Ausbildung

Schenkelweichen richtig reiten

Ein Artikel von Dr. Britta Schöffmann | 20.05.2015 - 09:29
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Das Schenkelweichen gehört zu den lösenden Übungen und dient vor allem dazu, die Wirkung der einseitigen Hilfen zu festigen zu verfeinern. Schenkelweichen kann in Schritt, Trab und Galopp geritten werden. © www.Slawik.com

Es gibt Seitengänge – und es gibt Seitwärtsbewegungen. Die einen – Schulterherein, Renvers, Travers und Traversalen – werden in Stellung und Biegung in der Versammlung geritten, die anderen –  Schenkelweichen, Viereck verkleinern/vergrößern – lediglich in Stellung und im Arbeitstempo.

Streng genommen sind auch Vorhandwendungen eine Art Seitwärtsbewegung, da auch hier das Pferd nur gestellt – und nicht gebogen – ist und auf den seitwärts treibenden Reiterschenkel reagiert, wenn auch auf der Stelle. Und genau hier liegt die tiefe Bedeutung der Seitwärtsbewegungen: Die Gewöhnung an und Sensibilisierung auf den seitwärts treibenden Schenkel. Hätte ein Pferd von dieser Schenkelhilfe keine Ahnung, könnten auch keine Seitengänge, kein Kurzkehrt, keine Hinterhandwendung oder Galopppirouette geritten werden. „Na und?“, mag sich mancher fragen. „Wen stört’s?“ Eigentlich niemanden, und doch: Die Seitwärtsbewegungen sind nicht nur Vorübungen der anspruchsvolleren Seitengänge, sie schulen auch das Verständnis für diagonale Hilfengebung bei Reiter und Pferd, also das Zusammenspiel von innerem Schenkel und äußerem Zügel. Und das wiederum ermöglicht es dem Pferd, auf wechselnden Linienführungen unter dem Reiter sein  Gleichgewicht zu halten und somit möglichst verschleißarm geritten zu werden.

Darüber hinaus fördern die Seitwärtsbewegungen auch die Losgelassenheit, weswegen sie zu den lösenden Übungen zählen, außerdem die Beweglichkeit im Schulter- und Lendenbereich des Pferdes, die Nachgiebigkeit im Genick sowie die allgemeine Koordinationsfähigkeit.

Gerade seitwärts

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Schenkelweichen wird ohne Biegung geritten, das Pferd ist leicht gegen die Bewegungsrichtung gestellt.
© Pferderevue

Schenkelweichen und Viereck verkleinern/vergrößern sind letztlich das gleiche, der Unterschied liegt nur in der Linienführung. Während Schenkelweichen parallel zur langen Seite geritten wird, führt das  Viereck-Verkleinern/-Vergrößern entlang einer Diagonalen, wobei zunächst fünf Meter in die Bahnmitte hinein (verkleinern) geritten wird, und nach einer Pferdelänge Geraderichtung wieder hinaus (vergrößern) Richtung Hufschlag. Man kann auch  nur verkleinern (vom Hufschlag zur Mittellinie) oder nur vergrößern (von der Mittellinie zum Hufschlag).

In allen Fällen wird das Pferd zunächst gegen die Bewegungsrichtung gestellt, beim Schenkelweichen links, bei dem ja nach rechts geradeaus weitergeritten wird, also nach links. Der Reiter verlagert sein Gewicht dabei ein wenig auf den linken/inneren Gesäßknochen (innen ist immer dort, wohin das Pferd gestellt ist!) und dreht seine linke/innere Schulter minimal zurück. Gleichzeitig gleitet sein linker Schenkel deutlich hinter den Gurt und schiebt die Hinterhand in einem Winkel von 45 Grad von der Bande weg, der rechte Schenkel liegt leicht verwahrend an und begrenzt, unterstützt vom leicht anstehenden äußeren Zügel, die rechte, nun äußere Seite des Pferdes. Ziel ist es nun, dass das Pferd dem linken Schenkel (aus)weicht und dabei im gleichbleibenden Rhythmus und Tempo vorwärts-seitwärts schreitet bzw. trabt. Dabei kreuzen seine inneren Beine über die äußeren.

Bei dieser Übung erschließt sich dem Reiter recht schnell der Zusammenhang zwischen den Schenkel- und Zügelhilfen, und auch das Pferd lernt, auf den seitwärts treibenden Schenkel mit einem Weichen der Hinterhand zu reagieren.

