Als 2019 erste Details der neuen „Leitlinien Tierschutz im Pferdesport“ des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) publik wurden, sorgte eine Änderung besonders für Diskussionen: das Mindestalter für den Trainingsbeginn junger Pferde. Die 1992 verfassten Vorgängerrichtlinien hatten hier 3 Jahre empfohlen, die überarbeitete Version gibt nun 30 Monate vor. Für Galopp- und Trabrennpferde darf es auch schon früher losgehen, sofern es sich um ein rein auf Schnelligkeit ausgerichtetes Training handelt, bei dem behutsam und mit Augenmaß gearbeitet wird. Herunterladen kann man das Papier auf der Webseite des BMEL.
Doch beim Thema Trainingsbeginn, bei der Ausgestaltung der Arbeit und den Haltungsbedingungen junger Pferde, sind noch längst nicht alle Fragen beantwortet. Das räumte auch das Ministerium ein und kündigte umfassende Forschung an – wissenschaftlich wie praktisch –, um die Leitlinien gegebenenfalls erneut zu überarbeiten.
Eine aktuelle Studie (Opinions of trainers of Warmblood, Thoroughbred and Trotter horses in Germany on the pretraining management of yearlings and two-year-old horses – a qualitative analysis) nimmt nun genau diese Fragen unter die Lupe. Durchgeführt wurde sie von Dr. Franziska Pilger sowie Prof. Dr. Christine und Prof. Jörg Aurich vom Graf-Lehndorff-Institut für Pferdewissenschaften. Zwischen 2023 und 2024 sprachen die Forschenden mit 30 Trainerinnen und Trainern: je zehn aus den Bereichen Warmblut-Sporthengste, Galopper und Traber, 24 Männer und sechs Frauen. Sie alle arbeiten an der Vorbereitung junger Pferde für Körungen oder den Rennsport.
Von den 30 Betrieben waren 26 professionell und gewinnorientiert – also genau die Strukturen, in denen frühe Trainingsentscheidungen oft wirtschaftlich motiviert sind. Im Fokus der Untersuchung standen der Zeitpunkt des Trainingsbeginns, die Haltungsformen sowie die Beweggründe, die hinter bestimmten Managemententscheidungen stehen.
Für die meisten Warmbluthengste in Körvorbereitung beginnt die Ausbildung mit rund 28 Monaten. (Symbolfoto) ©www.Slawik.com
Früher Trainingsstart
Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Disziplinen. Galopper starten in der Regel mit 18 Monaten, Traber durchschnittlich mit 19 Monaten – wobei die Altersspanne hier zwischen 12 und 30 Monaten stark variierte. Warmbluttrainer beginnen im Schnitt mit 28 Monaten. Eine gesetzliche Mindestgrenze von 30 Monaten lehnten alle befragten Trainer ab.
Bei Warmblut-Trainern gab es zwar Zustimmung, die Hengstkörung auf den Winter des zweiten Lebensjahres oder den darauffolgenden Frühling zu verlegen, eine Körung im dritten Jahr wurde jedoch abgelehnt. Hauptgrund: Mit zunehmendem Alter nehmen Konfliktverhalten und Selbstbewusstsein der Hengste zu, was die Handhabung erschwert. Einer der Befragten erläuterte: „Sobald sie zweimal mit etwas durchgekommen sind, werden sie so selbstbewusst, dass es schwierig ist, das richtige Gleichgewicht wiederherzustellen.“
Drei der zehn Warmbluttrainer bezeichneten den Stress, dem dreijährige Hengste nach der Körung ausgesetzt sind – häufig kombiniert mit gleichzeitiger Nutzung für Zucht und Sport – als kritisch: „Das Schlimmste, das einem Hengst passieren kann, ist, dass er gekört wird. Für ihn ist das Leben als Pferd mit zwei Jahren vorbei.“ Einige Trainer wiesen zudem darauf hin, dass eine spätere Körung höhere Anforderungen, wie etwa eine gerittene Leistungsprüfung, mit sich bringen könnte.
