TIERMEDIZIN    

Vorerst keine strengeren Regeln für Antibiotika in der Tiermedizin

Ein Artikel von Eva Schweiger | 16.09.2021 - 16:50
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Gestern wurde der in den letzten Wochen heiß diskutierte Vorschlag für strengere Regeln für den Einsatz von Antibiotika und konkrete Verbote für bestimmte Wirkstoffe in der Tiermedizin im EU-Parlament abgelehnt. Stattdessen wird nun die ursprünglich von der EU-Kommission vorgelegte Regelung, der Delegierte Rechtsakt vom 26. Mai 2021 zur „Festlegung von Kriterien für die Bestimmung antimikrobieller Wirkstoffe, die der Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind“, in Kraft treten. Darin werden vorerst keine konkreten Reserveantibiotika für den ausschließlichen Gebrauch in der Humanmedizin definiert, sondern lediglich Kriterien für deren Auswahl festgelegt. Die Liste der zukünftig für den Menschen vorbehaltenen Wirkstoffe muss nun bis Jänner 2022 erarbeitet werden.

Tierärzte erfreut, Grüne besorgt

Der deutsche Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt), der mit einer Unterschriftenkampagne im Vorfeld der Abstimmung gegen den grünen Entwurf Stimmung gemacht hatte, ist naturgemäß hocherfreut. Über 640.000 Unterschriften hatte man gegen den Entschließungsantrag der Grünen gesammelt. Ebenso wird die Entscheidung von Vertretern der Pharmaindustrie begrüßt, die negative Konsequenzen für ihren Industriezweig befürchtet hatten, wenn die Anwendung von Antibiotika stark eingeschränkt worden wäre.

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Angst vor Antibiotikaverbot für Tiere: unbegründet?

Müssen kranke Pferde bald ohne Antibiotika auskommen? Vielen Tierbesitzer:innen machte in den vergangenen Wochen ein vermeintlich drohendes weitreichendes Antibiotikaverbot in der Tiermedizin Angst. Weiterlesen...

Aus den Reihen der Grünen erklingt hingegen Enttäuschung und Besorgnis über das Abstimmungsergebnis. Der Abgeordnete Martin Häusling, dessen Entwurf nun abgelehnt wurde, warnt vor einer radikalen Sperre jener Wirkstoffe für die Tiermedizin, die bis Anfang 2022 als Reserveantibiotika definiert werden. Denn der nun angenommene Entwurf enthält keine konkreten Ausnahmeregelungen für Heimtiere oder Einzeltierbehandlungen. Er schließt deren Durchsetzung allerdings für die Zukunft auch nicht aus.

Häusling sieht jedenfalls ein gefährliches Abwägen zwischen Tier- und Humangesundheit auf uns zukommen: Würden nur wenige Antibiotika für Tiere gesperrt, bliebe der weitreichenden und resistenzenfördernden Verwendung in der Massentierhaltung Tür und Tor geöffnet. Sollten hingegen viele Wirkstoffe auf die Liste der Reserveantibiotika kommen, könnten eben auch kranke Einzeltiere nicht mehr adäquat behandelt werden. 

Genau dieselben Befürchtungen zur Einzeltierbehandlung waren es übrigens auch, derentwegen der bpt seine Kampagne startete. Aber die Tierärzt:innen lehnten die von Häusling geforderte strikte Regelung ab und sind nun erleichtert über die Entscheidung des Parlaments für den gegenteiligen Zugang: Statt von vornherein bestimmte Antibiotika für Tiere zu verbieten und danach Ausnahmen zum Beispiel für Heim- und Einzeltiere zu schaffen, sollen die verbotenen Substanzen einzeln geprüft und erst dann eine Sperre ausgesprochen werden. Verbote für konkrete Wirkstoffe erst bei Vorliegen wissenschaftlicher Beweise dafür, dass sie in bestimmten Fällen nicht mehr eingesetzt werden sollten, begrüßt auch der Präsident der österreichischen Tierärztekammer Kurt Frühwirth.