Ausbildung

Richtig treiben: Diese Fehler sollte man unbedingt vermeiden

Ein Artikel von Dr. Britta Schöffmann | 26.03.2021 - 14:07
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Bei den Schenkelhilfen gilt: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig!
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Zunächst einmal: Es wird so wenig getrieben wie möglich und so viel wie nötig. Das gilt übrigens für sämtliche reiterliche Einwirkungen und erlaubt in der Perfektion das Bild eines leichtrittigen, tanzenden Pferdes, das selbst schwierigste Lektionen von alleine zu machen scheint. Wenn dieser Eindruck vermittelt wird, dann hat die Reiterin vermutlich alles richtig gemacht. Der Weg dahin ist allerdings harte Arbeit. Hart nicht bezogen aufs Pferd, sondern auf sich selbst. Richtiges Treiben als Teil eines effektiven Zusammenspiels der Reithilfen gehört maßgeblich dazu.
 

Gewichsthilfen: Nicht übertreiben

Getrieben wird mit dem Schenkel, aber auch mit dem Gewicht. Beide Hilfen können das Pferd in seinen Aktionen unterstützen – oder aber stören. Zu viel, zu wenig, zu oft, nicht eindeutig genug – all das hat negativen Einfluss auf das Treiben an sich.

Anders als die eher punktuell und impulsartig treibenden Schenkelhilfen sind die treibenden Gewichtshilfen eigentlich immer aktiv, da sie sich aus der Bewegung des Reiterbeckens entwickeln. Tieferes Einsitzen unterstützt ein Mehr an Vorwärts, leichtes Entlasten ein Aufwölben des Pferderückens und damit auch eine vermehrte Hankenbeugung (in der Versammlung und beim Rückwärtsrichten).

Das locker mitschwingende Reiterbecken fördert die Rückentätigkeit und nimmt Einfluss auf die Bewegung des Pferdes. Als Voraussetzung dafür sollte die Reiterin in der Lage sein, die Position ihres Beckens zwischen Neutralposition und einer Kippung nach vorn oder nach hinten fließend zu verändern.

Wer sich bereits Sitzfehler angewöhnt hat und vielleicht im Hohlkreuz mit zu weit nach vorn gekipptem oder steißbeinlastig mit zu weit nach hinten gekipptem Becken sitzt, muss zunächst wieder ganz bewusst seine drei Beckenpositionen erfühlen und auf Zuruf des Ausbilders verändern können. Die Vorstellung, das Becken sei eine flache, mit Wasser gefüllte Schale, kann dabei helfen: Becken/Schale nach vorn kippen und „das Wasser ausschütten“, Becken/Schale aufrecht halten (das Wasser bleibt drin) oder nach hinten gekippt ausschütten.

Die freie Beweglichkeit zwischen diesen drei Positionen und auch die seitliche Mobilität sind hilfreich, wenn es ums Treiben geht. Man bezeichnet sie auch als „geschmeidige Mittelpositur“. Leider übertreiben es hier manche Reiterinnen und fangen vor allem im Schritt und im Galopp an, ihr Pferd mit übertriebenen Bewegungen nach vorn schieben zu wollen. Auf diese Weise stören sie das Pferd allerdings mehr als dass sie es unterstützen. Besser ist es, sich erst auf die dreidimensionalen Bewegungen des Pferdes – sein Rumpf bewegt sich auf und ab, vorwärts oder rückwärts und auch, je nach Gangart, ein wenig nach links und rechts – einzulassen und sie zu begleiten. Erst wenn dies problemlos und in jeder Lebenslage klappt, kann die Reiterin durch minimales Abschwächen oder Verstärken ihrer Beckenbewegung die Bewegung des Pferdes nach Wunsch beeinflussen, d. h. forcieren oder reduzieren. Am einfachsten lässt sich dieses Prinzip veranschaulichen, indem man sich das Schrittreiten vor Augen führt. Schreitet des Pferd entspannt im Mittelschritt durchs Genick ans Gebiss heran, lässt sich die Schrittlänge durch eine leichte Veränderung der eigenen Hüftbewegung variieren, dies aber immer in Kombination mit Zügel- und Schenkelhilfen.

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© Die Schenkel beiderseits am Gurt eingesetzt, bedeuten immer "vorwärts!" - eine Hilfe, auf die das Pferd auch prompt und ohne zu zögern reagieren sollte.

