Abschied

Thomas Frühmanns Ausnahmepferd The Sixth Sense gestorben

Ein Artikel von Camilla Götzl, Andrea Kerssenbrock, Red. | 03.10.2022 - 12:13
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Bewegender Moment: 2016 verabschiedete Thomas Frühmann The Sixth Sense auf dem Areal der Trabrennbahn Krieau in Wien aus dem Sport.
© Tomas Holcbecher/holcbecher.com

Wenn man von Ausnahmeathleten unter den Pferden spricht, dann gehörte The Sixth Sense zweifellos in diese Kategorie. Der 1996 geborene Westfale (v. Zorro T, MV: Grannus) aus der Zucht von Brigitte und Bernie Mette aus Holthausen (GER) machte schon früh mit seinem Springvermögen auf sich aufmerksam. 2003 tauchte er als Siebenjähriger – damals noch mit dem Namen Zeno – erstmals auf dem Radar von Thomas Frühmann auf, im Frühjahr 2004 landete er dann endgültig bei ihm. Möglich machte diese Partnerschaft Frühmanns Ex-Ehefrau Serena Hamberg, die den Wallach erwarb, um ihn Thomas zur Verfügung zu stellen.

Was folgte ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht. Gleich in der ersten gemeinsamen Saison feierte das Paar 8 (!) Siege. 2006 wurde The Sixth Sense der Titel "(Spring-)Pferd des Jahres" durch die World Breeding Association for Sport Horses verliehen, im selben Jahr trug der Wallach seinen Reiter als ersten Nicht-Deutschen zum Sieg in der Riders Tour. 2007 hätte Frühmann diesen Erfolg beinahe wiederholt, letztlich wurde er Zweiter. In Großen Preisen auf internationalem Spitzenniveau feierten die beiden unzählige umjubelte Siege. Nur beim Abschiedsspringen bei den Vienna Masters 2016 – The Sixth Sense war da bereits stolze 20 Jahre alt – musste er sich mit dem zweiten Platz begnügen.

Vom Fast-Karriere-Aus zum fulminanten Comeback

Dass er überhaupt so lange noch aktiv, und vor allem so gut im Sport unterwegs war, grenzte fast an ein Wunder. Denn 2010 bedeutete eine Fesselträger-Verletzung beinahe das Karriereende des großen Braunen. Zu diesem Zeitpunkt trat Karin Reichl in das Leben des Wallachs. Sie schlug Thomas Frühmann vor, The Sixth Sense mit Energie-Impuls-Therapie zu behandeln. Nach eineinhalb Jahren Pause schaffte der Wallach das erfolgreiche Comeback in den internationalen Springsport, 2013 gewannen die beiden die Österreichische Staatsmeisterschaft.

Nach seiner Verabschiedung im Rahmen des Vienna Masters im September 2016, wo Serena Hamberg Thomas Frühmann den Wallach zum Geschenk machte, ging es für „die Sense“ direkt nach Kuchl in Salzburg, wo der Westfale in Elisa, Karins Reichls Tochter, seine neue Pflegerin und Reiterin fand.


Das Leben nach dem Sport


Verändert hat sich der Dunkelbraune in seiner Pensionierung kaum. „Charakterlich war und ist er im Umgang ein Traum“, waren sich Frühmann und Reichl einig, als wir „das Senserl“ vor zwei Jahren in seinem Altersdomizil besuchten. „Es ist selten, dass man für ein Pferd die Hand ins Feuer legen würde. Aber beim Sense bin ich mir sicher, dass er einem nie etwas antun würde. Mit dem kannst du alles machen. Er ist im Umgang das bravste Pferd, fast wie ein Hund. Er ist etwas ganz Besonderes“, so Reichl. Nur beim Reiten legte sich bei ihm auch nach seiner Karriere ein Schalter um. Obwohl The Sixth Sense physisch nicht mehr in derselben Form wie in seiner aktiven Zeit war, forderte er von Elisa Reichl beim Reiten höchste Konzentration. Sobald der Sattel auf seinem Rücken zum Liegen kam, war der Wallach motiviert wie eh und je. Da konnte ihm auch schon mal der ein oder andere Freudensbuckler auskommen.

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In einem Interview sagte Thomas Frühmann einmal, er liebe The Sixth Sense. Umgekehrt ist es wohl ebenso gewesen, die beiden waren eine Einheit. © holcbecher.com

Happy Athlete

In jungen Jahren hatte der sprunggewaltige Westfale Thomas Frühmanns Sensibilität enorm geschärft. „The Sixth Sense war das Pferd, das mir am deutlichsten gesagt hat: ‚Hör zu mein Freund, so geht das nicht!‘. Charakterlich war er mit Sicherheit der Stärkste“, so Frühmann. Der Schlüssel zum Erfolg sei bei The Sixth Sense deshalb stets gewesen, in zufrieden zu halten. „The Sixth Sense war deswegen so gut, weil wir ihn immer bei Laune gehalten haben. Sicherlich hat er ein bisschen ulkig ausgeschaut, mit seiner schiefen Hüfte und der hängenden Unterlippe, aber er war erfolgreich, weil er so zufrieden war. Er hat mir beigebracht, wie ich mit ihm arbeiten muss.“

The Sixth Sense forderte von seinem Reiter ein harmonisches Miteinander, frei von Druck und Zwang, und eine freie Form. Und das ist auch das  Bild, das von The Sixth Sense unter Thomas Frühmann bleibt: Ein mit wenig Aufwand und feiner Hand gerittenes Pferd, das den Sport selbst in den schwersten Parcours leicht aussehen ließ.