Ein Pferd kann nur dann sensibel auf eine sanfte Hilfe reagieren, wenn es verstanden hat, dass und wie es zu reagieren hat. Wenn sich treibende Hilfen durch uneindeutiges Reiten mit der Zeit abgenutzt haben, müssen sie zunächst wieder instituiert werden. Für den Reiter heißt das zum Beispiel: Wenn er eine treibende Hilfe für mehr Vorwärts gibt, muss eine entsprechende Reaktion des Pferdes kommen. Bleibt diese aus, darf die nachfolgende Hilfe keine vorsichtige Bitte-Bitte-Addition sein, sondern muss eine hundertprozentige und völlig ernst gemeinte Anweisung sein.
In der korrekten Fachsprache hieße es im Unterricht: „Gib deinem Pferd jetzt eine energische, beidseits vortreibende Schenkelhilfe.“ Gegebenenfalls wird diese durch eine Gertenhilfe in Schenkellage unterstützt. Das mag grob klingen, ist es aber aus Sicht des Pferdes nicht. Zumindest dann nicht, wenn es verstanden hat, was von ihm gefordert wird und es körperlich dazu in der Lage ist, dieser Forderung nachzukommen. Nur wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine energisch ausfallende Hilfe zielführend!
Die Schenkel beiderseits am Gurt eingesetzt, bedeuten immer „vorwärts!“ –eine Hilfe, auf die das Pferd auch prompt und ohne zu zögern reagieren sollte. © www.slawik.com
Entscheidend in diesem Zusammenhang ist auch das unmittelbare und eindeutig verständliche Lob. Das positive Feedback ist der Garant für den Lernerfolg: Es gibt dem Pferd ganz klar zu verstehen, dass seine Reaktion die richtige war und sorgt auf diese Weise für den Erhalt der Motivation.
Außerdem wichtig: Geht es um die Sensibilisierung auf die Schenkelhilfe, haben die Zügel erst mal Sendepause. Hilfen dürfen einander nicht widersprechen! Eine energische Schenkelhilfe als Korrekturmaßnahme heißt deshalb Hand vor und laufen lassen, egal, ob das Tempo nun vorübergehend zu hoch und das Pferd nicht mehr am Zügel ist. Wichtig ist in diesem Moment einzig und allein die prompte und entsprechende Reaktion auf die Hilfe. Alles andere würde ein Pferd hier nur verwirren. Als Folge entstünde anstelle des erhoffen „Aha-Lerneffektes“ Verunsicherung, oder, noch schlimmer, Angst. Vorne festhalten und hinten „Dampf machen“ ist deshalb – egal ob aus eigener Unsicherheit oder aus grober Kraftreiterei heraus – immer falsch.
Am Anfang ist der Sitz
Gutes Timing, Aussetzen der Hilfen, Eindeutigkeit, Konsequenz, richtige Intensität – all diese wichtigen Bausteine korrekten Treibens können jedoch nur aus einem ausbalancierten Sitz heraus funktionieren. Erst der korrekt sitzende und mitschwingende Reiter stört den Bewegungsablauf seines Pferdes nicht und überträgt auch keine ungewollten, falschen Signale. Unruhig klopfende Schenkel zum Beispiel geben, auch wenn das gar nicht gewollt und geplant ist, unaufhörlich Signale ans Pferd, allerdings ohne auf eine Reaktion aus zu sein. Wie soll ein Pferd da noch zwischen Schenkelkontakt durch Klopfen und echter Schenkelhilfe unterscheiden? Stattdessen stumpft es auf den Schenkeldruck ab und lernt, nicht zu reagieren. Beigebracht hat ihm dies sein Reiter – auch wenn es nicht seine Absicht war.
Sporen veranlassen das Pferd eher sich zusammenzuziehen als fleißiger anzutreten. © lichtreflexe - fotolia.com
Auch ein Hacken mit den Sporen in den Pferdebauch ist absolut kontraproduktiv. Ganz abgesehen davon, dass es dem Pferd Schmerzen zufügt und deshalb abzulehnen ist, bringt es selten den gewünschten Vorwärtseffekt. Im Gegenteil: Um sich und ihre inneren Organe zu schützen, werden die meisten Pferde auf grobe Sporeneinwirkung mit einem Verkrampfen ihrer Bauchmuskulatur reagieren und die Luft anhalten, ähnlich wie wir es tun würden, wenn uns jemand in den Bauch boxt. Statt mit Vorwärts reagieren Pferde hier eher mit Bremsen und Verspannung. Kommt dann noch aus Verärgerung des Reiters die Gerte obendrauf, entsteht wieder Stress beim Pferd. Die Voraussetzung für eine erwünschte Reaktion ist aber nicht Angst, sondern Verstehen.
Hat das Pferd erst einmal verinnerlicht, wie es auf den vortreibenden Impuls reagieren soll, lässt sich die Intensität der reiterlichen Einwirkung zurückschrauben und im günstigsten Fall auf ein Minimum reduzieren. Diese feine Hilfe muss übrigens immer zuerst gegeben werden, um dem Pferd zu ermöglichen, schon auf einen leichten Impuls hin richtig, also wie gewünscht, zu reagieren. Eine energisch treibende Schenkelhilfe wird nur dann noch hin und wieder nötig sein, wenn der Reiter wieder unbemerkt in seiner Eindeutigkeit und Konsequenz nachgelassen hat. Ein Pferd ist in allem immer ein Spiegel seines Reiters – auch, wenn es um die Akzeptanz und Umsetzung der treibenden Hilfen geht.
Dr. Britta Schöffmann
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