Corona-Krise

Stallsperren, Auszugsverbote: Was rund ums Pferd erlaubt ist und was nicht in Zeiten der Corona-Krise

Ein Artikel von Pamela Sladky | 16.03.2020 - 13:49

Update

Das Interview mit Dr. Manuela M. Pacher basiert auf dem Wissensstand vom 16. März 2020. Aus rechtlicher Sicht hat sich seit diesem Zeitpunkt zwar nichts Grundlegendes verändert, das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Verordnung der Österreichischen Bundesregierung vom 16. März 2020 inzwischen jedoch dahingehen präzisiert (Stand 21. März 2020), dass der Besuch des eigenen Pferdes zur Betreuung und notwendigen Bewegung unter die Ausnahme „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse“ fällt und daher von der Ausgangsbeschränkung nicht tangiert wird. Der Originalwortlaut auf der Homepage des Sozialministeriums (Informationen zum Coronavirus –> Was fällt unter die „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse“):

„Besuch des eigenen Pferdes zur Betreuung und notwendigen Bewegung (wenn nicht die notwendige Betreuung des Pferdes z.B. durch den Einstellbetrieb sichergestellt ist)“ (Stand 21. März 2020)

stallgasse10168.jpg

Der Besuch beim Pferd bleibt auch unter der momentanen Ausgangsbeschränkung möglich.
© www.Slawik.com

Zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus Covid-19 hat die Bundesregierung scharfe Maßnahmen erlassen. Mit Montag, 16. März 2020, wurde über ganz Österreich eine Ausgangsbeschränkung (in Tirol: Ausgangssperre) verhängt, die Bevölkerung ist angehalten, die eigenen vier Wände nur noch in Ausnahmesituationen zu verlassen, Spiel- und Sportplätze werden geschlossen, der Sportbetrieb wird eingestellt und Vereinsbüros werden dicht gemacht.

Unter vielen Pferdebesitzern und Betreibern von Pferdeeinstellbetrieben und Reitanlagen herrscht große Verunsicherung, was in der derzeitigen Situation noch erlaubt ist und was nicht. Wir haben Rechtsexpertin Dr. Manuela Pacher um eine Einschätzung der aktuellen Lage gebeten.


Frau Dr. Pacher, die Bundesregierung hat über Österreich eine bislang beispiellose Ausgangsbeschränkung verhängt. Das Haus soll nur noch in Ausnahmefällen verlassen werden. Gehören Besuche beim Pferd zu diesen Ausnahmen?

Besuche beim Pferd fallen ganz klar unter diese Ausnahmen. Nach derzeitiger Lage darf man das Haus verlassen, um sich in der Natur zu bewegen. Es ist beispielsweise ausdrücklich erlaubt, mit dem Hund hinauszugehen, und es ist auch – wie von Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung, heute Morgen bei einem Interview auf Puls4 bestätigt – dezidiert erlaubt, zu seinem Pferd zu fahren, es zu versorgen und es auch zu bewegen.


Immer häufiger hört und liest man jetzt von Ställen, die Besitzer*innen eingestellter Pferde den Zutritt zu ihrer Anlage völlig untersagen. Ist ein solches Vorgehen denn überhaupt rechtens?

Es gibt derzeit aufgrund des Corona-Virus keine gesetzliche Vorgabe, dass Einstellbetriebe komplett gesperrt werden. Hier gibt es momentan weder eine Verordnung noch ein Gesetz. Natürlich kann jeder Liegenschaftseigentümer und jeder Pächter jederzeit ein Betretungsverbot aussprechen – allerdings aus rein  privaten Gründen. Ein solches Vorgehen liefert jedem Pferdebesitzer allerdings einen triftigen Grund, den bestehenden Einstellvertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen.


Und mein Pferd aus einem solchen Stall abzuholen und in einem anderen Betrieb unterzubringen? Kann mir das in dieser Situation verboten werden?

Nein, das kann man keinem Pferdebesitzer verbieten, außer, der Stall steht unter Quarantäne. Gibt es beispielsweise einen Covid19-Fall und wird behördlich eine Quarantäne verhängt, darf klarerweise niemand mehr den Stall betreten. Aber solange das Betretungsverbot nur auf der Entscheidung des Stallbetreibers beruht, steht es mir jederzeit frei, mein Pferd abzuholen und es in einen anderen Stall zu bringen, wo ich weiterhin Zugang zu ihm habe.


