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Jede Reitstunde sollte systematisch aufgebaut sein und eine Lösungsphase, eine Arbeitsphase und Entspannungsphase beinhalten. © www.slawik.com

Reitstunden optimal aufbauen

Ein Artikel von Pamela Sladky | 11.05.2017 - 10:03
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Jede Reitstunde sollte systematisch aufgebaut sein und eine Lösungsphase, eine Arbeitsphase und Entspannungsphase beinhalten. © www.slawik.com

Lösungsphase, Arbeitsphase, Entspannungsphase – davon haben die meisten Reiter schon mal gehört. Nur über die sinnvollen Inhalte dieser drei Phasen gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Oft wird eher nach der Uhr als nach Wissen und Gefühl geritten, ganz nach dem Motto: „Irgendwie muss ich die 60 Minuten Reitzeit ja füllen“. Das geschieht im allgemeinen nicht aus böser Absicht, sondern aus Unwissenheit oder auch Einfallslosigkeit. Dementsprechend besteht die Lösungsphase dann oft aus Runde um Runde Trab, mal linke Hand, mal rechte Hand, während das Pferd angesichts dieser Monotonie mehr und mehr gelangweilt auseinanderfällt. Andere Reiter reiten beim Lösen so lange und intensiv vorwärtsabwärts, bis ihr Pferd total auf der Vorhand geht. Und wieder andere halten sich mit Lösen kaum auf, sondern gehen direkt ans Arbeiten.

Die Lösungsphase

Die Liste der möglichen Fehler zu Beginn einer Reitstunde ist lang: zu wenig Schritt, zu früh die Zügel aufgenommen, zu wenig Abwechslung bezogen auf Gangart, Tempo, Hufschlagfiguren und Lektionen, unpassende Lektionen, falsches Tempo (zu eilig, zu lasch) …

Dabei ist gerade die Lösungsphase ungemein wichtig, denn sie bereitet Pferd und Reiter auf die folgende Arbeitsphase und damit auf das spezielle Training vor. Je besser diese Vorbereitung, desto besser und zielführender auch der Rest der Reitstunde. Der rote Faden des Lösens ist letztlich für alle Pferde gleich: Alle brauchen eine gewisse Zeit, um ihre Muskulatur aufzuwärmen, ihre Gelenke gängig zu machen und ihr Herz-Kreislaufsystem in Schwung zu bringen. Durch dieses Aufwärmen wird auch die Energiebereitstellung verbessert, was zu einer Beschleunigung der Nervenleitgeschwindigkeit führt und damit auch zu einem Anstieg der Reaktions- und Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskulatur.
Reiterliche Hilfen können auf diese Weise vom Pferd besser und schneller umgesetzt werden – vorausgesetzt natürlich, die Hilfen werden korrekt gegeben.

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Die Lösungsphase dient dazu die Muskulatur aufzuwärmen, die Gelenke gängig zu machen und das Herz-Kreislaufsystem des Pferdes in Schwung zu bringen. © www.slawik.com

Abhängig von Leistungsstand, Alter und Temperament des Pferdes können sich allerdings die speziellen Inhalte des Lösens unterscheiden. Ein junges Pferd ist im allgemeinen mit häufigen Wechseln der Gangarten und einfachen Hufschlagfiguren bereits ausgelastet, ein älteres Pferd braucht möglicherweise eine längere Schrittphase vor dem ersten Trab und vielleicht auch zunächst ein etwas reduziertes Tempo, und ein weit ausgebildetes Sportpferd lässt sich eventuell schon etwas früher ins Vorwärts- Aufwärts arbeiten.

Ob und wann die Lösungsphase zum Ziel geführt hat, bestimmt das Pferd. Es sollte nach dem Lösen locker, losgelassen und in Selbsthaltung traben und galoppieren und die Hilfen gut durchlassen. Zum Test einfach mal Überstreichen (Überprüfung der Selbsthaltung) oder Zügel-aus-der- Hand-kauen-Lassen (Überprüfung der Dehnungsbereitschaft) reiten. Macht sich das Pferd dabei frei, hebt es sich heraus oder beschleunigt sein Tempo, muss die Lösungsphase entsprechend verlängert werden.

Die Arbeitsphase

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Auch beim Überstreichen sollte das Pferd Takt und Tempo halten und in guter Selbsthaltung bleiben. © www.slawik.com

Klappt dagegen alles wie erhofft, kann und sollte der Reiter zur Arbeitsphase übergehen. Diese Phase ist letztlich das, was auf Dauer zu Muskelaufbau und Kraftzuwachs und Durchlässigkeit führt. Entsprechend der Ausbildungsskala führt erst das Erreichen aller Punkte – auch der Versammlung – zur Durchlässigkeit. Je besser ein Pferd zwischen Schub- und Tragkraft wechseln kann, je mehr Federkraft es dadurch entwickelt und sich aufrichtet, desto eher ist es in der Lage, auf feinste Hilfen zu reagieren und damit so kräfteschonend und verschleißarm wie möglich geritten zu werden.