Mehr Auslauf, mehr Sozialkontakt: Laut Studie haben junge Traber in Haltungsfragen die Nase gegenüber Galoppern und Wamrblutpferden vorne. © www.slawik.com
Galopper-Trainer verwiesen auf die jahrhundertelange Zucht auf frühe Rennleistung und argumentierten, dass eine 30-Monats-Regel für Vollblüter nicht anwendbar sei. Ein späterer Trainingsbeginn könnte die deutsche Vollblutzucht gefährden oder Besitzer ins Ausland treiben. Gleichzeitig betonten sie die positiven Effekte eines frühen Trainings auf Knochenentwicklung und Trainingsbereitschaft.
Auch Traber-Trainer sprachen sich gegen eine 30-Monats-Grenze aus. Einige wiesen darauf hin, dass für das wichtigste Rennen, das deutsche Traber-Derby, ohnehin erst Vierjährige zugelassen sind. Ein früher Trainingsbeginn ab 18 Monaten ermögliche es, Selbstvertrauen aufzubauen und die muskuläre sowie kardiovaskuläre Entwicklung zu fördern. Frühzeitiges, angemessenes Training sei entscheidend für die körperliche Entwicklung; spätere Starts könnten den Umgang mit den jungen Pferden erschweren und etablierte Leistungswege stören.
Einzelboxenhaltung ist nach wie vor die verbreitetste Halfungsform im Sportpferdesektor - Sozialkontakt unter den Pferden meist nur zwischen den Gitterstäben (oder darüber) möglich. © www.Slawik.com
Einzelhaltung dominiert
In puncto Haltung setzen fast alle Ställe auf Einzelboxen. Lediglich ein Trabertrainer nutzte zu Ausbildungsbeginn eine Form der Gruppenhaltung. Zwar betrachteten die meisten Trainer Gruppenhaltung als natürlicher und pferdefreundlicher, doch Bedenken überwogen: erhöhte Verletzungsgefahr durch Rangkämpfe ("Wie soll ich das dem Besitzer erklären? Dein Pferd hat sich verletzt, weil ich es mit anderen zusammengestellt habe?"), Probleme bei der individuellen Fütterung sowie logistischer Aufwand beim Zu- oder Abführen einzelner Pferde.
Bei der täglichen Bewegung bevorzugen Warmbluttrainer Einzelpaddocks, durchschnittlich stehen sie den Pferden etwa zwei Stunden täglich zur Verfügung. Bei Galoppern (4 von 6) und Trabern (10 von 10) wird gruppenweise Paddocknutzung häufiger praktiziert. Besonders bei Traber-Jungpferden kann die Gruppenhaltung bis zu zwölf Stunden pro Tag dauern, während angehende Galopper kaum mehr als anderthalb Stunden täglich freie Bewegung genießen.
Täglicher Auslauf in ausreichend großen Paddocks, auf denen auch mal ein herzhafter Galopp möglich ist, ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben – in der Praxis lässt sich jedoch nicht immer überprüfen, ob dies konsequent umgesetzt wird. Eine aktuelle Umfrage unter Galopper-Trainern – darunter auch deutsche Trainer – zeigt, dass aktuell nur 50 % der Rennpferde täglich aufs Paddock kommen.
Zwischen Tradition und Tierwohl
Alle Trainer betonten die Einhaltung gesetzlicher Tierschutzvorgaben, etwa Stroh-Einstreu und reichliche Heufütterung. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Haltungsformen mit stark eingeschränktem Sozialkontakt (teilweise lediglich über die Gitterstäbe zwischen den Boxen) und limitierter Bewegungsfreiheit weiterhin weit verbreitet sind – entgegen klaren Empfehlungen moderner Forschung.
Die Untersuchung macht deutlich: Ein wachsendes Bewusstsein für pferdegerechte Haltung ist vorhanden, doch die praktische Umsetzung hinkt hinterher. Nachhaltige Verbesserungen setzen voraus, dass die Sorgen der Trainer ernst genommen und praktikable Lösungen für alle Disziplinen entwickelt werden.