Brennpunkt Moderner Fünfkampf

Freispruch für Fünfkämpferin Annika Schleu, Nachschulung für Trainerin

Ein Artikel von Pamela Sladky | 06.09.2021 - 20:14
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Ein Bild, das um die Welt ging: Gold-Favoritin Annika Schleu (GER) verliert völlig die Nerven, als das ihr zugeloste Pferd Saint Boy den Dienst im Parcours quittiert.
© imago images/Sven Simon

Es war der Aufreger der Olympischen Spiele in Tokio. Die haushoch in Führung liegende deutsche Fünfkämpferin Annika Schleu wurde in der vorletzten Disziplin, dem Springreiten, zur tragischen Figur. Das ihr zugeloste Pferd Saint Boy, das zuvor schon unter der Russin Gulnaz Gubaydullina nach einigen schmerzhaften Springfehlern wiederholt verweigert hatte, quittierte unter Schleu schon vor dem Einreiten den Dienst. Nur mit Müh und Not und unter erheblichem Peitschen- und Sporeneinsatz konnte die völlig aufgelöste Deutsche – angefeuert von ihrer Trainerin – den Wallach in Bewegung setzen. Weit kam das Paar nicht. Nach der vierten Verweigerung wurde Schleu abgeläutet. Aus der Traum vom Gold.

Viel schlimmer als der Verlust des sicher geglaubten Olympiasieges war das mediale Echo, das Schleus und Raisners Verhalten vor laufenden Kameras nach sich zog. Trainerin Kim Raisner – auch Betreuerin der deutschen Herrenmannschaft – wurde unmittelbar nach dem Vorfall für den Rest der Olympischen Spiele gesperrt. Beide mussten sich seither Anschuldigungen der Tierquälerei gefallen lassen. Ein Vorwurf, den beide entschieden von sich wiesen.

Noch während der Spiele hatte der Fünfkampf-Weltverband UIPM eine Aufarbeitung der Vorfälle angekündigt. Das hat man nun getan.
 

Raisner droht Lizenentzug

Für Kim Raisner, die Annika Schleu angewiesen hatte das Pferd zu schlagen und selbst mit der Faust einen Hieb gegen Saint Boy ausgeteilt hatte, gibt es einen offiziellen Verweis wegen des Verstoßes gegen Paragraph 4.6.8 des internationalen Fünfkampf-Regelwerks. Zudem muss die Trainerin ein Seminar zum richtigen Umgang mit Pferden absolvieren, will sie wieder für einen UIPM-Wettkampf akkreditiert werden. Sollte es noch einmal zu einem ähnlichen Vorfall wie in Tokio kommen, droht Raisner der Entzug der Trainerlizenz.

Als mildernden Umstand führte die Disziplinarkommission an, dass Raisners sportlicher und beruflicher Werdegang von vorbildlichem Verhalten geprägt sei, „sodass die Ereignisse vom 6. August als Anomalie zu werten sind.“

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© Filip Komorous

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Springreiten als Teildisziplin des Modernen Fünfkampfs steht nach den Vorfällen rund um die Deutsche Annika Schleu bei den Olympischen Spiele in der Kritik. Der österreichische Fünfkämpfer Gustav Gustenau, der in Tokio einen perfekten Ritt hinlegte, sieht Verbesserungspotential für diesen Teilbewerb. Mehr lesen ...

 

"Kein übermäßiger Gerteneinsatz"

Keine Konsequenzen hat der Vorfall hingegen für Annika Schleu. Sie wurde vom Vorwurf des übermäßigen Gebrauchs von Gerte und Sporen freigesprochen. „Basierend auf den vorliegenden Beweisen wurde entschieden, dass der Einsatz von Peitsche oder Sporen nicht übertrieben war, und obwohl die Situation für Reiterin und Pferd zweifellos belastend war, kam das Gremium zu dem Schluss, dass es keine Fragen des Tierschutzes zu klären gibt und dass keine Maßnahmen ergriffen werden.“

Der UIPM bekenne sich zu einem gleichermaßen humanen Umgang mit Tieren und Menschen und man verurteile den Missbrauch beider Spezies, heißt es in einer offiziellen Aussendung des Weltverbandes am Montag. Tierquälerische Handlungen würde man keinesfalls tolerieren. Gleichzeitig lehne man aber auch Mobbing oder Bedrohung von Athleten oder Trainern entschieden ab.

Um Vorfälle wie jene in Tokio künftig zu vermeiden, arbeitet eine UIPM-Arbeitsgruppe derzeit an einem Maßnahmen-Katalog, die die Disziplin Springreiten im Modernen Fünfkampf reformieren soll.