Recht

Anlehnungsprobleme und vernarbte Maulwinkel: Turnierpferd kann trotzdem nicht zurückgegeben werden

Ein Artikel von Pamela Sladky | 28.09.2021 - 11:10
AdobeStock_230414126.jpeg

(Symbolfoto) ©Talitha - stock.adobe.com

Im Jänner 2015 kaufte eine Frau einen Hengst für 65.000 Euro nachdem sie das Pferd zuvor ärztlich untersuchen hatte lassen und auch unter dem Sattel getestet hatte. Nur drei Monate später konsultierte die Neo-Hengstbesitzerin eine Tierärztin. Das Problem: Im Beritt zeigte das Pferd Probleme mit der Anlehnung. Dazu hatte der Hengst auch allen Grund. Bei ihrer Untersuchung stellte die Tierärztin nicht nur einen offenen rechten Maulwinkel fest, sondern auch ein Überbein an der linken Lade.

Nachdem den Anlehnungsproblemen weiterhin nicht beizukommen war, brachte die Frau das Pferd zurück zu seinem Verkäufer. Im Oktober 2017 trat sie vom Kaufvertrag zurück mit der Begründung, dass der Hengst bereits bei Übergabe ein Überbein an der Lade sowie Vernarbungen in der Mundhöhle gehabt habe. Diese Vorerkrankungen, so die Meinung der Käuferin, seien letztlich auch der Grund für die Anlehnungsprobleme. Das sah das Landgericht, bei dem der Fall schließlich landete, anders. Es wies die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und Schadensersatz ab.
 

Keine Garantie, dass sich Perspektiven realisieren

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main keinen Erfolg. Das Pferd sei zum Zeitpunkt der Übergabe nicht mangelhaft gewesen, bestätigte das OLG in seinem Urteil vom 14.9.2021 (Az. 6 U 127/20). Die Parteien hätten keine besondere Beschaffenheitsvereinbarung etwa hinsichtlich der „Rittigkeit“ oder der Geeignetheit für eine bestimmte Turnierklasse vereinbart. Schriftlich läge keine entsprechende Vereinbarung vor. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte das Pferd mit sportlichen Perspektiven angepriesen habe, lasse sich nicht ableiten, dass er die Gewähr dafür übernehmen wollte, dass sich diese Perspektiven realisieren. „Es liegt in der Natur der Sache, dass Entwicklungsprognosen beim lebendigen Tier unsicher und letztlich spekulativ sind und der Verkäufer ohne ausdrückliche Absprache hierfür keine Gewähr übernimmt“, begründete das OLG.

Es sei auch nicht feststellbar, dass sich das Pferd bei Gefahrübergang für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht geeignet habe. Das Pferd sei ein Dressurpferd gewesen und sollte bei Turnieren zum Einsatz kommen. Weitergehende Absprachen seien nicht getroffen worden. Der Verkäufer habe deshalb - lediglich - dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank sei bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig erkranke. Unter einem krankhaften Zustand sei eine „klinische Erscheinung“ zu verstehen. Nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres gehöre dagegen, „dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht“, führte das OLG aus. Tiere unterlägen als Lebewesen einer ständigen Entwicklung und seien mit individuellen Anlagen ausgestattet. „Bloße Widersetzlichkeiten („Rittigkeitsmängel“) stellen daher regelmäßig keine Abweichung von der Sollbeschaffenheit dar“, vertieft das OLG. Das Pferd sei hier weder krank noch aus anderen Gründen als Reit- und Dressurpferd schlechthin ungeeignet gewesen. Probleme mit der Anlehnung des Pferdes allein stellten keinen Mangel dar, da sie auch auf natürlichen Ursachen beruhen könnten.


Selbst verursacht

Die später festgestellten Befunde in Form offener Mundwinkel, knöcherner Veränderungen an der linken Lade und einer Hautläsion im Bereich des Unterkiefers könnten zwar als Mangelerscheinungen angesehen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei jedoch davon auszugehen, dass diese Umstände noch nicht zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden gewesen seien. Das Tier sei am Tag der Übergabe untersucht worden, ohne dass die nunmehrigen Befunde festgestellt wurden. Zudem habe die Klägerin selbst noch mehr als zwei Jahre nach Vertragsschluss dem Beklagten gegenüber mitgeteilt, dass sich das Pferd in Topform befinde.

Ob der Fall damit abgeschlossen ist, bleibt abzuwarten. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.  

Quelle: Pressemitteilung