OLYMPIA 2024

Harald Ambros „voll zufrieden“ mit Olympia-Auftakt

Ein Artikel von Ernst Kopica | 27.07.2024 - 18:48
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Großes Lob von Harald Ambros an seinen Vitorio du Montet © holcbecher.com

Der Wettergott hatte leider kein Einsehen mit den Buschis und ihren Pferden, denn ein stetiger Nieselregen begleitete die 64 Ritte. Verlangt wurde ein 5*-Test, der alle Lektionen in einen Zeitrahmen von etwa 3 Minuten 50 packte, während sonst 4:45 bis 5 Minuten üblich sind. Der Grund liegt beim IOC, das vorgab, dass aus Zeitgründen die Dressur an einem einzigen Tag abgeschlossen sein muss.

„Voll zufrieden“

Harald Ambros war dies egal: „Für uns war das kein Problem, weil mein Pferd alle Lektionen schon von Haus aus beherrschte.“ Auch sonst gab sich der Österreicher im Interview nach seinem 63,50 %-Ritt gelassen und relaxt: „Ja, ich bin sehr zufrieden. Er (Vitorio du Montet) war immer sehr konzentriert, sehr ruhig und sehr bei mir. Darum hat es mich gewundert, dass er den Galopp nicht erwarten konnte und daher beim angaloppieren eine kleine Störung war. Da ist bei ihm einfach die Aufregung drin.“

Aber die Stadionatmosphäre war für beide nicht entscheidend: „Von der Vorbereitungszeit und von der Dauer der Vorbereitung haben wir es ganz gut erwischt, denn er kann auch ganz anders, wenn er in eine solche Atmosphäre kommt. So gesehen ich bin voll zufrieden.“

Von den Wertungen her gab es beim versammelten Schritt ein kleines Minus: „Den ersten Schritt ist er sehr gut gegangen und dann muss man eine Wendung reiten und in dieser hat er dann einen kleinen Zacken reingemacht. Das hat mich ein bisschen überrascht.“
 

Mit einem Lächeln im Olympia-Viereck

Auf die vollen Zuschauertribünen und das Stadion angesprochen meinte der Routinier, der schon zum vierten Mal bei Olympia an den Start geht: „Im Stadion war es nicht so schlimm, aber das runterreiten vom Stall, das relativ zügig geschehen muss, das kriegt das Pferd natürlich voll mit. Und wie schon gesagt, er ist irrsinnig sensibel auf Situationen, wenn es laut und viel los ist. Da bin ich eigentlich sehr glücklich, dass er heute so mitgemacht hat.“ Auf den Großaufnahmen des Videomonitors war auch zu sehen, dass Ambros immer wieder lächelte und den Ritt sichtlich genoss: „Ja das war wirklich so. Ich habe auch immer alles vorausgeplant, bis auf das eine Mal vor dem Angaloppieren.“

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Olympic Games © holcbecher.com

Schöner geht es nicht

Jetzt heißt es sich auf die Geländeprüfung zu konzentrieren, die im Schlosspark auf die beiden wartet. Man kann gespannt sein, wie sich der Boden nach den Niederschlägen präsentieren wird. Der Kurs verspricht aber einiges und verlangt den Paarungen wirklich alles ab: „Anspruchsvoll, besonders die geraden Wege! Aber wunderschön! Schöner geht es wirklich nicht mehr. So ein Gelände reiten zu dürfen, ist eine große Ehre und ich bin froh und sehr dankbar, hier sein zu dürfen.“

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Voll zufrieden: Harald Ambros © holcbecher.com

Auch wenn es zahlreiche Alternativrouten in den Hindernissen gibt: Am Plan hat Ambros, es auf dem direkten Weg zu versuchen. „Natürlich schaut man sich die Alternativrouten an, wenn was wäre oder wenn das Pferd einen nicht so guten Eindruck macht, aber geplant sind die direkten Wege.“ Von der Startnummer her wird Ambros auch im Gelände als 46. von 64 an den Start gehen. Ein Vor- oder Nachteil? „Kann ein Vorteil sein, wenn man andere Ritte schon beobachten kann, vom Boden her kann es ein Nachteil sein, das wird sich erst zeigen.“
 

Gedrückte Stimmung

Die Stimmung im Team war natürlich nach dem Ausscheiden von Lea Siegl und Fighting Line am Vorabend etwas gedrückt. „Man kriegt das klarerweise voll mit, auch wenn man sich auf sich selbst konzentriert und daher war es natürlich enttäuschend am gestrigen Tag. Aber ich habe ein sehr arbeitsintensives Pferd, den reite ich dreimal am Tag. Heute war er jetzt das vierte Mal unterm Sattel, aber immer nur so 15 Minuten, damit er einfach nicht mitbekommt, wann es jetzt wirklich drauf ankommt.“