Bei einer Totalsperre durch den Betreiber: Wie sieht es da mit der Versorgung der Pferde aus, wenn sie spezieller Betreuung bedürfen, die sonst durch den Besitzer abgewickelt wird? Etwa die Verabreichung von Medikamenten, die Gabe spezieller Futtermittel, Verbandswechsel oder notwendige Bewegung. Müssen derartige Maßnahmen vom Anlagenbetreiber durchgeführt werden?

Wenn der Stallbetreiber dem Pferdebsitzer nicht die Möglichkeit gibt, Bedürfnisse des Pferdes selbst zu befriedigen bzw. notwendige medizinische Behandlungen wie einen Verbandswechsel oder ähnliches durchzuführen, dann muss er das im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht aus dem Einstellvertrag selbst und ohne die Verrechnung von Zusatzkosten bewerkstelligen.

Wie sieht es mit Hufschmieden und Tierärzten aus, wenn der Stall gesperrt ist? Kann/darf man diesen Personen den Zutritt verweigern? 

Nein, gerade wenn wir von Tierärzten ausgehen, die zur medizinischen Versorgung gehören, dann ist ein Betretungsverbot nicht zulässig. Dasselbe gilt auch für Hufschmiede, wenn das Pferd zur Gesunderhaltung eine Bearbeitung braucht. Eine Ausnahme bildet auch hier die behördliche Sperrung des Betriebes aufgrund von Quarantänemaßnahmen. In allen anderen Fällen würde durch ein Verbot die Gesundheit des Tieres gefährdet werden. Stallbesitzer müssen sich im Klaren darüber sein, dass sie im Rahmen des Einstellvertrages für die ordnungsgemäße Versorgung des Tieres haften. Diese müssen sie auch sicherstellen.


Stichwort Reitbeteiligung: Wie sieht es mit Mitreitern aus? Dürfen sie weiterhin ihr Mitreitpferd besuchen oder fällt das per Definition eher in die Kategorie Reitbetrieb, der lt. Verordnung ja einzustellen ist?

Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, weil die Verordnung in dieser Hinsicht nicht klar ist. Unter Reitbetrieb oder Unterricht lässt sich eine Reitbeteiligung sicherlich nicht subsummieren. Für den Fall, dass der Pferdebesitzer erkrankt oder anderweitig verhindert ist, muss es allerdings die Möglichkeit geben, jemanden anderen zum Pferd zu schicken, der das Tier versorgt.


Zu welchen Maßnahmen würden Sie Reitstallbetreibern derzeit raten, um eine Verbreitung des Virus möglichst nicht weiter voranzutreiben?

In großen Betrieben, in denen 60 bis 70 Pferde eingestellt sind, ist es sicherlich ratsam, das Stüberl zu sperren. Laut Anordnung sollen sich derzeit nicht mehr als fünf Personen in einem Raum befinden. Nachdem eine Reithalle ein geschlossener Raum ist, ist für mich fraglich, ob diese Bestimmung nicht auch hier gilt. Eine Beschränkung auf zwei bis drei Reiter pro Reithalle ist aus derzeitiger Sicht sicherlich sinnvoll, sofern man die Halle nicht ganz sperren will. In Betrieben mit sehr vielen Einstellern ist es außerdem ratsam, die Besuchszeiten zu staffeln, damit nicht zu viele Pferdebesitzer gleichzeitig im Stall aufschlagen. Das lässt sich über WhatsApp oder Terminorgaisations-Tools wie Doodle etc. heute relativ einfach bewerkstelligen.

Zur Person

pacher.jpg

© www.christian-husar.com

Dr. jur. Manuela M. Pacher ist Rechtsanwältin in Wien und unter anderem spezialisiert im Gesellschaftsrecht, Kollektiv- und Individualarbeitsrecht, Biotechnologie und Pharma sowie im allgemeinen Vertragsrecht. Als passionierte Reiterin ist sie zudem in allen rechtlichen Belangen rund ums Pferd versiert.

www.legis.at