Harald Ambros und Vitoriu du Montet anlässlich der Olympischen Spiele 2024 in Paris -Versailles © www.sportfotos-lafrentz.de
Nach einem intensiven Wochenende beim legendären Vielseitigkeitsturnier in Badminton ist für Harald Ambros noch lange nicht Feierabend. Mit dem LKW fährt er quer durch Europa – von Südengland über Brüssel bis nach Oberösterreich. Als wir ihn telefonisch erreichen, ist er gerade in Frankfurt, noch 530 Kilometer von Zuhause entfernt. Und obwohl das Turnierwochenende für ihn nicht optimal verlaufen ist, in bester Stimmung.
Harald, du warst 2007 zum letzten Mal in Badminton. Was hat sich seitdem verändert?
Weniger als man denkt. Auch diesmal war das Wetter top, kein Regen, perfekte Bedingungen. Die Strecke wurde wie damals im Uhrzeigersinn gestartet, man kann sie ja auch andersrum reiten. So gesehen hat sich eigentlich nicht viel verändert – Badminton bleibt Badminton.
Was hat dich nach so langer Pause zur Rückkehr motiviert?
Das passende Pferd, das ist der Knackpunkt. Ich hatte in der Vergangenheit gute Pferde, die annähernd auf diesem Niveau gelaufen sind. Aber Badminton ist schon nochmal eine Steigerung – auch im Vergleich zu Championaten.
Badminton gilt als härtestes Vielseitigkeitsturnier der Welt. Zurecht?
Ja, definitiv. Die Hindernisse sind mächtig gebaut, mit vielen Gräben, Tiefsprüngen – da geht es schon ans Eingemachte. Das sieht man immer wieder – auch an den Ausfällen. Viele, die hier nicht ins Ziel kommen, haben das Potenzial, fehlerfrei durchzureiten. Aber in Badminton geht alles irrsinnig schnell. Das ist ein bisschen wie in der Formel 1: Im Training erwischt du eine Kurve nicht und bist draußen und beim nächsten Mal lieferst du eine Top-Zeit ab.
Wie bist du mit eurem Dressurritt zufrieden?
Mit der Dressur bin ich sehr glücklich. Ich glaube, das war sogar unser Personal Best. Und das vor der Kulisse! Ich habe ihn genau im richtigen Moment erwischt. Das ist bei ihm nicht einfach – er ist sehr sensibel, schnell nervös. Am Tag vorher war er noch total ruhig, am Turniertag um sieben Uhr früh dann aufgezogen wie ein Uhrwerk. Da hat er schon gemerkt, dass an dem Tag noch irgendwas Besonders kommt. Aber um 9 Uhr war er wieder brav. Und um 11 sind wir ins Viereck eingeritten.
Wie gehst du mit dieser Sensibilität um?
Das ist viel Management. Sogar die Sporenwahl ist entscheidend. Ich nutze jetzt so eine Art „Pseudosporn“, nur fünf Millimeter lang. Nur ein paar Millimeter mehr, und läuft er anders. Ohne ist ihm eigentlich am liebsten – aber ein bisschen was brauchst du halt doch für eine bessere Einwirkung, deshalb jetzt diese salomonische Lösung mit den Sporen, die quasi kaum noch eine Erhebung haben.
Wie lief’s im Gelände für euch?
Bis Hindernis 20 sehr gut. Dann ging’s die Stufen runter, und man konnte zwischen vier Sprüngen wählen. Ich habe mich für die Variante mit fünf kurzen Galoppsprüngen entschieden. Die war im Nachhinein nicht optimal. Er ist nach der Landung so nach vorne gegangen, dass die Distanz nicht mehr gepasst hat. So kam’s dann auch zum Fehler (Vorbeiläufer, Anm.). Es war unser siebtes gemeinsames Turnier, ich lerne ihn immer noch kennen. Ich konnte noch nicht so genau einschätzen, wie er reagiert, wenn man schnell und mächtig reitet. Seine Übersetzung war diesmal völlig anders, deutlich mehr Go.
Du hast dich etwas später dann entschieden aufzugeben. Warum?
Das war von Anfang an der Plan: Bei einem Fehler reite ich nicht bis zum Ende. Wir haben nach dem Vorbeiläufer noch einige gute Sprünge gemacht, in der Bergauf-Phase Richtung Huntsmen hat er aber etwas nachgelassen. Die letzten zwei Minuten sind die stärksten auf diesem Kurs, da geht es richtig ans Eingemachte. Die Pferde werden in dieser Phase nicht nur körperlich müde, sondern auch mental. Und dann passieren Fehler und Stürze.
