Henning Lehrmann wird dieses Jahr bei der Weltmeisterschaft in Verden Teil der internationalen Jury sein. © www.sportfotos-lafrentz.de
Zweimal war Henning Lehrmann schon Präsident der Richtergruppe bei den FEI WBFSH Dressage World Breeding Championship for Young Horses, den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde – dieses Jahr ist der internationale Grand Prix-Richter das dritte Mal dabei, zum ersten Mal in Verden. Von 6. bis 10. August treffen sich die weltbesten Dressur-Nachwuchspferde in der Reiterstadt, um ihre Weltmeister zu küren.
Im Gespräch erklärt Lehrmann worin die besondere Herausforderung beim Richten einer Jungpferde-WM liegt, was bei der Beurteilung die Hauptrolle spielt – und welche Aussagekraft die WM für den Grand Prix-Sport hat.
Was wird die größte Herausforderung, wenn Sie sich bei der Jungpferde-WM in Verden an den Richtertisch setzen? Beim Richten einer Jungpferde-WM im Allgemeinen?
Gerichtet wird ganz klar nach den Richtlinien, nach der Skala der Ausbildung – ganz vornedran steht der Takt, das ist das Allerwichtigste. Man vergibt pro Pferd fünf Noten – je eine für die Grundgangarten, Durchlässigkeit und Perspektive. Die größte Herausforderung, so empfinde ich das, ist die Durchlässigkeitsnote. Ein durchgängiger Fehler, wie beispielsweise ein deutliches Anlehnungsproblem, ist natürlich deutlicher zu bestrafen als ein kurzes Wegspringen. Das ist klar. Aber ein Beispiel: Wir hatten mal ein Pferd bei den Sechsjährigen beim Bundeschampionat, der uns, der Richtergruppe, unheimlich gut gefallen hat. Aber er hat den Linkswechsel, der in der Qualifikationsaufgabe nur einmal verlangt wird, nicht gezeigt. Das Pferd ist in den Trab gefallen und neu wieder angaloppiert. Für uns wirkte das wie ein Missverständnis, aber das muss man dann einordnen. Das meine ich damit: die Durchlässigkeitsnote ist schwierig, weil man genau einordnen muss, was man in der Kürze und Gesamtheit der Aufgabe wie zu bewerten hat.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Ein internationaler Grand Prix ist fast einfacher zu richten als eine Jungpferde-WM, weil man konkrete Anhaltspunkte von Lektion zu Lektion hat?
Für mich ist es tatsächlich einfacher, einen Grand Prix zu richten, auch weil ich das sehr viel häufiger mache. Und man vergibt Note für Note, das ist natürlich sehr übersichtlich und ja, ich finde, einfacher.
Inwieweit ist eine solche WM der jungen Pferde aussagekräftig in Richtung großer Sport, sagen wir ruhig Grand Prix-Sport? Spielt das beim Richten eine Rolle?
Doch, das spielt durchaus eine Rolle. National heißt die fünfte Note, die wir vergeben, Gesamteindruck. International ist das ein bisschen anders, da heißt diese fünfte Note ‚Perspektive‘. Immer achtet man darauf, ob das Pferd sich setzen kann, ob es Last aufnehmen kann – beim Siebenjährigen natürlich mehr als beim Fünfjährigen – und ob das Hinterbein schnell genug ist etc. Wir gucken, ob das Pferd von hinten durch den Körper arbeitet und ob das Interieur den Eindruck macht, dass das Pferd ein Sportler ist. Auf all das achtet man national wie international, aber im internationalen Vergleich vielleicht mit noch etwas mehr Betonung auf dem Perspektivischen. Es gibt ja auch einige Pferde, die bei der WM erfolgreich waren und dann gute Grand Prix-Pferde wurden. Aber wir können natürlich nicht in die Glaskugel gucken, ob die Pferde später mal gut piaffieren und passagieren.
Die kleinen Finals und die Championats-Finals werden bei der WM nach jedem Pferd von einem Richter kommentiert – auch im August in Verden. Ist das sinnvoll oder eher ein ‚Zeitfresser‘?
Das ist sehr gut. Ich weiß aus Erfahrung, dass nach Jungpferde-Prüfungen, die kommentiert werden, viel weniger über die Beurteilung diskutiert wird als bei Prüfungen ohne Kommentar. Einfach, weil der kommentierende Richter die Chance hat zu erklären. Natürlich muss man nicht mit allem einhergehen, aber es hilft dem gegenseitigen Verständnis ungemein. Kommentieren ist sicher nicht jedermanns Sache und es ist auch anstrengend, aber es ist wichtig.
Bereiten Sie sich gezielt auf ihren Richtereinsatz bei der Jungpferde-WM in Verden vor?
Nein, aber ich freue mich darauf. Mit den jungen Pferden ist es natürlich ganz anders als ein CDI, ein internationales Grand Prix-Turnier. Und das Richten ist anders, weil wir im Team richten. Das ist interessant und macht Spaß. Hinzu kommt, dass ich schon zweimal die WM in Ermelo gerichtet habe, was toll war, aber jetzt finde ich es auch schön, die WM im eigenen Land, in Verden, richten zu dürfen.