Schenkelhilfen: Impuls statt Dauerdruck

Die Schenkelhilfen sind, was das Treiben angeht, mindestens ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger als die Gewichtshilfen. Sie sind schon beim Anreiten eines jungen Pferdes das erste Instrument, das „Gaspedal“ zu installieren. Das Pferd lernt in dieser Zeit, auf leichten Schenkeldruck etwa in Höhe des Gurtes oder ein wenig dahinter zunächst einmal mit einem Vorwärts zu reagieren. Ganz egal, ob man es dabei vom Boden aus mit einer Longierpeitsche vortreibend unterstützt, ob es von einem Helfer geführt wird oder ob es einem erfahrenen Pferd folgen soll, in diesen Momenten wird die Reiterhilfe „treibender Schenkel“ etabliert. Wichtig: Reagiert das Pferd auf die Hilfe wie gewünscht, muss der Schenkeldruck sofort wieder aussetzen. Nur auf diese Weise erhält das Pferd die so wichtige Rückmeldung „Alles richtig gemacht!“.

Genau hier liegt bei vielen Reiterinnen der Hase im Pfeffer. Sie lösen den Druck nicht wieder auf oder – deshalb sollten Anfänger und unerfahrene Reiterinnen auch keine jungen Pferde anreiten – nicht im richtigen Moment. Quetscht und klemmt der Schenkel munter weiter, bekommt das Pferd kein Feedback, aus dem es lernen kann. Die Folge: Es begreift nicht, was es tun muss, um dem Druckgefühl am Bauch zu entgehen. Wenn dann die Reiterin zu allem Übel den Dauerdruck noch erhöht, ist der erste Schritt in eine vermeintliche Triebigkeit des Pferdes getan. Längere, schärfere Sporen und übertriebener Gerteneinsatz sind oft die traurige Folge.

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In der Traversale sorgt der innere, am Gurt treibende Schenkel für das Vorwärts und die Biegung, der äußere, eine Handbreit hinter dem Gurt positionierte Schenkel löst zusammen mit der Gewichtshilfe die Seitwärtsbewegung aus. © Barbara Schnell | Lektionen richtig reiten - KOSMOS

Die Lage bestimmt die Bedeutung

Neben der kurzen Dauer der Einwirkung als Voraussetzung für eine gute und effektive treibende Schenkelhilfe sind auch die Position der Schenkel und die Eindeutigkeit der Hilfe von großer Bedeutung. Je nach Lage kann der Reiterschenkel vorwärts oder seitwärts treibend, oder, in der Kombination, vorwärts-seitwärts treibend agieren. Beim Vorwärtstreiben liegen die Unterschenkel etwa am Gurt bzw. am hinteren Rand des Gurtes. Diese Position entspricht der im Dressursitz geforderten senkrechten Linie von der Schulter über die Hüfte zum Absatz. Hier eingesetzt, sprechen die Schenkelhilfen Muskelgruppen an, die aktivierend auf die Hinterbeine des Pferdes wirken.

Etwa eine Handbreit hinter dem Gurt fordert der einseitig einwirkende seitwärtstreibende Schenkel das Pferd zum Weichen mit der Hinterhand auf. Diese Hilfe kann später zu Seitwärtsbewegungen und, je nach Anforderung, in Verbindung mit den entsprechenden Zügel- und Gewichtshilfen zu Seitengängen weiterentwickelt werden.

Am Anfang der Ausbildung unter dem Reiter bedeutet der Impuls der vortreibenden Schenkel allerdings zunächst einmal nur eins: vorwärts. Erst im Verlauf der fortgeschrittenen Ausbildung erhält er, je nach Kombination mit anderen Reiterhilfen und je nach Lernfortschritt des Pferdes, weitere, differenziertere Bedeutungen. Treiben ist dann nicht mehr nur ein „Gaspedal“, sondern eine Möglichkeit, ganz gezielt auf die Hinterbeine und damit die gesamte Hinterhand des Pferdes Einfluss zu nehmen. „Mehr treiben“ heißt also nicht unbedingt „mehr vorwärts“, es kann auch „mehr Aktivität der Hinterbeine“ bedeuten. Ist diese Voraussetzung geschaffen, lässt sich nach und nach Schubkraft in Tragkraft verwandeln, und das Pferd lernt sich zu versammeln. Doch ganz gleich ob Verlängern oder Verkürzen des Gangmaßes, die vortreibende Hilfe ist immer wichtig, denn sie hat auch direkten Einfluss auf die korrekte Anlehnung und damit auf den gesamten weiteren Ausbildungsweg eines Pferdes.