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Team AUT fiebert mit Ambros mit © holcbecher.com

Die Tücken im Geländekurs

Jetzt gilt es aber sich auf den besonders gelungenen Geländekurs zu konzentrieren. Die besonderen Tücken? „Das erste Wasser, denke ich mal, das ist die Nummer 5. Dann oben das Hindernis Nummer 10 mit der Brücke, die verlangt Mut vom Pferd. Und dann kommen noch im Wald einige andere Kombinationen. Es sind sicher dann gegen Schluss die Schrägsprünge auf den Hängen noch eine Schlüsselkombination.“

Collett in Führung

In der Einzelwertung führt nach Tag 1 die Britin Laura Collett (London 52) mit 17,50 Strafpunkten (82,5 %) vor dem Deutschen Michael Jung (Chipmunk) 17,80 (82,2 %), dem Australier Christopher Burton (Shadow Man) sowie dem Überraschungsmann Alex Hua Tian (Jilsonne van Bareelhof) beide 22,00 (78 %).

In der Teamwertung liegt erwartungsgemäß Großbritannien voran (66,70), gefolgt von Deutschland (74,10) und Frankreich (80,7).

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Führende nach der Dressur: Laura Collett (GBR) mit London © FEI / Benjamin Clark Photography

Blog: Olympiageflüster aus Versailles (2) - Verkehrschaos und Zwangsmärsche

Fürs Wetter können die Franzosen nichts, für den Zustand und die Organisation ihres öffentlichen Nahverkehrssystem sind sie aber voll verantwortlich. Na gut, wenn Sabotage-Anschläge die TGV-Verbindungen stören, dann ist eben wirklich höhere Gewalt. Wenn es gerade bei Olympischen Spielen auch bei den Vorortezügen und Metrolinien zu massiven Ausfällen und Stillständen kommt, dann wird man als Betroffener schon sauer. Denn die Organisatoren wiesen im Vorfeld und in allen Guides immer darauf hin, dass es möglich ist mit dem (immerhin kostenlosen) Navigo-Pass alle Wettkampfstätten rasch zu erreichen. Die angebotenen Shuttle-Busse sind für die Pferdesportbewerbe keine Alternative, da es keine direkten Kurse dorthin gibt.

Nach dem Besuch des Austria-Hauses, wo heute Vormittag eine Pressekonferenz mit unseren vier Dressurreiter:innen stattfand, bekam ich den ersten Vorgeschmack auf das olympische Verkehrsdilemma. Vorerst ist man als gewohnter Parisbesucher einmal verwundert wie leer doch die Busse, Metros und Züge sind, da viele Bewohner offenbar wirklich vor Olympia geflüchtet sind. Also dann rein in die gute Stube des Pavillon Montsouris, wo innerhalb von nicht einmal drei Wochen ein erstaunliches Stück Österreich entstanden ist. In einer luftigen, heimatlichen Holzkonstruktion wird einerseits der historische, denkmalgeschützte Ort – hier haben einst Gäste wie Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre verkehrt – gewürdigt, und andererseits der belebte Park samt dem angrenzenden Pavillon miteinbezogen. Nach der Pressekonferenz noch ein heimisches Erdäpfelgulasch, dann die offizielle Transportation-App gecheckt, sollte kein Problem sein: Tram, RER C, wieder Tram und in 1 ¼ Stunden bin ich im Reitstadion.

Aber beim Bahnhof dann die Anzeige, dass alle Züge gecancelt wurden. Es vergeht einige Zeit, dann erklärt mir ein freundlicher Bahnangestellter, dass ich zurückfahren muss nach Invalides, dann nach Montparnasse, dann einen anderen Zug, wieder umsteigen, und dann mit der Tram zum Stadion. Ich wähle die Alternative Taxi, ein gebürtiger britischer Algerier als Chauffeur unterhält sich mit mir über die Fußball-WM 1982, aber trotz Navi enden wir in Versailles plötzlich inmitten einer Traube von Securitys, die mir wortreich, aber bestimmt erklären, ich könne gerne in den Schlosspark, aber zu Fuß. Auch die Interventionen beim Driver, einfach rund um den Park zu fahren, scheitern. Also gut, gehe ich halt den 6 km Vielseitigkeitskurs, den ich gestern schon besichtigt hatte, im strömenden Regen nochmals, schließlich ist Bewegung doch gesund und sonst hockt man doch eh nur im Pressezelt herum.

Ernst Kopica