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Das neu entwickelte Messsystem arbeitet bereits mit einer relativ hohen Genauigkeit: In 77 Prozent der durch audio-visuelle Beobachtungen identifizierten Stressfälle schlug auch das Messgerät Alarm. © Farmer - fotolia.com

Gestresstes Pferd oder nicht: Neue Technologie soll Klarheit bringen

Ein Artikel von Pamela Sladky | 19.08.2016 - 10:14
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Das neu entwickelte Messsystem arbeitet bereits mit einer relativ hohen Genauigkeit: In 77 Prozent der durch audio-visuelle Beobachtungen identifizierten Stressfälle schlug auch das Messgerät Alarm. © Farmer - fotolia.com

Ob ein Pferd unter seinem Reiter gestresst oder bloß angestrengt ist, ist immer wieder Gegenstand hitziger Diskussionen – in der Hobbyreiterei, aber ganz besonders auch im Sport. Um Stress beim Pferd festzustellen, ist eine gute Beobachtungsgabe gefragt. Denn auch wenn das Pferd sich akustisch nicht mitteilen kann, anhand seiner Körpersprache hat es einige Möglichkeiten, sein Unbehagen zum Ausdruck zu bringen. Da wäre etwa ein unruhig schlagender Schweif, aufgerissene, rollende Augen, Zähneknirschen oder ein offenes Maul, vielleicht sogar mit heraushängender Zunge. Signale wie diese sprechen eine unmissverständliche Sprache und sind von jedermann leicht zu erkennen. Doch es gibt auch subtilere Hinweise darauf, dass ein Pferd Stress hat. Etwa spannige Tritte, Taktfehler, ein festgehaltener Rücken, ein eingeklemmter Schweif, verkrampfte Lippen oder permanent hochgezogene Nüstern, um nur einige zu nennen. Um sie zu erkennen, ist bereits einiges an Fachwissen nötig – und selbst mit dem nötigen Know-How ist die Beurteilung von Stressanzeichen oftmals eine sehr subjektive Angelegenheit. Manche Pferde ziehen selbst bei leichtester Anlehnung die Oberlippe hoch, andere wiederum haben von Natur aus einen unruhigeren Schweif während machne ihn trotz harter Reiterei ruhig pendeln lassen. Wie also sicher herausfinden, ob ein Pferd nun tatsächlich unter Stress steht, oder nicht?

„Die häufigste Herangehensweise um mentalen Stress zu erkennen ist die visuelle Beurteilung ihres Verhaltens, aber die ist sehr subjektiv und zeitaufwendig, deshalb ist eine neue Technologie wirklich notwendig“, ist Dr. Deborah Piette überzeugt. Die Lösung liefert die belgische Neuropsychologin prompt mit. Im Rahmen der 16. Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften (ISES) Ende Juni in Saumur, Frankreich, stellte Piette eine neue Technologie vor, die zuverlässig Stress identifizieren soll.

Stress messbar gemacht

Das von Piette und ihren Kollegen entwickelte Messgerät wird ähnlich wie eine Pulsuhr am Rumpf des vierbeinigen Athleten angebracht, wo es kritische Daten zum Herzschlag aufzeichnet. Das Besondere an neuen Stressmesser: Die Daten werden via Bluetooth an ein Computersystem geschickt, das in der Lage ist, Stressanzeiger von reinen Aktivitätswerten zu unterscheiden.

„Die vorgestellte Methodik basiert auf dem Prinzip, dass der Herzschlag des Pferdes in drei Bereiche unterteilt werden kann: den Grundstoffwechsel, physische Aktivität und den mentalen Zustand oder Stress“, erklärt Piette gegenüber dem US-Pferdegesundheitsmagazin The Horse. Um diese drei Bereiche voneinander zu unterscheiden, wurde ein spezieller, in Echtzeit arbeitender Algorithmus entwickelt, der nicht nur die aktuelle Aktivität misst, sondern auch berechnet, welche Auswirkungen diese auf den natürlichen Herzschlag haben sollte. Abweichungen von diesen Daten werden dem mentalem Zustand des Pferdes bzw. Stress zugerechnet, wodurch dieser messbar wird.

Erste Tests im Vergleich mit einer audio-visuellen Beurteilung haben gezeigt, dass der entwickelte Algorithmus bereits relativ genau arbeitet. In 77 Prozent der Fälle, in denen die Wissenschaftler durch die visuelle Beurteilung Stress beim Pferd ermittelten, schlug auch der Stressmesser Alarm. Umgekehrt deckten sich 78 Prozent der vom Messgerät identifizierten Stressfälle mit der visuellen Beurteilung.

ps