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Wieder ein Fiakerpferd in der Wiener City kollabiert

Ein Artikel von Pamela Sladky | 06.07.2021 - 10:30
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Am Michaelerplatz in Wien kam am Freitag ein weiteres Fiakerpferd ums Leben. (Symbolfoto)
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Das Video zeigt einen Schimmel, der auf dem Wiener Michaelerplatz zu Sturz kommt. Immer wieder versucht sich das Pferd aufzurichten, doch die Hinterhand versagt. Schließlich bleibt es resigniert liegen. Wie später bekannt wurde, soll das Pferd einem akuten Kreuzverschlag zum Opfer gefallen und verstorben sein. Das bestätigte die Pferdebesitzerin und Sprecherin der Fiaker in der Wirtschaftskammer Wien, Ursula Chytracek, im Gespräch mit dem Kurier. „Jedem Pferd kann so etwas passieren", sagte Chytracek, die den Grund für die plötzlich auftretende Muskelerkrankung ihres Pferdes in der derzeitigen Unterbeschäftigung der Fiaker ortet. "Man hat (Kreuzschlag) früher auch Montagskrankheit genannt, weil die Pferde am Sonntag zu wenig gearbeitet haben“. Auch die Fiakerpferde würden aufgrund des weiterhin anhaltenden Touristenmangels weniger arbeiten, als sie es vor Pandemie-Beginn gewohnt waren. Man habe versucht, das Pferd zu sedieren und in die Klinik zu bringen – vergeblich. "Leider konnte man das Pferd nicht retten“, so die Unternehmerin.

Kreuzverschlag

Als Kreuzverschlag, auch Kreuzschlag, Belastungsmyopathie oder Feiertagskrankheit genannt, bezeichnet eine Erkrankung der quergestreiften Muskulatur, die durch Entgleisung des Muskelstoffwechsels hervorgerufen wird. Die akute Form des Kreuzverschlages entwickelt sich meist als Folge von Überforderung eines nicht entsprechend trainierten Pferdes. Aber auch gut trainierte Pferde können einen Kreuzschlag erleiden, wenn sie weniger als gewohnt ausgelastet sind, gleichzeitg aber weiterhin hohe Kraftfutter-Rationen erhalten. Typischerweise tritt Kreuzschlag bei Pferden auf, die im Winter mangels Halle kaum bewegt werden und plötzlich erhöhte Leistung erbringen sollen, oder Distanzpferden, die an einem sehr heißen Sommertag starten und über vermehrte Schweißabsonderung zu viel Flüssigkeit und Elektrolyte ausscheiden. Auch Pferde, die generell unregelmäßig gearbeitet werden, haben ein erhöhtes Risiko.

Betroffene Pferde fallen zu Beginn durch Bewegungsunlust und einen steifen Gang auf, später sind starkes Schwitzen und absolute Bewegungsverweigerung typisch für die Erkrankung. Die Muskulatur an Rücken, Kruppe Lende und den hinteren Gliedmaßen ist bei Kreuzschlag-Pferden deutlich verhärtet und sehr schmerzempfindlich. In ausgeprägten Fällen knicken die Pferde in der Hinterhand ein und liegen sich fest. Weil bei der akuten Verlaufsform mitunter große Mengen an Muskelzellen zerstört werden, kann es im Extremfall sogar zu Nierenversagen kommen.

Zweiter Fall innerhalb weniger Wochen

Der Todesfall des Fiakerpferdes auf dem Michaelerplatz ist der zweite innerhalb weniger Wochen. Erst vor einem Monat war auf der Wiener Ringstraße ein Pferd zusammengebrochen und vor der Kutsche verendet. Als Todesursache gab der Amtstierarzt damals eine Aortenruptur an.

Angesichts des neuerlichen Vorfalles sieht sich der Tierschutzverein VGT in seiner Forderung, die Fiaker gänzlich aus der Wiener Innenstadt zu verbannen, bestätigt. „Niemand kann mehr behaupten, dass das für Pferde schön oder gesund sein kann. Momentan schieben die Politiker:innen die Verantwortung für Verbesserungen hin und her. Wie viele Fiakerpferde müssen noch elend zugrunde gehen, bis die Politik endlich handelt?“ Der VGT fordert nun eine Untersuchung des Vorfalls.

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Haben bald alle Fiaker in Österreich ab 30 Grad hitzefrei?

Die außergewöhnlich frühe Hitzewelle im heurigen Jahr hat auch die alljährlichen Diskussionen rund um die Wiener Fiaker wieder entbrennen lassen. Und erstmals fordert auch der Wiener Tierschutz-Stadtrat Hitzeferien für Pferde ab 30 Grad. Eine Neuregelung ist allerdings nur auf Bundesebene möglich und beträfe dann wohl alle gewerblichen Gespannfahrer:innen in Österreich. Mehr lesen ...

Streitpunkt hitzefrei

Jeden Sommer wird aufs Neue diskutiert, welche Temperaturen man den Fiakerpferden bei der Arbeit zumuten kann. Derzeit liegt die magische Grenze bei 35 Grad. Wird dieser Wert erreicht bzw. überschritten, geht es für die Tiere in die Hitzeferien. Tierschützer:innen kritisieren, dass dieser Wert viel zu hoch angesetzt ist. Sie fordern die Grenze auf 30 Grad herabzusetzen. Dem schloss sich jüngst auch Tierschutz-Stadtrat Jürgen Czernohorszky an. Ein entsprechendes Anliegen wurde in der Vorwoche an den zuständigen Bundesminister Wolfgang Mückstein übergeben, zumal eine entsprechende Änderung nicht auf Länderebene durchgeführt werden kann, sondern bundesweit erfolgen muss (mehr dazu lesen Sie hier).

Zumindest im aktuellen Fall dürfte die Hitze kein Faktor gewesen sein. Am Freitag lagen die Temperaturen in der Wiener Innestadt bei moderaten 20 Grad.