewegt sich das labile Gewebe zu heftig, kann das Schmerzen und Dehnungsrisse zur Folge haben. Außerdem versuchen Schultern und Nacken gegenzuhalten, was bis zum Bandscheibenvorfall führen kann. Ein gut sitzender Sport-BH – viele raten zum Shock-Absorber – entlastet hingegen die Wirbelsäule und entspannt die Muskulatur. Breite, gepolsterte Träger sorgen für mehr Komfort, im Rücken gekreuzte Träger können nicht über die Schulter rutschen. Um die Reittauglichkeit eines BHs zu testen, lohnt es sich übrigens, in der Umkleidekabine einige Zeit auf der Stelle zu hüpfen und dabei eine Diagonale im starken Trab zu imaginieren.

Wären da noch die Reithosen: Ganz oben auf der Wunschliste unserer Reitsportlerinnen stehen mehr Hosen und Leggings mit Kunstleder anstelle von Grip. Gleich danach folgt der Ruf nach Hosen für verschiedene Figurentypen angefangen von Überlängen bis hin zu Modellen für kleine, stärkere Frauen. Während große Marken wie Pikeur, Felix Bühler oder Cavallo offensichtlich nach wie vor sehr gerne gekauft werden, nehmen auch die Empfehlungen für alternative Labels wie Heldenpferde, goodfellow oder lookri zu. Bei den beiden letztgenannten kann frau sich nämlich ihre Reithose individuell in den gewünschten Maßen und Farben schneidern lassen.

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Was verbessert Komfort und Performance während der Regel? © www.slawik.com

Entlastung während der Periode

Die Farbe der Reithose ist jedoch nicht nur ein Ausdruck des persönlichen Geschmacks, sie wird an gewissen Tagen durchaus zur Belastungsprobe. Weiße Turnierreithosen sind – ebenso wie manche Voltigiertrikots – für ein Drittel der befragten Frauen während der Mens eigentlich nicht tragbar. „Ich finde die Regelung der weißen Hosen am Turnier lächerlich, schwarze gehen doch auch, oder?“, regt eine Umfrageteilnehmerin an. Dass die Kritik durchaus berechtigt ist, zeigt eine im Juni 2024 am Molde University College in Norwegen veröffentlichte Studie des Sportökonomen Professor Alexander Krumer. Er fand heraus, dass weiße Hosen die sportliche Leistung von Frauenteams im Fußball verringern, während die Hosenfarbe bei Männern keinen Einfluss zeigt. Grund dafür sei vermutlich die Angst weiblicher Athletinnen vor sichtbaren Blutflecken auf der Kleidung. In Reaktion darauf änderten bereits einige Fußball- und Tennisverbände ihre Vorschriften. Dass dies im Reitsport ebenso möglich ist, zeigen die jüngsten Reglementänderungen in den USA, Großbritannien und Irland, die das Tragen von dunklen Hosen bei Turnieren erlauben. Ein unkomplizierter Schritt, der die Belastung der Sportlerinnen an den Tagen mit Regelblutung reduzieren würde.

Nicht ganz so einfach – aber durchaus machbar! – wäre auch eine Verbesserung der hygienischen Situation für Frauen im Stallalltag und auf den Turnierplätzen. Denn um Binden, Tampons oder Menstruationstassen zu wechseln, braucht es eine Toilette. Sauber, mit Waschbecken und Seife ausgestattet sowie zwischen den einzelnen Bewerben fußläufig erreichbar. Wie sehr hier Wunsch und  Realität auseinanderklaffen, zeigen die Antworten in unserer Umfrage: Mehr als die Hälfte der Sportlerinnen sehen sich während ihrer Menstruation mit grauslichen Toiletten konfrontiert, fast genauso viele vermissen die Möglichkeit, sich die Hände ordentlich zu waschen, und ein Drittel beklagt sich generell über zu wenige Örtchen vor Ort. Hier gäbe es also einiges an Aufholbedarf, wollen Stallbesitzer und Turnierveranstalter dem überwiegend weiblichen Klientel gerecht werden.

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Physiotherapeutin Bianca Pichler sieht ot einen überlasteten Beckenboden. © Manuel Drobczyk

Achtsamer Umgang mit dem Körper

Es sind zum einen äußere Bedingungen, die den Pferdesport mehr oder weniger frauenfreundlich gestalten. Zum anderen kommt es aber auch auf den Umgang der Reiterinnen mit sich selbst und mit ihrem Körper an. So reduzieren immerhin 50 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen während der Periode das Training, wenn es ihnen nicht gut geht. Neun Prozent versuchen überhaupt, in Einklang mit ihrer zyklusbedingten Leistungskurve zu trainieren.

Ein wenig anders stellt sich das Bild nach der Geburt eines Kindes dar: Von den teilnehmenden Müttern stieg die Mehrheit kurz nach der Geburt wieder aufs Pferd. Allerdings nahmen nur 20 Prozent die Unterstützung einer Physiotherapeutin in Anspruch, um den Beckenboden wiederherzustellen. Die Kärntner Physiotherapeutin und Reiterin Bianca Pichler ortet hier eine große Wissenslücke: „Gerade Reiterinnen sind nach der Schwangerschaft oft nachlässig, was die Rückbildung betrifft, und wollen schnell wieder reiten gehen. Die Organe senken sich aber durch Schwangerschaft und Geburt ab.“ Als Folge sehe sie gerade bei Reiterinnen häufig Gebärmuttersenkungen, Blasensenkungen sowie Belastungsinkontinenz – manchmal auch erst nach Jahren. 

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Ausreichend Rückbildungsgymnastik nach Schwangerschaften verhindert Beschwerden im Alter. © Barbara Olsen/pexels.com

Pichler empfiehlt daher im Einklang mit den Gynäkolog:innen eine kompetente Begleitung bei der Rückbildung sowie das Tragen eines Pessars in den ersten Monaten nach der Geburt. Dieses stabilisiere den überdehnten Beckenboden, bis er wieder Last aufnehmen könne, und verhindere spätere Beschwerden.

Wie hart sie im Nehmen sind, brauchen Amazonen im Pferdesport wohl niemandem mehr zu beweisen. Je mehr sie aber trotz allem auf sich selbst achten, desto länger werden sie ihren Lieblingssport ohne Schmerzen und Einschränkungen bis ins hohe Alter ausüben können.