Wie hoch der Grad der Versammlung im Rahmen der Ausbildung eines Pferdes wird, hängt in hohem Maße vom Können des Reiters bzw. Ausbilders ab. Für viele Reiter ist das Erreichen eines Versammlungsgrades auf etwa L-Niveau völlig ausreichend, was heißen soll, dass die Hilfengebung so weit gefestigt sein sollte, dass er sein Pferd zumindest vorübergehend zu einem Mehr an Tragkraft auffordern kann. Nur so gelingen dann etwa auch Übergänge vom Galopp zum Schritt ohne Ziehen und Zerren, sondern weich und damit pferdefreundlich.

Als „Werkzeug“ auf dem Weg zur Versammlung dienen viele Lektionen, die ein Reiter mit seinem Pferd erarbeiten kann. Lektionen werden nicht als Selbstzweck geritten, sondern sind Mittel auf dem Weg zur Erarbeitung der Punkte der Ausbildungsskala. Den Inhalt der Arbeitsphase sollte also vor allem das bestimmen, was der Reiter anstrebt.

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Wie hoch der Grad der Versammlung im Rahmen der Ausbildung eines Pferdes wird, hängt in hohem Maße vom Können des Reiters bzw. Ausbilders ab. © www.slawik.com

Wer die Anlehnung seines Pferdes fördern und verbessern möchte, wählt vor allem Übergänge Trab – Galopp – Trab. Um den Schwung zu fördern und zu erreichen, können unter anderem Tempowechsel innerhalb der Gangarten eingesetzt werden. Geraderichtung lässt sich etwa durch Biegearbeit fördern, und Versammlung unter anderem durch alle halben und ganzen Paraden, durch Rückwärtsrichten, Schulterherein, Außengalopp, Kurzkehrt oder halbe Tritte.

Tipps und Anregungen, welche Lektionen besonders versammlungsfördernd sind, findet man in vielen Büchern – noch besser ist es natürlich, einen erfahrenen Reiter/Ausbilder zu fragen. Ganz wichtig ist es jedoch, sich in der Arbeitsphase – egal, was man erarbeiten möchte – nicht auf eine Lektion zu versteifen, sondern flexibel zu bleiben und Pausen zu machen. Es nützt nichts, wenn man weiß, dass das Reiten von Außengalopp die Versammlung im Galopp fördert und nun zehn Minuten am Stück Außengalopp übt. Im Gegenteil. Ein solches Vorgehen würde das Pferd unnötig ermüden und damit eher zu einer Verschlechterung der Versammlungsbereitschaft führen.

Wichtig: Pausen

Das Zauberwort beim Reiten in der Lösungsphase und besonders auch in der Arbeitsphase heißt: Pausen. Was für Menschen gilt – hier hat die Forschung gezeigt, dass sich Lernerfolge am schnellsten und nachhaltigsten einstellen, wenn in kleinen Häppchen gelernt wird statt en bloc –, gilt letztlich auch für Pferde. Statt sich im Training also auf eine Lektion zu versteifen, ist es viel sinnvoller, sie ein paar Mal abzufragen und dann entweder eine kurze Schrittpause oder eine andere Übung einzuschieben und erst danach wieder an die besagte Lektion zu gehen.

Beim Beispiel in der Arbeitsphase mit Schwerpunkt auf der Versammlung wäre etwa auch das Reiten von ein, zwei Verstärkungen – gerne auch im Galopp – bereits eine willkommene Abwechslung fürs Pferd, da hier die tragende Muskulatur entlastet und auch der (vielleicht etwas verlorengegangene) Schwung wieder hergestellt wird. Die Dauer der Arbeitsphase sollte ebenfalls individuell angepasst werden. Bei einem gerade angerittenen Pferd entspricht sie mehr oder weniger der Lösungsphase, bei einem voll trainierten Pferd sollte sie so gestaltet sein, dass das Pferd neben der Verfeinerung seiner Durchlässigkeit auch an Ausdauer, Kraft und Konzentration hinzugewinnt. Mal wird dies in 20 Minuten erreicht, mal benötigen Pferd und Reiter 40 Minuten. Viel länger sollte die Arbeit nicht dauern, um mentale und körperliche Ermüdung zu vermeiden.

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Zum Ausklang einer Trainingseinheit ist eine gemütliche Schrittrunde im Gelände ideal. © www.slawik.com

Ganz wichtig: Kurz vor Schluss der Arbeitsphase nichts Neues mehr versuchen! Das Risiko, dass eine unbekannte Übung nicht klappt und die Arbeitsphase dann unnötig ausgedehnt wird, ist zu groß. Besser ist es, mit einer bekannten und gelungenen Übung das Training zu beenden und in die Entspannungsphase – also das abschließende Vorwärts-Abwärts in Dehnungshaltung – überzugehen. Auf diese Weise behält auch das Pferd den Spaß an der Arbeit und bleibt auch für die Zukunft motiviert. Wer dann noch die Möglichkeit hat, sein Training bei einer entspannten Geländerunde im Schritt ausklingen zu lassen, hat alles richtig gemacht.

Dr. Britta Schöffmann

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Dieser Artikel von Dr. Britta Schöffmann wurde erstmals in Ausgabe 8/2015 der Pferderevue veröffentlicht. Pferderevue AbonnentInnen können diese Artikel zusammen mit über 40.000 weiteren in unserem Online-Archiv kostenlos nachlesen. Einfach unter Service/Online-Archiv einloggen und in allen Heften aus über 25 Jahren Pferderevue zum Nulltarif blättern!

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