Springen

Blut am Springpferd – Ausschluss oder Augenmaß?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 29.10.2025 - 16:36
14471603529692.jpg

Blut am Pferd und wie damit im (Spring-)Sport umgegangen wird, ist aktuell ein heiß diskutiertes Thema.  © www.slawik.com

Kaum ein Thema bewegt die Springreiterwelt so sehr wie Artikel 241.3.30 des FEI-Springreglements. Er sieht die Disqualifikation eines Reiters vor, wenn sein Pferd Blut an den Flanken aufweist. Neuen Zündstoff für die Debatte lieferte der Teambewerb der Olympischen Spiele in Paris im vergangenen Jahr, als das brasilianische Team aufgrund eines kaum sichtbaren Kratzers an den Flanken von Pedro Veniss‘ Pferd disqualifiziert wurde. Veniss durfte auch im Einzel nicht mehr antreten – nach Meinung des International Jumping Riders Club (IJRC) eine völlig unverhältnismäßige Strafe.

Die „Blutregel“, ihre Konsequenzen und mögliche Neuinterpretationen, wurden vergangenen April im Zuge des FEI Sports Forums in Lausanne intensiv diskutiert. Stephan Ellenbruch, Vorsitzender des FEI Jumping Committee, verteidigte dabei die aktuelle Regelung: „Ich verstehe, dass der Jumping Riders Club und die Reiter:innen die Konsequenzen dieser Regelung diskutieren möchten. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Brauchen wir die Regel oder nicht? Und ich bin absolut überzeugt: Ja, wir brauchen diese Regel. Für mich steht nicht zur Diskussion, die Vorgehensweise zu ändern. Aber wenn es eine bessere Möglichkeit gibt, Reiter:innen zu sanktionieren, dann sollten wir darüber sprechen.“

Im weiteren Verlauf brachte Ellenbruch eine mögliche Reform ins Spiel: ein gestaffeltes Sanktionsmodell mit Verwarnung, gelber Karte und erst bei schweren oder wiederholten Verstößen einer Sperre. Diese Lösung scheint die FEI nun konkret ins Auge zu fassen.

2025 steht eine Revision des Springreglements an. Anlässlich der FEI-Generalversammlung in Hongkong Anfang November soll über die geplanten Änderungen abgestimmt werden. Anträge aus Irland, den USA sowie des IJRC – der Interessensvertretung der Springreiter:innen – sprechen sich für eine Anpassung der bisherigen Regelungen zum Umgang mit Blut am Pferd aus.


Wie es derzeit ist

Auszug aus dem FEI Springreglement, 27. Ausgabe, 1. Januar 2022, mit Aktualisierungen gültig ab 1. Januar 2025:

ARTIKEL 241 – DISQUALIFIKATIONEN

Die folgenden Absätze legen die Gründe fest, aus denen Reiter:innen in Springprüfungen disqualifiziert werden. Die Jury muss eine Disqualifikation unter den folgenden Umständen aussprechen:

3.30. Blut an der/den Flanke(n) des Pferdes;

3.31. Pferde, die im Maul bluten. In geringfügigen Fällen von Blut im Maul – z. B. wenn das Pferd sich offenbar auf die Zunge oder die Lippe gebissen hat – können die Offiziellen das Ausspülen oder Abwischen des Mauls genehmigen und der Reiter:in erlauben, weiterzureiten. Jedes weitere Anzeichen von Blut im Maul führt jedoch zur Disqualifikation.

Bislang führte also lediglich Blut an den Flanken unumstößlich zum Ausschluss. Bei Maulverletzungen kam es auf das Ermessen der Offiziellen an, und Blut an anderen Stellen war bislang nicht geregelt – auch wenn derzeit vielerorts anderes postuliert wird. Auf diese Weise wird bereits seit mehr als fünf Jahren verfahren.


Wie es werden soll

Und wie soll künftig mit einem blutenden Pferd umgegangen werden? Der aktuelle Diskussionsvorschlag der FEI sieht folgendes vor:

(einen neuen) ARTIKEL 259 – Aufgezeichnete Verwarnungen Springen

259.1 Jegliches Blut am Pferd, verursacht durch Zaumzeug, Ausrüstung oder durch die Reiter:in während eines Wettbewerbs (vom Aufwärmen bis zum Abschluss aller nachfolgenden Kontrollen/Tests), führt zu folgenden Konsequenzen:

Erstes Vergehen: Springen – schriftliche Verwarnung

Zweites Vergehen: Springen – schriftliche Verwarnung

Bei zwei oder mehr Verwarnungen innerhalb von 12 Monaten wird eine Geldstrafe von CHF 1'000 verhängt und die verantwortliche Person automatisch für einen Monat suspendiert. Die Suspendierung beginnt am Tag nach dem letzten Veranstaltungstag, an dem die zweite Verwarnung ausgesprochen wurde. Die FEI informiert die verantwortliche Person über die Suspendierung. Die Zustellung nach Beginn der Suspendierung verschiebt deren Wirkung nicht.

259.2 In anderen Fällen von Blut am Pferd, z. B. bei kleinen Maulverletzungen oder Nasenbluten, können die Offiziellen das Blut ausspülen oder abwischen und der Kombination Reiter:in/Pferd erlauben, den Wettbewerb fortzusetzen – vorausgesetzt, das Pferd gilt nach Artikel 259.3 als wettkampffähig. Es erfolgt keine Verwarnung.

259.3 Das Pferd darf nur dann im Wettbewerb weitermachen oder an weiteren Wettbewerben teilnehmen, wenn die Jury in Absprache mit dem Veterinärdelegierten das Pferd als wettkampffähig eingestuft hat.

Der Regelvorschlag der FEI präzisiert also einerseits den Umgang mit Blut am Pferd, andererseits gewährt er aber auch eine Aufweichung der bisherigen Regel. Für den eingangs erwähnten Pedro Veniss hätte es nach diesem Reglement wohl keinen Ausschluss in Paris gegeben – ebenso wenig wäre das brasilianische Team geplatzt.

Gefährliches Signal

„Wir können es uns nicht leisten, das falsche Signal zu senden. Die Sanktion muss bestehen bleiben, aber das Protokoll muss einheitlich und transparent sein“, warnte Cesar Hirsch, Level-4-Richter und Steward aus Venezuela, beim FEI Sports Forum. Stephan Ellenbruch ergänzte: „Entscheidend ist immer die soziale Akzeptanz des Sports. Es ist sehr schwer, der Öffentlichkeit eine andere Haltung zu vermitteln.“

Was die Öffentlichkeit von einer Aufweichung der Regelung hält, zeigt sie derzeit eindrucksvoll. Eine von Dressur-Studien-Chefin Claudia Sanders lancierte Petition zum Thema fand binnen weniger Tage mehr als 33.000 Unterstützer:innen – Tendenz stark steigend.

Es braucht mutige Entscheidungen zum Schutz des Pferdes – auch wenn sie wehtun

Es ist nachvollziehbar, dass Reiter:innen damit hadern, wenn ein kleiner Kratzer am Pferd Olympiaträume platzen lässt und die harte Arbeit von Wochen und Monaten im Handumdrehen zunichte macht. Doch wenn die oberste Prämisse im Pferdesport – das Wohl des Pferdes – nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll, wenn Interpretationen keinen Spielraum haben sollen und die Akzeptanz des Sports in der Gesellschaft Bestand haben soll, müssen klare und mutige Signale für das Pferdewohl gesetzt werden. Selbst dann, wenn sie weh tun – allen außer dem Pferd.