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Extreme Schenkelhilfen, wie hier im Galoppwechsel, stören den Reitersitz erheblich und damit auch die Balance des Pferdes.
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Auf das richtige Maß kommt’s an

Eine wichtige Rolle auf dieser Reise spielen die Intensität und die Eindeutigkeit der treibenden Schenkelhilfen. Jede Hilfe kann und soll so fein wie möglich gegeben werden – vorausgesetzt, sie ruft beim Pferd die gewünschte Reaktion hervor. Tut sie das nicht, kann die gut gemeinte feine Hilfe auf die Dauer das genaue Gegenteil bewirken: nämlich ein Abstumpfen des Pferdes. Warum? Ohne eindeutige Reaktion kann es keine positive Rückmeldung geben. Und die ist unerlässlich für den Lernprozess. Deshalb muss, wie eingangs erwähnt, stets der Grundsatz gelten: so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. Nur wer diese Regel beherzigt, kann die Sensibilität seines Pferdes erhalten – oder sie gar verbessern und damit die Grundvoraussetzung für feines Reiten schaffen.

Hat ein Pferd erst einmal verinnerlicht, wie es überhaupt auf den vortreibenden Impuls reagieren soll, lässt sich die Intensität der reiterlichen Einwirkung zurückschrauben und im günstigsten Fall auf ein Minimum reduzieren. Diese feine Hilfe muss übrigens immer zuerst gegeben werden, um dem Pferd zu ermöglichen, schon auf einen leichten Impuls hin richtig, also wie gewünscht, zu reagieren. Eine energisch treibende Schenkelhilfe wird nur dann noch hin und wieder nötig sein, wenn man als Reiterin wieder unbemerkt in seiner Eindeutigkeit und Konsequenz nachgelassen hat. Ein Pferd ist in allem immer ein Spiegel seiner Reiterin – auch, wenn es um die Akzeptanz und Umsetzung der treibenden Hilfen geht.


Schenkel ran bei heißen Öfen

Diese Akzeptanz der treibenden Schenkelhilfen gilt übrigens auch für „heiße Öfen“, auch wenn es hier nicht um den Erhalt von Sensibilität geht. Nervöse und hektische Pferde muss man im Allgemeinen nicht mit einem energischen Impuls ans Reagieren erinnern. Im Gegenteil! In solchen Fällen muss die Reiterin stattdessen bei der Hilfengebung für eine Zeit eine Desensibilisierung anstreben, das Pferd also an die Berührungen durch den Reiterschenkel gewöhnen. Viele Reiterinnen strecken jedoch aus Angst, ihr Pferd könnte überreagieren, ihre Beine weg, statt sie treibend einzusetzen. Das Problem: Die Pferde erschrecken jedes Mal aufs Neue, wenn dann der Schenkel je nach Lektion doch mal angelegt werden muss. Sinnvoller ist es hingegen, die Schenkel locker am Pferdebauch anliegen zu lassen, damit sich das Pferd nach und nach daran gewöhnt und treibende Hilfen nicht mehr als beängstigend empfindet. Auf diese Weise lassen sich auch „heiße Öfen“ nach und nach in die Ruhe hineintreiben.

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Voraussetzung für wirkungsvolles Treiben ist ein gut ausbalancierter Sitz. © Bärbel Schnell | Lektionen richtig reiten - KOSMOS

Am Anfang ist der Sitz

Gutes Timing, Aussetzen der Hilfen, Eindeutigkeit, Konsequenz, richtige Intensität – all diese wichtigen Bausteine korrekten Treibens können jedoch nur aus einem ausbalancierten Sitz heraus funktionieren. Erst die korrekt sitzende und mitschwingende Reiterin stört den Bewegungsablauf ihres Pferdes nicht und überträgt auch keine ungewollten, falschen Signale. Unruhig klopfende Schenkel zum Beispiel geben, auch wenn das gar nicht gewollt und geplant ist, unaufhörlich Signale ans Pferd, allerdings ohne auf eine Reaktion aus zu sein. Wie soll ein Pferd da noch zwischen Schenkelkontakt durch Klopfen und echter Schenkelhilfe unterscheiden? Stattdessen stumpft es auf den Schenkeldruck ab und lernt, nicht zu reagieren. Beigebracht hat ihm dies seine Reiterin – auch wenn es nicht ihre Absicht war.

