Henrik von Eckermann muss man nicht lange vorstellen. Der Schwede hat den Springsport in den vergangenen Jahren geprägt wie kein anderer Reiter. Mannschafts-Olympiasieger im Jahr 2021, Mannschafts- und Einzel-Weltmeister 2022, Weltcup-Gesamtsieger in den Jahren 2023 und 2024 sowie Langzeit Weltranglisten-Erster von 2022 bis 2025.
Solche Erfolge kommen nicht von ungefähr. Schon immer zeichnete den großgewachsenen Schweden ein besonderes Gespür für Pferde aus, eine entscheidende Wendung nahm Eckermanns Karriere jedoch, als er 2003 begann, für den deutschen Springreiter Ludger Beerbaum zu arbeiten. Während der fast zwölf Jahre, die er in Beerbaums Stall verbrachte, entwickelte er sich nicht nur als Reiter weiter, sondern sammelte auch wertvolle Erfahrungen im Pferdemanagement und der Ausbildung von Spitzenpferden, wie er im Gespräch mit seinem Sponsor, der Tierversicherung Agria verrät.
„Mein Reitstil hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Wenn ich zurückblicke, sehe ich, dass ich vor zehn Jahren ganz anders geritten bin als heute. Aber ich habe mich immer an die individuellen Bedürfnisse der Pferde angepasst. Jedes Pferd ist einzigartig – das zu erkennen und zu berücksichtigen, war und ist meine Stärke. Der rote Faden ist vorhanden, aber immer angepasst an das jeweilige Pferd.“
Im Laufe seiner Karriere hat von Eckermann eine klare Grundphilosophie entwickelt, die heute das Fundament seines Erfolgs bildet: pferdegerechtes Training, individuelle Haltung und der konsequente Verzicht auf ein dominantes Ego im Umgang mit dem Pferd. Diese drei Säulen prägen nicht nur seinen Alltag im Stall, sondern auch seinen Weg an die Weltspitze.
1. Richtig Aufwärmen
So beginnt jedes Training bei von Eckermann mit einer bewusst gestalteten Aufwärmphase: „In den ersten 15 bis 20 Minuten fordere ich nichts vom Pferd. Schritt, Trab und Galopp im leichten Sitz – einfach, um den Körper aufzuwärmen und das Pferd zu entspannen.“ Für ihn ist das die Grundlage für Motivation und Losgelassenheit.
2. Individuell halten
Auch im Stall und bei der Gestaltung des Auslaufs achtet Henrik von Eckermann darauf, die Bedingungen an jedes Pferd anzupassen. „Nicht alle Pferde kommen miteinander aus. Besonders bei Hengsten ist Vorsicht geboten, aber auch Stuten und Wallache harmonieren nicht immer. Pferde brauchen Kontakt, jedoch auf sichere Weise.” Es geht nicht nur um Verletzungsgefahr, sondern auch um Stressvermeidung. “Man muss seine Pferde kennen” sagt Henrik von Eckermann. “Manche Pferde fühlen sich in der Mitte des Stalls wohl, andere bevorzugen eine Ecke.”
3. Ego zurückstellen
Und schließlich ist da noch ein Punkt, der ihm besonders wichtig ist: das eigene Ego zurückzustellen. Viele Pferdebesitzer haben Vorstellungen davon, wie ihr Leben mit dem Pferd aussehen sollte. Doch nicht jedes Pferd kann und will die Leistung erbringen, die der Mensch sich wünscht. „Mit meinen Pferden habe ich oft das Gefühl, dass sie echte Initiative im Training und bei Turnieren zeigen. Sie wirken motiviert für ihre Aufgaben. Aber es gibt auch Pferde, die nicht den gleichen Willen zeigen. Das muss man akzeptieren“, erklärt von Eckermann weiter: „Es geht nicht immer darum, dass das Pferd nicht will, sondern dass man auf dem falschen Niveau unterwegs ist. Manchmal genügt es, mit dem Pferd in niedrigeren Klassen zu starten und einfachere Parcours zu reiten, damit es motiviert bleibt. Pferde in Klassen einzusetzen, die nicht zu ihnen passen, erzeugt Widerwillen. Nicht alle Pferde sind dafür gemacht, in den höchsten Klassen zu starten oder überhaupt Turniere zu gehen.“
Es kann aber auch sein, dass der Reiter und Pferd einfach nicht zusammenpassen. „Es ist nicht immer so, dass der eine Reiter besser ist als der andere, sondern es geht oft um die Teamharmonie. Es gibt viele Fälle, in denen ein sehr guter Reiter ein Pferd geritten hat, das später bei einem weniger erfahrenen Reiter zu einem hervorragenden Turnierpferd wurde – einfach weil sie besser harmonierten.“
Die logische Schlussfolgerung aus dieser Beobachtung: „Das eigene Ego hat im Reitsport keinen Platz. Man muss akzeptieren, dass nicht alle Pferde zum eigenen Reitstil passen. Stattdessen sollte man versuchen, das Beste für Pferd und Reiter zu erreichen.“