Verhalten

Kauen und lecken: Zeichen von Unterwerfung, Entspannung oder Stress?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 09.10.2018 - 12:19
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Leerkauen und Lippenlecken zeigt sich bei Pferden vor allem im Übergang von einer angespannten in eine entspannte Situation. ©www.Slawik.com

Um mehr über die Funktion des Leerkauens und Lippenleckens beim Pferd herauszufinden, nahmen Pferdewissenschaftlerinnen der norwegischen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften in Ås nahe Oslo das Sozialverhalten von Wildpferden unter natürlichen Bedingungen unter die Lupe.

Über 80 Stunden lang beobachteten Margrete Lie und Professor Ruth Newberry wildlebende Pferdeherden in Ecuador. Dabei sammelten sie Daten zu 202 Verhaltensabläufen rund um das Leerkauen und Lippenlecken. Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentierten Lie und Newberry Anfang Oktober anlässlich der Jahreskonferenz der International Society of Equitation Science in Rom.

Um der Theorie der Unterwerfungsgeste auf den Grund zu gehen, beobachteten die Forscherinnen die Pferde insbesondere in Konfliktsituationen. Dabei wurde das Verhalten des Angreifers ebenso dokumentiert wie das des „Opfers“.

Die Ergebnisse waren faszinierend: Beide Parteien zeigten das fragliche Kauverhalten, wobei angreifende Pferde im Anschluss an ihre Attacke sogar deutlich häufiger beim Leerkauen und Lecken beobachtet werden konnten als ihre Angriffsziele. Die Annahme, dass das Verhalten ein Zeichen der Unterwürfigkeit ist, konnte demnach eindeutig widerlegt werden.

Wie Lie und Newberry feststellten, gingen dem Kauen und Lecken meist Situationen voraus, in denen die Pferde angespanntes Verhalten gezeigt hatten. Danach folgte in der Regel eine Phase, in der Entspannung dominierte. Das Kauen trat also meist dann auf, wenn die Pferde von einem angespannten in einen entspannten Zustand wechselten.

Der Grund für dieses Verhalten könnte der Mangel an Speichel während einer Stresssituation sein. In angespannten Momenten reagiert der (Pferde-)Körper mit einer Aktivierung des Symptahikus, der seinerseits u.a. die Speichelproduktion hemmt – das Maul fühlt sich trocken an. Ist der Stress überwunden, verstärkt der Parasympathikus die Produktion von Speichel, das Maul wird wieder feucht. Das Kauen und Lecken könnte damit eine Reaktion auf den wieder angekurbelten Speichelfluss sein, so die Vermutung der beiden Forscherinnen.

Weiterhin im Unklaren bleibt, ob Leerkauen und Lippenlecken nun eine Reaktion auf die eintretende Entspannung nach einer Stresssituation ist oder ob das Verhalten den Pferden hilft sich zu entspannen. „Um dies genauer betrachten zu können, ist eine kontrollierte Studie mit Stressmessungen notwendig“, meinte dazu Margrete Lie.