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In den Seitwärtsbewegungen ist das Pferd gegen die Bewegungsrichtung gestellt. © Pamela Sladky

Im Allgemeinen wird das Schenkelweichen mit dem Kopf Richtung Bande geritten, möglich ist es aber auch Richtung Bahnmitte. Da hier die Orientierungslinie fehlt, ist diese Variante allerdings etwas schwieriger. Auch die Differenzierung zwischen Schenkelweichen und Viereck verkleinern/vergrößern ist zu Beginn manchmal etwas kniffelig, da die Hilfengebung beinahe identisch ist. Hier hilft es, sich vor seinem inneren Auge zum einen eine breite weiße  Linie auf dem Boden vorzustellen, entlang der man reiten möchte. Zum anderen lässt sich beim Schenkelweichen am besten eher an vorwärts-seitwärts-vorwärts-seitwärts, beim Viereck verkleinern/vergrößern dagegen an seitwärts-vorwärts-seitwärts-vorwärts denken.  

Beide Übungen sind häufig auch für fortgeschrittene Reiter und Pferde hilfreich, etwa bei Problemen im Schritt oder bei der Erarbeitung von Traversalen. So können Pferde, die zum Zackeln oder zu passartigen Taktverschiebungen im Schritt neigen, durch Seitwärtsbewegungen/Seitengänge in Takt und Losgelassenheit verbessert werden.

Der Wechsel zwischen ein paar Schritten/Tritten Viereck verkleinern/vergrößern und Traversieren fördert ebenfalls die Losgelassenheit sowie die Beweglichkeit und hilft dem Pferd, das den seitwärts treibenden Schenkel von den Seitwärtsbewegungen ja bereits kennt, das Traversieren zu lernen oder zu optimieren.

Was tun, wenn beim Schenkelweichen..

… die Hinterhand nicht weicht?
Nehmen Sie in einem ersten schritt den zu weichenden Schenkel weiter zurück und verstärken Sie den Druck etwas. Reicht das nicht, sollte man nicht den Fehler begehen, mit dem Schenkel immer mehr zu quetschen, dadurch blockiert der Reiter nur seinen Sitz und lähmt damit das Pferd noch mehr. Besser zwei-, dreimal kurz und energisch den Schenkel einsetzen. Verfehlt auch diese Hilfe ihre Wirkung, kann die Gerte direkt hinter dem inneren, vorwärts-seitwärts treibenden Schenkels helfen, dem Pferd das Gewünschte zu verdeutlichen.
Wenn das Pferd partout nicht zu verstehen scheint, was es tun soll, hilft es nichts, die Hilfen immer weiter zu verstärken. Dann sollte man absitzen und die Übung am Boden vorbereiten. Danach wird sie auch im Sattel klappen.

... die Hinterhand zu weit weicht?
Treiben Sie weniger mit dem inneren Schenkel seitwärts und achten Sie vermehrt auf ihren äußeren Schenkel, dessen Aufgabe es ist, die Hinterhand abzufangen.

... das Pferd nur den Hals herumnimmt statt der Kruppe?
Kontrollieren Sie Ihren inneren Zügel. Ist er zu fest angenommen? Bringen Sie den äußeren Zügel besser in Anlehnung – auf diese Weise können Sie die Schulter besser kontrollieren – und wirken Sie etwas mehr mit dem seitwärts treibenden Schenkel ein.

... wenn das Pferd gegen die Hand geht?
Reiten Sie zunächst wieder nach vorn, und optimieren Sie die eigene Hilfengebung. Sind sie mit dem Schenkel zu fest geworden, haben Sie im Sitz blockiert oder sind sie mit der Hand hängengeblieben? Kontrollieren Sie auch den Abstand zur Wand. Reiten sie die Übung in der Halle besten auf dem zweiten Hufschlag reiten, damit das Pferd mit dem Kopf nicht zu nah an die Bande kommt.

... das Pferd immer langsamer wird?
1. Kontrollieren, ob der Winkel zum Hufschlag über 45 Grad ist, falls
ja, weniger seitwärts treiben. 2. Fleißiger vorwärts reiten, notfalls anfangs Wechsel zwischen fleißig geradeaus und dann wieder ein paar Meter Schenkelweichen

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