Dein Pferd ist 2022 ja schon einmal in Badminton gelaufen, damals noch mit Maxime Livio im Sattel. Die beiden sind im Gelände gestürzt.
Ja, am letzten Hindernis. Das hatte ich auch im Kopf. Soweit wollte ich es auf gar keinen Fall kommen lassen. Für uns, das Pferd und auch für mich, ist es so viel besser. Und natürlich auch für den Sport, denn schlechte Bilder sind für das Image nicht gerade förderlich. Vitorio ist jetzt 16 Jahre alt und topfit – das soll auch so bleiben.
Ihr seid jetzt seit zwei Jahren ein Team. Wie hat sich eure Partnerschaft entwickelt?
Sehr gut. Durch das intensive Training wächst man schon sehr zusammen. Nach der Dressur haben mir sowohl sein Züchter als auch sein erster Reiter geschrieben – beide meinten, er habe sich stark entwickelt. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wie bereitet man sich eigentlich auf ein Turnier wie Badminton vor?
Ich habe Anfang Februar mit dem gezielten Training begonnen, ab März die Intensität gesteigert. Ich hab mir das daheim im Kalender kurz durchgeschaut: Ich bin 40 Mal zweimal täglich geritten – plus drei Kadertrainings und ein Turnier, da geht er sowieso mehrmals am Tag. Außerdem noch 13 Mal Galopptraining und 15 Mal Bergtraben – also Bergtraining.
Das klingt nach unheimlich viel Aufwand. Du bist ja hauptberuflich Zahnarzt: Wie bringt man das alles unter einen Hut?
Das Training ging um halb 6 los, dann um halb 8 in die Ordi, und wenn der Tag nicht so lang war, am Nachmittag wieder reiten. Wenn ich bis 5 gearbeitet habe, dann halt erst um 6 wieder aufs Pferd. Und das März und April, das war tatsächlich sehr intensiv. Vitorio hatte in dieser Zeit einen Pfleger praktisch ganz für sich allein. Nach dem Training abgehen, dann ins Salzwasser, danach ein oder zwei Stunden aufs Gras, dann eine Therapieeinheit unter der Hofmag-Decke. Am Nachmittag wieder ins Wasser – da dauert schon die Vorbereitung ordentlich – dann wieder Training. Also es steckt schon einiges an Aufwand dahinter.
Im März ist es morgens und abends ja oft noch dunkel – wie trainiert man da?
Dann reite ich in der Halle Dressur. Nur vier Tage hintereinander zweimal täglich Dressur, das geht nicht. Man muss abwechseln. Zum Beispiel laufen an der Hand. Das machen wir recht viel. Einfach mal 10, 13 Kilometer miteinander joggen – einmal bin ich auch 21 km mit ihm gelaufen, also quasi einen Halbmarathon mit dem Pferd an der rechten Hand. Vitorio trabt mittlerweile wirklich brav nebenher und passt sich gut meinem Tempo an – außer es geht zurück Richtung Stall. Da brauch ich dann so ein Haselnussstaberl mit dem ich ihm auf die Brust tippen kann, damit er nicht zu schnell wird. Er hat ja nur ein Halfter mit Strick drauf, da ist die Einwirkung nicht so groß.
Wie lautet dein Fazit zu Badminton 2025?
Es war unbeschreiblich. Badminton ist Englands größte Sportveranstaltung, die größte Reitsportveranstaltung weltweit – am Geländetag gibt's schon um halb sieben in der Früh Stau. Da kommen die Leute aus allen Richtungen. 200.000 Zuschauer mit mindestens 50.000 Autos. Wenn du da rumreitest, siehst du Autos soweit das Auge reicht. Dann das Schloss, Badminton House, und diese unglaublich weitläufigen Flächen. Die meisten, die in Badminton mithelfen, sind freiwillige Helfer und das schon in der x-ten Generation. Die Stimmung, die Atmosphäre – das ist unvergleichlich.
Wie sieht die weitere Saisonplanung aus?
Jetzt gibt's für Vitorio erstmal Pause, vor Juli werden wir nirgends starten. In Badminton ist er ja doch gut zehneinhalb Minuten gelaufen. Da braucht es jetzt einfach ausreichend Zeit zur Regeneration.
Und du? Wann regenerierst du?
Mittwoch bin ich wieder in der Ordi. Die ersten Tage nach so einem Turnier sind meistens besonders voll – die Patienten warten ja oft auf mich. Aber am Wochenende werde ich versuchen, ein bisschen die Beine hochzulegen.
Verdient wäre es!