Ein hochgezogener Absatz hat ähnlich katastrophale Folgen. Er verursacht einen leichten Dauerdruck am Pferdebauch, die notwendige Rückmeldung „Alles richtig gemacht“ bleibt durch das Beibehalten des Drucks aus. Darüber hinaus blockiert eine solche Absatz- und Schenkelhaltung die Reiterhüfte, ein geschmeidiges Mitgehen in der Bewegung und treibende Gewichtshilfen sind nicht mehr möglich. Das Pferd stockt, die Reiterin erhöht den (Sporen) Druck, die Abwärtsspirale beginnt. Am Ende heißt es, das Pferd sei faul, obwohl es doch eigentlich alles richtig macht.

Ähnliche Probleme treten auf, wenn die Reiterin ihre Knie stark anpresst, mit ihren Beinen klemmt, krampfhaft versucht, ihre Fußspitzen nach innen zu drehen oder mit zu langen Bügeln reitet. Je natürlicher das Reiterbein dagegen am Pferd liegt, beinahe hängt, desto besser die Einwirkung. Fest an den Sattel gedrückte Knie verhindern ein geschmeidiges Mitgehen in der Bewegung und bremsen die meisten Pferde eher aus. Das Gleiche kann passieren, wenn die Reiterin mit beiden Beinen „klemmt“, sich also mit den Beinen festhalten will. Während viele Pferde auch hier mit bremsen reagieren, können andere unter dieser falschen Einwirkung sogar panisch werden und davonstürmen. Auch die von Reitlehrern gern gegebene Anweisung „Fußspitzen nach innen“ kann, je nach Körperbau der Reiterin, vollkommen falsche Ergebnisse erzielen. Eine Reiterin mit sehr beweglichen Fußgelenken und eher flachen Hüftpfannen wird diese Haltung problemlos einnehmen und dabei korrekt treiben können. Reiterinnen, bei denen dies aufgrund ihres individuellen Körperbaus nicht möglich ist, würden beim Versuch, die Fußspitzen nach innen zu drehen, ihre Unterschenkel vom Pferd abspreizen, ihre Oberschenkel verspannen und ihre Hüfte blockieren. Ein starkes Ausdrehen der Fußspitzen à la Charly Chaplin hätte jedoch dieselben Folgen.

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Im Idealfall ist die treibende Hilfe von außen nicht wahrzunehmen, das Pferd holt sie sich quasi selbst an. Wenn das funktioniert, entsteht aus Reithandwerk Reitkunst.
© Petra Kerschbaum

Treiben wie von selbst

Sitzt die Reiterin geschmeidig und ausbalanciert, liegen ihre Schenkel richtig an und hat das Pferd die Bedeutung der Hilfen erlernt und verstanden, dann ist Treiben ein Vorgang, der quasi wie von selbst als Hintergrundrauschen abläuft. Daher rührt auch der alte Satz: Das Pferd holt sich die treibenden Hilfen selbst ab. Was nichts anderes bedeutet, als dass durch die dreidimensionale Bewegung eines losgelassen schreitenden, trabenden oder galoppierenden Pferdes der Pferderumpf ganz automatisch wechselseitigen Kontakt zu den Reiterschenkeln und beweglichen Kontakt zum lockeren Reiterbecken hat. Mehr als kleine, punktgenaue Impulse aus Becken und Bein zur Verfeinerung und Optimierung sind dann kaum mehr nötig. Wenn dies funktioniert, entsteht aus Reithandwerk Reitkunst.

Buchtipp: Lektionen richtig reiten

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© KOSMOS

Von den Basisübungen bis hin zu schweren Dressurlektionen – in ihrem Buch „Lektionen richtig reiten“ erklärt Dressurexpertin Dr. Britta Schöffmann, worauf es bei den einzelnen Lektionen ankommt, welche Fehler man vermeiden sollte und mit welchen Hilfen die Lektionen Schritt für Schritt erarbeitet werden.

Ergänzt wird dieses umfangreiche Nachschlagewerk mit zahlreichen Detailabbildungen und Übungen, die unter anderem von den beiden Mannschafts-Weltmeisterinnen Kristina Bröring-Sprehe und Isabell Werth geritten werden.

Das Plus zum Buch: die kostenlose KOSMOS-PLUS-APP mit Filmen von ausgewählten Lektionen.

Lektionen richtig reiten –
Von A wie Abwenden bis Z wie Zick-Zack-Traversale

Dr. Britta Schöffmann
216 Seiten, 85 Farbfotos, 33,90Euro,
erschienen im Franckh-Kosmos Verlag
www.kosmos.de